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Ausgabe:

1983

Spalte:

585-587

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Prijs, Leo

Titel/Untertitel:

Die Welt des Judentums 1983

Rezensent:

Schreiner, Stefan

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 8

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Zeit Antiochus' IV. empfanden, ist für M. mit Recht der Kristallisationspunkt
, der die Entstehung nicht der Apokalyptik an sich, aber
der apokalyptischen Literatur bedingte. Solche Bedrängnisse registriert
M. nicht nur für 1 Hen, wo sich die Ablehnung des Hellenismus
in einem kulturpessimistischen Gegenwartsbild niederschlägt. Das
Verzweifeln an irdischer Gerechtigkeit, jedenfalls an ihrer innergeschichtlichen
Realisierbarkeit, das die apokalyptische Ethik charakterisiert
(141), hat seine historische Bedingung eben in geschichtlichen
Situationen, für die Antiochus IV. eine Chiffre ist.

M. hat mit vollem Recht die Position kritisiert, daß die Apokalyp-
tiker keine konkreten Gesetzesinhalte gesehen haben (134). Die von
M. aufgelisteten (134-137) Belegstellen für ethische Haltungen beweisen
ganz klar, daß es einen selbstverständlichen Inhalt der apokalyptischen
und darüber hinaus der frühjüdischen Ethik überhaupt gab.
Diese Ethik umfaßte naturgemäß auch den Gesamtbereich der kultisch
-religionsgesetzlichen Bestimmungen (wohl in der jeweiligen
Interpretation der eine Schrift tragenden Sondergruppe). Es ist M.
wieder voll zuzustimmen, daß es nicht angeht, diese Apokalyptik(er)
als eine bloße Randerscheinung des Frühjudentums zu verstehen
(148). Es ist sogar zu fragen, ob es richtig ist, mit M. die Apokalyptiker
als eine Gruppe neben die Sadduzäer, Pharisäer, Zeloten etc. (148) zu
stellen. Man wird eher zu überlegen haben, ob M.s Befund nicht dafür
spricht, daß die apokalyptische Ethik ein bestimmendes Prinzip in
allen (wohl unter Ausnahme der Sadduzäer) diesen Gruppen war und
bis ins Christentum hinein blieb.

Das Verhältnis von Ethik und Eschatologie im NT wird vom Autor
in einem ausführlichen Schlußkapitel erörtert, wobei besonders Paulus
Beachtung findet. M. hebt als wesentliche Mutation des apokalyptischen
Schemas hervor, daß bei Paulus das eschatologische Heil -
ganz unapokalyptisch-als schon gegenwärtig gesehen wird. „Daß Zukunft
bereits in der Gegenwart gelebt werden kann, ist ein der Apokalyptik
fremder Gedanke" (157). Im Unterschied dazu registriert M. für
die ntl. Briefliteratur „eine ungebrochenere Aufnahme apokalyptischer
Traditionen" (176).

Der Verfasser hat ein klares Konzept, nach dem er die Texte
abhorcht. Der Ertrag dieser Arbeit ist überzeugend und überaus nützlich
. Die wesentliche Leistung besteht darin, daß M. seinen Texten
kein System aufzwingt, aber durch seine Untersuchung überzeugend
darlegt, wie sehr die so differenzierte apokalyptische Literatur einen
gemeinsamen Wesenskern hat, zu dem nicht zuletzt die eschatologische
Ethik gehört. Diese Ethik ist als Erbe der Apokalyptik direkt
oder indirekt auch in der heutigen Gesellschaft noch überaus wirksam
. Deshalb sollte diese ausgezeichnete Studie Münchows nicht nur
vom engeren Kreis der Rcligionshistoriker und Theologen, sondern
von allen zur Kenntnis genommen werden, die die Struktur unserer
Gesellschaft wissenschaftlich erforschen.

Wien Ferdinand Dexinger

Pfijs, Leo: Die Welt des Judentums. Religion, Geschichte, Lebensweise
. München: Beck 1982, 222 S. m. 38 Abb. 8* = Beck'sche
Schwarze Reihe, 261. Kart. DM 24,-.

Nach seinem Buch „Die jüdische Religion. Eine Einführung"
(München 1977; vgl. L.Wächters Rezension in: ThLZ 104, 1979
Sp. 574f.) legt Vf. jetzt ein Buch vor, das auf den ersten Blick wie eine
Neuauflage der „Einführung" erscheint. Wenngleich in thematischer
Hinsicht zwischen den beiden Büchern auch manche Berührungspunkte
und Ähnlichkeiten nicht zu übersehen sind, so ist dennoch der
inhaltliche Rahmen der „Welt des Judentums" ungleich breiter abgesteckt
. Denn Judentum - bemerkt Vf. im Geleitwort zu Recht - meint
dreierlei: „Judentum ist Religion .. ., Judentum ist auch Volk (und
damit Subjekt der Geschichte). . ., Judentum ist aber auch eine
Lehensweise" (S. 9); und eben dies alles hat eine Darstellung der
..Welt des Judentums" zu berücksichtigen, wie Vf. im Untertitel angedeutet
hat. Dabei wollen die 15 Kapitel des Buches ebensowenig

eine umfassende wie eine systematische Darstellung der genannten
drei „Gesichter" des Judentums geben, sondern sollen nach dem Willen
des Vf. „in loser Folge die vielseitigen Aspekte des Judentums,
sozusagen in Momentaufnahmen" zeigen (S. 9).

