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Ausgabe:

1983

Spalte:

538-539

Kategorie:

Systematische Theologie: Ethik

Autor/Hrsg.:

Weber, Hans-Ruedi

Titel/Untertitel:

Experiments with Bible study 1983

Rezensent:

Mendt, Dietrich

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 7

538

die Sakramente, die hier in ihrer Siebenzahl (!) abgehandelt werden
(73 ff): Jesus verkörpert nicht nur die göttliche Initiative, sondern auch
die menschliche Antwort, nicht nur die Gnade Gottes, sondern auch
die Freiheit des Menschen (86). In analoger Weise kommen auch in
den Sakramenten göttliche Gnade und menschliche Freiheit zugleich
zum Zuge (84). Kapitel III ("Spirit") erörtert u. a. die Spannung von
Institution und Ereignis (112 ff) am Beispiel des Eucharistiegebets, insbesondere
an der Funktion der Epiklese; das Verhältnis von Bindung
und Freiheit (1 Uff), Einheit und Vielfalt (1160 wird ebenfalls von
liturgischen Zusammenhängen her beleuchtet. Bemerkenswert ist in
diesem Kapitel das Plädoyer für die Heiligenverehrung ("The place of
the saints", 109ff) als Ausdruck des Verlangens nach Vollendung der
Gottesherrschaft ("a plea for the Coming of God's kingdom", 109).
Kapitel IV ("Church") bespricht u.a. die Rolle und Funktion von
Ritualen (119 ff; wichtig für das Verständnis des Gottesdienstes als
"ritual" bzw. "symbolic focus"!) und weist mit Recht daraufhin, daß
christliche Rituale einen vorwiegend ,transformativen' Charakter
besitzen, d. h. die Veränderung von Wirklichkeit anzeigen und bewirken
(121), und deshalb keineswegs nur die .ewige Wiederkehr' der
.Ursprünge' feiern wollen (119). Das Kapitel behandelt dann die vier
durch das Credo vorgegebenen Kennzeichen der Kirche (Einheit, Heiligkeit
, Katholizität, Apostolizität) und wendet sich in der Folge -
unter der Überschrift "Justification by faith" (138 IT) - dem Problem
der Taufe, insbesondere der Kindertaufe zu (wobei sehr deutlich wird,
daß der Vf. die Gläubigentaufe bevorzugt). Die Taufe als "a non-
exclusive promise" (145) dient auch als Aufhänger, wenn der Vf. zum
Abschluß dieses Kapitels - und des gesamten ersten Teils - noch einmal
(wie schon in Kap. III) die Frage nach dem universalen Anspruch
der "Christian vision" aufgreift und dabei einen Weg jenseits ,exklu-
sivistischer' und ,inklusivistischer' Tendenzen zu gehen versucht
(143ff).

Wir müssen hier abbrechen. Diese zufällige und gewiß auch zu
Mißverständnissen Anlaß gebende Auswahl aus dem sehr viel umfassenderen
Themenangebot des ersten Teils wollte ja auch nur versuchen
, die theologische Methode des Vf. ein wenig zu veranschaulichen
: ". . . doing the theological task in a liturgical perspective" (5).
Dem Rez. fehlt der Raum und die systematische Kompetenz, um mit
dem Vf. hier in das notwendige kritische Gespräch über diese
Methode und die in ihrem Verfolg erzielten Ergebnisse einzutreten.
Ansatzpunkte für ein solches Gespräch gäbe es mehr als genug. Auch
hier kann nur weniges angedeutet werden: Schon unser kurzer Uberblick
hat deutlich gemacht, welches Gewicht der Vf. den rituellen und
sakramentalen Aspekten des christlichen Gottesdienstes beimißt;
kommt darüber der Gottesdienst als .Wortgeschehen' nicht etwas zu
kurz? Und weiter: Der kurze Schlagabtausch mit E. Käsemann (4040
weckt den Verdacht, daß der Vf. den Anspruch, der sich mit dem Satz
vom .Gottesdienst im Alltag der Welt' verbindet, nicht hinreichend
realisiert hat. Impliziert dieser Satz nicht ein Verständnis des Verhältnisses
von .Gottesdienst' und .Leben', das sich von dem des Vf. grundlegend
unterscheidet? So sucht man denn auch den Namen von
E. Lange, der dieses Verständnis praktisch-theologisch entfaltet hat,
in dem sonst auch (in anerkennenswerter Weise!) mit deutschsprachigen
Theologen reich bestückten Namenverzeichnis vergebens.
Und dann: Der deutschsprachige Leser kann sich gelegentlich dem
Eindruck nicht ganz entziehen, bei der Lektüre in die Hoch-Zeiten
restaurativer Gottesdienstlehre und -praxis der fünfziger Jahre zurückversetzt
zu werden. Von den gegenläufigen Tendenzen und
Erfahrungen, denen ersieh in den sechziger und frühen siebziger Jahren
ausgesetzt sah, ist in diesem Buch (abgesehen von ein paar ins Absurde
übersteigerten und darum belanglosen Beispielen, vgl. u. a. 345)
wenig zu spüren. Eine ungebrochene Hochschätzung der .liturgischen
Bewegung' verbindet sich - bei aller bemerkenswerten ökumenischen
Offenheit! - mit einer ausdrücklichen Stellungnahme gegen allen
liturgischen Avantgardismus (344). So sympathisch dies sein mag: Es
bleibt das ungute Gefühl, hier werde insgesamt die noch jüngst so heftig
diskutierte Problematik (Stichwort: Gottesdienst in einer säkularisierten
Welt) ein wenig überspielt. Oder (der Rez. vermutet dies allen
Ernstes) ist das, was man hier und im Lebensbereich des Vf. jeweils als
Säkularisierung' erfährt, doch sehr grundlegend voneinander unterschieden
?

