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Ausgabe:

1983

Spalte:

32-34

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

D'Angelo, Mary Rose

Titel/Untertitel:

Moses in the letter to the Hebrews 1983

Rezensent:

Lührmann, Dieter

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 1

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chenordnung sowie zur Überlieferung der Paulusbriefe auf Papyrus.
Schon von daher gesehen ist deutlich, daß eine einheitliche Ausrichtung
für die einzelnen Beiträge des Bandes nicht bestimmend ist. Abgesehen
allenfalls von dem am Schluß stehenden Beitrag von
S.Giversen (S. 201-212), in dem der gegenwärtige Stand der Forschung
zum Thema "The Pauline Epistles on Papyrus" referiert und
dabei erneut auf die Bedeutung des P46 aufmerksam gemacht wird, ist
ihnen allen jedoch die Absicht gemeinsam, traditionelle und bisher
bereits als gesichert geltende Positionen zu hinterfragen und auf diese
Weise einen weiterführenden Beitrag zur gegenwärtigen Paulusforschung
zu leisten.

Dies gilt bereits für die beiden einleitenden Beiträge von B. Noack,
TESTE PAULO: Paul as the Principal Witness to Jesus and Primitive
Christianity (S. 9-28), und J. Jervell, Der unbekannte Paulus
(S. 29-49). Sie beide sind insofern signifikant für eine Grundtendenz
gegenwärtiger Paulusforschung, als sie sich - jeder auf seine Weise
-um die Einordnung des Apostels in die Kontinuität der ältesten urchristlichen
Theologiegeschichte bemühen. Paulus gilt hier nicht
mehr als der große Einzelgänger; der „unbekannte Paulus" ist hier
vielmehr der „gemeinchristliche" Paulus. Gerade das „nicht Episto-
läre, nicht Situationsbedingte, Unpolemische" soll den Zugang z.u
Paulus eröffnen (S. 48), und von daher gesehen versteht es sich von
selbst, daß nun auch wieder Lukas und die Pastoralbriefe Zeugniswert
für den „unbekannten Paulus" gewinnen (S. 43ff) und daß darüber
hinaus das urchristliche Kerygma, in dessen Geschichte und Tradition
Paulus seinerseits steht, als eine relativ einheitliche Größe gilt. In
diesem Zusammenhang wird dann auch von B. Noack die Frage nach
der Kontinuität Jesus-Paulus gestellt (S. 15 und 270: "He (sc. Paul)
testifies to the eschatological significance and purport and the apoca-
lyptic language of the message of Jesus" (S. 28). - „Christologische
Traditionselemente in den Pastoralbriefen" untersucht H. Simon -
sen in seinem Beitrag (S. 51-62), in diesem Zusammenhang besonders
Aufnahme und Weiterbildung paulinischer Tradition. In sorgfältiger
Analyse der in Betracht kommenden Texte wird einerseits eine
„spürbare Reduktion", andererseits zugleich „ein gewisses Wachsen
der kerygmatischen Formenbildung" festgestellt (S. 61 f). - Ins Zentrum
paulinischer Theologie führen sodann die folgenden Beiträge:
Unter der Überschrift "Legalism and Salvation by the Law" erörtert
H. Räisänen das mit "Paul's portrayal of the Jewish religion" gegebene
historische und theologische Problem (S. 63-83) und führt den
für Paulus charakteristischen Kontrast von „Gesetz" und „Gnade"
auf eine situationsbedingte "misrepresentation of Jewish Christianity
and, consequently, of Judaism" zurück (S. 82), eine These, die - wie
Vf. selbst betont (S. 820 - beträchtliche Konsequenzen für das
Gesamtverständnis der paulinischen Theologie hat. - Um das Thema
„Paulus und das Judentum" geht es auch in P. Borgens "Obser-
vations on the Theme 'Paul and Philo'" (S. 85-102). Anhand eines
Vergleichs von "Paul's preaching of circumeision in Galatia
(Gal. 5:1 1) and debates on circumeision in Philo" wird deutlich gemacht
, daß Paulus ebenso wie seine Gegner in Galatien mit ihrem
Verständnis der Beschneidung historisch zunächst im Zusammenhang
entsprechender Kontroversen im Bereich des Judentums zu verstehen
sind. Die Bedeutung dieser These für die Frage nach dem Verhältnis
von „Nomismus" und „Libertinismus" in Gal 5,1 1-6,10 liegt
auf der Hand. - Eine „Bundesideologie in und hinter einigen paulinischen
Texten" sucht L. Hartman in seinem Beitrag aufzuspüren
(S. 103-118), ein bestimmtes „Gedankenmuster" also, das Paulus aus
seiner jüdischen Tradition übernommen hat und das er in seinen Briefen
(1 Thess, Gal, Rom) je unterschiedlich rezipiert: Als Jude „bewegt
er sich auf der Ebene der .. . Bundesideologie", als „Apostel Christi"
jedoch „muß er . . . gewisse Teile des Feldes in einer neuen Weise bewerten
" (S. I 17).-Auf Grund einer eingehenden Analyse von I Thess
4,13-18 arbeitet N. Hy Idah I nachdrücklich heraus (S. 119-135), daß
die Reihenfolge „Auferstehung Christi - Auferstehung der Toten" für
Paulus unumkehrbar ist, die erstere also nicht als ein Spezialfall der
letzteren gelten kann. Zur Begründung wird u. a. auch ein beachtenswerter
Versuch vorgetragen, das „Herrenwort" in 1 Thess4,16fin Mt
24,30f nachzuweisen (S. 129ff). - Der Titel des Beitrags von H. K.
Nielsen, Paulus' Verwendung des Begriffes Dynamis. Eine Replik
zur Kreuzestheologie (S. 137-158), läßt bereits die eingeschlagene
Richtung erkennen: Anhand der einschlägigen Texte vor allem aus
den Korintherbriefen soll gezeigt werden, daß eine ganze Reihe von
Dyna/nu-Aussagen bei Paulus eine einseitige Kreuzestheologie zumindest
„modifiziert" (S. 145ff). Gottes Dynamis ist „zwar mit asthe-
neia verbunden ..., sie ist jedoch nicht an die Schwachheit als ihre
Erscheinungsform gebunden" (S. 157). Dementsprechend dann die
Schlußfolgerung: „Die Kreuzestheologie-ohne die in diesem Aufsatz
formulierte Modifikation - zu vertreten, scheint mir dem Apostel die
Zwangsjacke anzulegen" (S. 157f; vgl. auch S. 144). Ist in solchem Urteil
wirklich noch die auch vom Vf. vermerkte „Dialektik zwischen
dynamis und astheneia" durchgehalten? - „Agape - der eschatolo-
gische Hauptbegriff bei Paulus"-so die These des Beitrags von S. Pe-
dersen (S. 159-186), in dem im einzelnen eine eschatologische und
somit nicht-ethische Interpretation von 1 Kor 13 vorgetragen wird,
verbunden mit weitreichenden Folgerungen hinsichtlich des Verhältnisses
von Eschatologie und Apokalyptik bei Paulus (S. 182fT). Anliegen
des Vf. ist es dabei nicht, die Eschatologie des Paulus gleichsam
„auf einen Begriff zu bringen", sondern vielmehr, von einem gewiß
zentralen Text her einen Zugang zur Struktur der paulinischen Theologie
insgesamt zu eröffnen. - Um „Strukturen" geht es endlich auch
in dem Beitrag von B. Ho Imberg mit dem programmatischen Titel
"Sociological versus Theological Analysis of the Question Concer-
ning a Pauline Church Order" (S. 187-200), hier nun freilich um
„Strukturen der Interaktion" in den paulinischen Gemeinden. Im
Anschluß an M. Weber und in kritischer Stellungnahme zu der bisher
vorherrschenden "idealistic perspective on history" in der "Sohmian
tradition of theological analysis" (S. 188f und 1950 wird nicht nur
grundsätzlich die Notwendigkeit einer soziologischen Analyse betont,
sondern zugleich auch der Anfang zu einer solchen gemacht (S. 189ff
und bQS. S. 192ff). Das Ergebnis: "Paul's theology of charisma is not
the normative basis for the interaction strueture ot the typical Pauline
church, but an interpreting, correcting commentary on a special and
untypical interaction strueture in the church of Corinth" (S. 195; vgl.
auch die entsprechenden Schlußfolgerungen S. 199).