Unter dem Thema „Vom Glauben" werden in Kap. I (S. 11-26)
Maimonides' 13 Glaubensartikel, der Offenbarungsbegriff (= mattan
Torah = die Gabe der Lehre), das Anliegen der Pharisäer (nämlich die
Verwirklichung, das Leben der Lehre im Alltag) bis zum Problem des
Leidens (als einer der rationalen Erklärung sich entziehenden, nur
glaubend zu bewältigenden Erfahrung) behandelt. Kap. II „Die
Eschatologie" (S. 27-36) erzählt vom Glauben an eine Welt nach dem
Tode und von den Endzeiterwartungen, wie sie sich vor allem auf den
kommenden erwarteten Messias konzentrieren. In Kap. III „Altes
Testament" (S. 37-45) gibt Vf. Beispiele für biblische Erzählkunst
(Isaaks Opferung, Josephsgeschichte) und die „Objektivität derj)ibli-
schen Geschichtsschreibung" (anhand von lKön 12) und weist auf
einige Motive aus Hiob und Kohelet hin, die in Goethes „Faust" eingegangen
sind. Mit den Quellen des Judentums, einschließlich der
Stätten ihres Studiums, befaßt sich Vf. in Kap. IV „Tora und Talmud
" (S. 46-62). Kap. V enthält „Einige Beispiele aus Gesetz und
Brauchtum" (S. 63-71), den „Mondsegen", die „Jahrzeit" (= der mit
Rezitation des Kaddisch und Anzünden des Jahrzeitlichtes begangene
Todestag von Eltern und nahen Verwandten) sowie das Problem
Todesstrafe (die im Staat Israel zwar abgeschafft, von der jüdischen
Tradition mit Hinweis auf Gen 9,6 indessen im Prinzip anerkannt ist,
wenn auch das talmudische Recht mit seinen strengen Bestimmungen
ihre Verhängung praktisch unmöglich gemacht hat).

Kap. VI ist der „Ethik" (S. 72-89) gewidmet, wie sie in den „Sprüchen
der Väter" sich darstellt und in den Geboten der Nächstenliebe
aufgrund der Gleichheit aller Menschen (Lev 19,18 + Gen 5,1), der
Toleranz und der Forderung nach sozialer Gerechtigkeit kulminiert
.

In Kap. VII „Gebete und Stätten der Gebete" (S. 90-105) gibt Vf.
einen Einblick in die Alltagsliturgie (am Beispiel des Morgengebetes
und der 2. Benediktion des Achtzehngebetes), in Funktion und Bedeutung
der Synagoge als des „kleinen Tempels" (nach Ez 11,16) und
in Kap. VIII „Sabbat und Feiertage" (S. 106-115) in die Sabbatpoesie
(am Beispiel der Hymne „Komm, mein Freund, der Braut entgegen"
aus der Sabbateingangsliturgie), die Pessach-Haggadah und die Jom-
Kippur-Liturgie.

In Kap. IX „Zionismus und der moderne Staat Israel" (S. 116-133)
liefert Vf. zunächst einige Belege für die „Vaterlandsliebe und Zions-
liebe der deutschen Juden" vor und nach (!) 1933, geht dann auf die
„religiösen Wurzeln des Staates Israel" ein (u. a. Gen 12,8; TB Bawa
Qamma 60b; Sohor III, fol. 6a-6b und Jehuda ha-Lewis „Zionide"
werden herangezogen) und fügt einige Bemerkungen zum Thema
„Frieden in jüdischer Tradition" im allgemeinen und zum „ägyptisch
-israelischen Friedensvertrag" im besonderen an.

Kap. X „Persönlichkeiten des Altertums, des Mittelalters und der
Neuzeit" (S. 134-149) enthält Porträts von Simon bar Jochai,
R. Jehuda ha-Nasi, der jüdischen Königin Helena aus Adiabene,
R. Meirvon Rothenburg und Moses Mendelssohn.

Die Darstellung der „Beziehungen zwischen Juden und Nicht-
juden" in Kap. XI (S. 150-160) beinhaltet eine Charakterisierung der
jüdischen Einstellung zum Christentum („stets eine, freilich oft genug
nicht erwiderte Achtung des Christentums" S. 151, und zwar eine
theologisch wohl fundierte; denn: „die Frommen aller Völker haben
Anteil an der kommenden Welt", heißt es TB Sanh 105a), eine Aufzählung
der wesentlichsten Vorurteile gegen die jüdische Religion und
beschreibt die Reaktion der Juden auf die Glaubensverfolgungen des
Mittelalters (anhand eines Augenzeugenberichtes über die Inquisition
in Portugal 1498). Im Kontrast dazu berichtet Kap. XII von „Freund-
schaftliche(n) Gespräche(n) zwischen Rabbinen und Königen" (freilich
aus der Zeit der Antike) (S. 161-172).

Kap. XIII enthält „Erinnerungen an das jüdische Städtl in Osteuropa
und an eine jüdische Gemeinde in Deutschland" (nämlich in