Der Vf. versteht Theologie, Kirche und Gottesdienst als ,offene
Systeme' (435ff), die sich in dieser Weltzeit jeder abschließenden Behandlung
und Gestaltung entziehen. Ein solches Verständnis schließt
selbstverständlich für den Vf. die Bereitschaft ein, sich kritischen Fragen
zu stellen. Es ist mehr als pure Höflichkeit, wenn der Rez. zum
Schluß seinen Dank und seine Bewunderung für dieses in jeder Weise
offene, facettenreiche, anregende Buch und seinen sprachkundigen
und kenntnisreichen Autor auch ausdrücklich artikulieren möchte.

Leipzig Karl-Heinrich Bieritz

Weber, Hans-Ruedi: Experiments with Bible Study. Geneva: World
Council ofChurches 1981. X, 319 S. gr. 8°. sfr 17.50.

Hans-Ruedi Weber hat jahrelang im Weltkirchenrat das sogenannte
Laienreferat geleitet, ehe er als beigeordneter Direktor an das Oeku-
menische Institut nach Bossey ging, von wo er später nach Genf
zurückgeholt wurde in seine gegenwärtige Tätigkeit: „Direktor für
biblische Studien", gemeint ist: für „Bibelarbeit", mit Laien nämlich.
Denn diese zwei Schwerpunkte hat die Arbeit Webers in allen Tätigkeiten
gehabt: Aktivierung von Laien - und ein neuer Umgang mit der
Bibel. Weber konnte theoretisch, aber auch praktisch immer beides in
idealer Weise verbinden: Aktivierung von Laien durch den Umgang
mit der Bibel. Auch die Kirchen und Gemeinden in der DDR haben
Weber Entscheidendes zu verdanken durch jahrelange persönliche
Kontakte mit ihm. Nun legt er seine Erfahrungen gesammelt vor, und
es ist zu hoffen, daß der englischen in absehbarer Zeit eine deutsche
Ausgabe folgt, die ein bleibendes Arbeitsbuch für alle die werden
könnte, für die die Bibel im Zentrum allen Gemeindeaufbaus steht.

Obwohl Webers Buch ein praktisches Buch ist, ein Arbeitsbuch
(276 von den insgesamt 319 Seiten enthalten praktische Anleitungen
und Beispiele), erfährt man in einer ausführlichen Einleitung auch
Wesentliches zur Theorie der Bibelarbeit. Unter der Überschrift „Für
alle Zeitalter und Kulturstufen" ("For all ages and cultures") gibt er
uns einen historischen Abriß, der zeigt, wie stark die abendländische
Kultur nach der Reformation und nach der Erfindung des Buchdruk-
kes unseren Blick für die Beschäftigung mit der Schrift bestimmt hat:
„Niemand kann Christ werden ohne Literatur!" (10) Weber fordert
dagegen eine „Befreiung der Bibel vom Druck, aus Gutenbergs Gefangenschaft
!" (10) Die Bibel war ursprünglich eine mündliche Botschaft,
nämlich eine Interpretation des niedergeschriebenen Alten Testamentes
- das ursprünglich ebenfalls mündlich weitergegeben wurde -
durch die mündliche Botschaft des Neuen Testamentes. Die - späteren
- schriftlichen Zeugnisse sollten lediglich die mündlichen unterstützen
. Die Reformation, meint Weber, habe das Gefühl für symbolische
Handlungen und das biblische Drama verloren (42). Er sieht
eine Aufgabe des Weltkirchenrates darin, die Bibel aufs neue für
mündliche Kulturen zu erschließen und hat in seine praktischen Beispiele
solche Versuche, zum Beispiel mit Analphabeten auf der Insel
Celebes in Indonesien, mit aufgenommen.

Gerade diese Erkenntnis bestimmt sehr stark die Beispiele, die
Weber wiedergibt, Bibelarbeiten über verschiedene Texte, aber auch
über Textreihen und Themen ("John's vision of Christ", 211; "This
is ... do this", eine Bibelarbeit über das Abendmahl, 180; "The she-
pherd and the sheep", 129 und oft). Die einzelnen Schritte wie auch
die nötigen historischen Einleitungen, aber auch Erzählungen des
Textes werden ausführlich beschrieben, so daß man diese Bibelarbeiten
ohne weiteres „nachmachen" kann und soll, obwohl ihre Vorbilder
mitunter zu sehr repräsentativen Gelegenheiten entstanden sind.
Ich nenne als Beispiele: Weltmissionskonferenz in Bangkok Dezember
1972; ein „Konzil für die Laien" aus Anlaß des Heiligen Jahres im
Oktober 1975 in Rom; Rundfunksendungen in Neuseeland vor dem