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Ausgabe:

1983

Spalte:

530-532

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Titel/Untertitel:

Papst, Theologische Prinzipienlehre 1983

Rezensent:

Slenczka, Reinhard

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529

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 7

530

Neben dem Hauptregister gibt es ein systematisch-theologisches,
ein solches für Bibelstellen (in einer Auswahl, die die besprochenen
Perikopen ergänzt), ein ergänzendes Sach- und Namenregister sowie
ein Themenregister. Durch letzteres werden nach den Worten des Vf.
„24 denkbare Gemeindeseminare oder Akademiereihen skizziert",
z. B. „Was heißt Nachfolge?", .„Humanität' in der Bibel", „Arbeit
aufbereitetem Boden" und „Das Verlangen nach Glück". „Die gegebenen
Themenformulierungen entbehren natürlich der rhetorischen
und aktualisierenden Zuspitzung, wie solche in der praktischen kirchlichen
Arbeit sich jeweils nahelegen wird, stehen solcher aber auch
nicht im Wege." (487) Dem Benutzer werden überhaupt an dieser
Stelle nicht etwa „Skizzen" in dem pragmatischen Sinne geboten, daß
er Bruchstücke oder Bausteine - je nach dem - lediglich in einer Art
theologischen Puzzles zusammenfügen müßte. Wer das erwartet, wird
enttäuscht sein. Er würde das Buch natürlich unterfordern bzw. hätte
zum falschen Buch gegriffen. Aber selbstredend bieten die Register
dem Interessenten Material in überraschender Fülle und bewahren
ihn vor der Überstrapazierung immer derselben biblischen Texte.
Darum dürfen in diesem Falle die Register nicht einfach als ein genehmer
oder vielleicht sogar nur üblicher - wo denn schon!? - Anhang
gesehen werden. Sie entsprechen dem organisatorischen Eros des Bandes
. Die Arbeit aller, die sich dieser Mühe unterzogen haben und im
Vorwort namentlich genannt werden, verdient dankbare Anerkennung
. Nicht geringer ist der Mut zu veranschlagen, den systematischtheologischen
Anspruch in die unumgänglich kleine Münze umzusetzen
, sich damit der Kritik auszusetzen und es ihr durch solche Konkretion
gewissermaßen auch leicht zu machen. Der Vf. will damit aber
gleichsam zur Weiterentwicklung und -arbeit anregen: „Ein späterer
Ergänzungsband, gegebenenfalls mit noch vielen weiteren Texten,
könnte die Frucht sein, wenn ein Zentrum bestünde, das theologische
Arbeit wie im vorliegenden Sinne sammelt und organisiert." (15) Der
Gedanke an eine durch die Sache motivierte interdisziplinäre zeitlich
begrenzte Projektgruppe mit klarer Kompetenzverteilung drängt sich
auf. Das könnte ein exemplarischer Fall werden, in dessen Verlauf
unsere theologische Produktion aus ihrer sozusagen manufaktureilen
Periode heraustritt. Wie des vorliegenden Buches bedürfen wir auch
eines solchen Falles, dessen Notwendigkeit es nachgerade signalisiert
(s. obiges Zitat). Gewiß wäre der Einfallsreichtum des Verlages bei
einem solchen Unternehmen mehr als gewöhnlich herausgefordert,
weil moderne Lesegewohnheiten und Arbeitsformen auch für das
theologische Buch hierzulande technische Konsequenzen nach sich
ziehen müssen, die angesichts mancher zeitgenössischer Unbeholfenheit
eine gewisse Flüssigkeit im Umgang mit Arbeitsmaterialien
fördern.

