Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1983

Spalte:

34-35

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Hoppe, Rudolf

Titel/Untertitel:

Der theologische Hintergrund des Jakobusbriefes 1983

Rezensent:

Lührmann, Dieter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

33

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. I

34

vielleicht anders beurteilen - in überaus eigenständiger und kompetenter
Weise für den gesamten Bereich alttcstamcntlicher, jüdischer,
frühchristlicher und auch patristischer Literatur, ohne daß bestimmte
Kombinationen von „ParalleP'stellen aus der Referenzliteratur hier
noch einmal wiederholt werden.

Traditionsgeschichtlich angelegt, folgt die Arbeit weder dem
Muster der alternativen Absetzung christlicher Theologie von jüdischen
„Vorstellungen" noch dem Muster der kausalen Erklärung im
Sinne einer „Herleitung" von dort, sondern stellt Hebr (und darüber
hinaus auch Paulus und Joh mit klugen Seitenbemerkungen) in die
vielschichtige Diskussion um die Bedeutung der Mose-Gestalt.

Dieser methodische Ansatz hat erhebliche inhaltliche Konsequenzen
: 1. Ein Ergebnis ist, daß im Hebr Mose und Christus nicht als ent-
weder-oder einander entgegengesetzt erscheinen, vielmehr das AT
von Christus her interpretiert erscheint - was Mose auf dem Sinai gesehen
hat, und er hat durchaus etwas gesehen, ist die Herrlichkeit
dieses Christus als des Hohenpriesters. 2. Durchgehend betont die
Vfn., daß die Mose-Traditionen nicht die Christologic des Hebr dominieren
, sondern umgekehrt die Christologic die (unterschiedlichen)
Traditionen; das gilt aber entsprechend auch fürdie Mosebilder eines
Sirach, eines Josephus, eines Philo oder der vielen exegesierten rabbi-
nischen Texte. 3. So wird der Umgang mit der Mose-Gestalt in der
Spannung zwischen Tradition und gegenwärtiger Erfahrung zu einem
guten Exempel für theologisches Denken überhaupt.

Behandelt werden die drei Texte Hebr 1 1,23-27 (Kap. I), 3,1-6
(Kap. II-IV) und 8,1-10,18, hier bes. 8,1-6 (Kap. V). Die Arbeitsweise
ist so, daß die Vfn. vom Hebr-Text ausgeht und von da aus auf
die zugrundeliegenden alttcstamentlichen Texte und ihre Auslegungsgeschichte
im Judentum.und im frühen Christentum stößt; ohne das
Ziel, Hebr zu interpretieren, aus den Augen zu verlieren, diskutiert sie
diese Auslegungsgeschichtc sehr detalliert. Alttestamcntliche „Texte"
heißt dabei nicht isolierte Verse des Pcntateuch, sondern meint
größere Zusammenhänge, die schon im AT selber oder im Judentum
hergestellt sind (etwa die Verbindung von Num 12 mit Ex 33 und Dtn
34). Mir nicht einleuchtend, das Gesamtbild aber eigentlich nicht
beeinträchtigend, sind die Identifikationen des Zitats in 3,2 nicht als
Num 12,7 LXX (so erst 3,5). sondern als die Nathanweissagung in der
Form von IChr 17,14 (S. 69) und des Zitats in 8,5 nicht als Ex 25,40,
sondern als Num 7,1 (S. 234). Ein gutes Ergebnis der Interpretation ist
freilich die Erklärung der Einfügung von ndvza in das Zitat von Ex
25,40 (sie!) in 8,5 (S. 222).

Den Hauptteil macht die Interpretation von 3,1-6 aus (die darauf
verwendeten drei Kapitel nehmen mehr als die Hälfte des Buches ein).
Am überzeugendsten ist hierbei der Nachweis, daß sich das Thema
„Mose" aus dem Thema der beiden ersten Kapitel des Briefes ergibt,
weil eine Überordnung über die Engel auch zum Mosebild bestimmter
jüdischer Traditionen gehört. Nur kaum in den Blick kommt hier freilich
, daß im Judentum (Philo!) ja auch Mose hohepriesterliche Funktionen
hat und sich demnach auch daraus die Frage einer weiteren
Klärung des Verhältnisses von Mose und Christus ergibt. Die erwähnte
Zuweisung des Zitats in 3,2 zur messianischen Tradition
(S. 147) legt m.E. den Sohnestitel im Hebr zu sehr in dieser Richtung
fest, was dann aber auch nicht ausgeglichen wird mit der späteren Behauptung
, Für Hebr sei Christus selber Gott und Schöpfer (so die Interpretation
von 3,4: S. 164.177.186; dagegen doch l,2f; 2,10). Der
Unterschied zu Mose besteht doch darin, daß Christus Sohn. Mose
aber nur öcpäncov ist. Und es wird nicht ausgeglichen mit der wichtigen
sich durchziehenden These, daß die Herrlichkeit Gottes, die Mose
auf dem Sinai sah. nichts anderes als der präexistente Sohn war.

In inhaltlicher wie methodischer Hinsicht eine Bereicherung der
Hcbr-Litcratur. hätte diese Dissertation noch gewinnen können, hätte
die Vfn. das Gespräch nicht nur mit den Primärtexten gesucht, sondern
auch mit der Sekundärliteratur.