Eine kritische Betrachtung und Würdigung, zu der eine ganze Reihe
der in diesem Band vorliegenden Beiträge den Leser herausfordert,
kann - zumal angesichts der Vielfalt der Themen - an dieser Stelle
nicht erfolgen. Deutlich ist aber in jedem Falle, daß in fast allen Beiträgen
des Bandes neue und eigene Akzente gesetzt und Richtungen
angegeben werden, die bei aller gegenwärtigen und künftigen Forschung
zum Thema der „Paulinischen Literatur und Theologie" nicht
übersehen werden sollten.

Rostock Hans-Friedrich Weiß

D'Angelo, Mary Rose: Moses in the Letter to the Hebrews. Missoula,
Mont.: Scholars Press 1979 IX, 270 S. 8° = Society of Biblical Lite-
rature. Dissertation Series, 42.

Das Literaturverzeichnis dieser Yale-Disscrtation (1976) umfaßt an
Sekundärliteratur nur 44 Titel, davon gerade sechs in deutscher
Sprache (ohne Übersetzungen) und darunter die Hebr-Kommentarc
von Küss (sie!)1, Michel und Windisch. Jedem Rezensenten werden
zwangsläufig eine Reihe von hierzulande Standardtitcln einfallen, die
hätten berücksichtigt werden können (sollen, müssen). Und dennoch
ist dies ein sehr lohnendes Buch, das hoffentlich nun nicht seinerseits
wegen seines lür die deutschsprachige Diskussion nach wie vor entlegenen
Erscheinungsortes unbeachtet bleibt.

Einen ersten Anhaltspunkt bietet wiederum das Literaturverzeichnis
, in dem die Textausgaben die Sekundärliteratur überwiegen, und
das nicht nur dort; vielmehr ist die ganze Arbeit eine Auseinandersetzung
mit Primärtexten, und das - mag man die eine oder andere Stelle