Errata: S. 80. Z. 13f v.o. "ofdoppelt; S. 89. /.. 19 v. u. lies "at" statt "as";
Z. 15 v. u. wird Hebr 3,2 einschließlich "all" zitiert, das S. 73 als sekundär ausgeschieden
worden war; S. 135, Z. 15 v. o. lies mqdsftatt mq:s ; S. 138, Z. 2

v. o. lies "analogous"; S. 207, Z. 3 v. o. lies Ex 25.9; S. 218, Z. 12 v. o. lies "the-
me" statt "thcm";S. 260, Z. 13v. u. lies 2.12.

Bethel Dieter Lührmann

1 Vgl.O. Kuss, Paulus. Regensburg 1971, 13-15!

Hoppe. Rudolf: Der theologische Hintergrund des Jakobusbriefes.

Würzburg: Echter Verlag 1977 XI, 170 S. gr. 8' = Forschung zur
Bibel, 28. Kart. DM 24,-.

Die Interpretation des Jakobusbriefes steht nach wie vor unter dem
Eindruck des sechzig Jahre alten Kommentars von Martin Dibelius.
An die Stelle der theologischen Kritik, die Luther zu seinem bekannten
Diktum von der „strohernen Epistel" geführt hatte, und an die
Stelle der relativen Wertschätzung vom Standpunkt der Moral aus
(Herder, der in dem Stroh noch manches unausgedroschene Korn
fand) trat hier die historische Würdigung des Briefes unter dem Gesichtspunkt
der Formgeschichte und der Religionsgeschichte: Der
Jakobusbrief ist Paränese, hat aber keine Theologie. Damit ist ihm
sein Platz in der frühchristlichen Literaturgeschichte zugewiesen als
Vertreter einer bestimmten Gattung, der aber von vornherein nicht zu
messen ist an den Theologen des Neuen Testaments.

Dieses Urteil hat sich durchgesetzt, und es wirkt wie eine Bremse
gegenüber allen Versuchen, doch so etwas wie eine Theologie des
Jakobusbriefes zu erheben. An etwas entlegenem Ort erschienen ist
hier vor allem ein Aufsatz von Ulrich Luck zu nennen: Der Jakobusbrief
und die Theologie des Paulus (ThGl 61, 1971, 16 l-l 79), der Jak
wie Paulus vor dem gemeinsamen Hintergrund jüdischer Weisheitstheologie
sieht und auf den inneren Zusammenhang von Jak 1,2-12

2.1- 13 2,14-2*6 und 3,13-18 verweist: „Der Jakobusbrief zeigt einen
Typus frühchristlicher Theologie, der weit verbreitet war"
(a. a. O. 173), also nicht nur frühchristliche Paränese (so Dibelius).

Diesem Aufsatz ist das hier zu rezensierende Buch von Hoppe eng
verpflichtet noch über die häufigen Verweise hinaus (der Titel des
Buches ist übernommen von einem Aufsatz G. Braumanns: ThZ 18,
1962,401^10). Der Vf. macht in der Einleitung (1-17) einen Durchgang
durch den ganzen Brief vor allem unter formgeschichtlicher
Fragestellung. Er übernimmt dabei die gängige Unterscheidung zwischen
Spruchparänese und diatribenartigen Abhandlungen. Letztere
(2,14-26 3,13-18, auch 2,l~l3)geben den Anhaltspunkt fürdie Frage
nach dem „theologischen Leitgedanken", der dann auch die Spruchparänese
bestimmt (16), genauer: das Verhältnis zwischen rechter
Weisheit und rettendem Glauben (9).

Diese beiden Themen werden nun nacheinander dargestellt. Der
erste Teil: Die Weisheit im Jakobusbrief (18-71), behandelt die Texte

1.2- 12 und 3,13-18, der zweite Teil: Der Glaube im Jakobusbrief
(72-118), 2,1-13 und2,14-26. Theologischer Hintergrund ist wie bei
Luck die jüdische Weisheitstheologie, der einheitliche theologische
Gesichtspunkt wiederum in Weiterführung von Luck; „Im Glauben
teilt sich die verborgene Weisheit Gottes mit, die dem Menschen
eschatologische Verheißung zuspricht, im Glauben muß der Mensch
die Weisheit, welche er empfangen hat, aufgreifen und je neu verwirklichen
" (147). Daß der Jakobusbrief damit aber nicht eine lediglich
oberflächlich christianisierte, im Grunde jüdische Schrift ist, sondern
in den Zusammenhang der frühchristlichen Theologiegeschichtc gehört
, zeigt sich in der Christologie (dazu bes. 74-78), in dem erst hier
problematisch gewordenen Verhältnis von Glaube und Werken (dazu
bes. 86.90—92.107IT) sowie in der erst christlichen Bestimmung des
Gesetzes vom Liebesgebot her (880-Vor allem aber dient dem auch
der dritte Teil des Buches: Jakobusbriefe und Jesusüberlieferung
(119-145), in dem der Vf. zeigt, wie ähnliche theologische Konzeptionen
die Jesusüberlieferung auf dem Weg von Q zu Mt geprägt
haben. Auch diese Gemeinsamkeiten erklären sich nicht einfach aus
einer gemeinsamen Zugehörigkeit zurGattung Paränese.

Wichtig an diesem Buch scheint dem Rez. (bei Vorbehalten gegen-