Der Autor hat den Lesern eine „Systematische Theologie auf der
Grundlage biblischer Texte" auf den Tisch gelegt. Er bietet keine Predigtmeditation
an, wenn er sie seinerseits auch verwendet und zitiert.
(Wer dogmatische Orientierung in seiner homiletischen Arbeit für
notwendig erachtet, wird jedoch mit Gewinn zu den „Leittexten" greifen
. Bei einer anderen Grundeinstellung wird man auf dieses Angebot
aus der Systematischen Theologie nicht eingehen wollen, aber vermutlich
auch auf ein anderes nicht.) Selbstredend handelt es sich um
seine Systematische Theologie, die auf der Basis dieser Perikopen
deutlich wird4. Das Verhältnis kehrt sich aber nicht um zu „Biblischen
Texten auf der Grundlage Systematischer Theologie", wenn
anders auch seit langem die sogenannte Voraussetzungslosigkeit der
Exegese allenthalben als Illusion enthüllt worden ist. Der Band ist
ganz auf Durchschaubarkeit für Lernende in allen Generationen angelegt
. Methodische Solidität ist ihm wichtiger als die Manifestation
von Intuitionen. Dem entspricht eine gewisse Schwere, die nicht
jedermanns Sache sein mag, in ihrer sachlichen Gediegenheit aber
durchaus auch Intuitionen in der Begegnung mit den Perikopen
dienstbar ist.

In der ökumenischen Bewegung ist eine Anzahl von Perikopen zu
„Schlüsseltexten" im Kampf um mehr Gerechtigkeit geworden. Die
„Leittexte" stehen in einem eigenen Kontext und wollen darin ihre

Aufgabe erfüllen. Vielleicht böte jener Ergänzungsband Raum für
Aktualisierungen und auch Zuspitzungen, wie sie diesen Auslegungen
von „Schlüsseltexten" eigen sind. „Leit- und Schlüsseltexte" gehören
in die Wirkungsgeschichte des Evangeliums in unterschiedlichen
kirchlichen Kontexten hinein5.

Güstrow Jens Langer

' Vgl. etwa F.Hahn, Probleme historischer Kritik, in: ZdZ 31, 1977,
361-370; P. Stuhlmacher, Thesen zur Methodologie gegenwärtiger Exegese,
a. a. O. 371-376; weiterführend W. J. Hollenweger, Eine andere Exegese, in:
VF 26, 1981 H. 2, 5-24; H.-F. Weiß, „Verstehst du auch, was du liest?"
(Apg. 8,30). Einige Überlegungen zum gegenwärtigen Streit um die rechte
Bibelauslegung, in: Chi 35,1982,293-301.

2 Vgl. auch vom Rez., Ansätze gegenwärtiger Theologie, in: Standpunkt 6,
1978,248-253.272-276. 302-305.330-334; 7,1979,16fr. 44^*8. 81 f.

3 Besonders herausgearbeitet von Peter Brückner, Regelverletzung im NT.
Sozialpsychologische Erwägungen zum Gleichnis vom verlorenen Sohn, in:
Kritischer Katholizismus 7,1974 H. 11 /12,22.

4 Vgl. W. Krötke, „Christliche Glaubenslehre" und „Evangelische Dog-
matik". Der Umgang mit dem Problem der „natürlichen Theologie" bei Hans-
Georg Fritzsche und Hanfried Müller, in: ZdZ 34, 1980, 16-30;
H.-G. Fritzsche, Christliche Glaubenslehre a.a.O. 35, 1981, 224-228;
W. Krötke, Replik a. a. O. 36,1982,46ff.

5 Vgl. zu den verschiedenen Formen der Rezeption H.-Th. Wrege, Wirkungsgeschichte
des Evangeliums. Erfahrungen, Perspektiven und Möglichkeiten
, Göttingen 1981.

Ratzinger, Joseph Kardinal: Theologische Prinzipienlehre. Bausteine
zur Fundamentaltheologie. München: Wewel 1982.416 S. gr. 8°.

Mit seinem Abschied als Erzbischof von München-Freising und seinem
Amtsantritt als Präfekt der Glaubenskongregation hat Kardinal
Ratzinger einer Sammlung von Aufsätzen und Vorträgen, die in den
letzten 10 Jahren an verschiedenen Stellen veröffentlicht worden
waren, unter einem gemeinsamen Thema vorgelegt. Als „Bausteine"
mag es sich zwar um Fragmentarisches handeln, das sich jedoch in ein
geschlossenes Konzept fügt: Theologie in kirchlicher Verantwortung
aus gelebtem Glauben. Einer der letzten Beiträge erinnert an die geistliche
„Gabe der Weisheit", die nicht erworben, sondern empfangen
wird, die nicht vom Wissen, sondern vom Glauben bestimmt ist, der
die Tür zur Weisheit ist (318). Das ist ein überall mitschwingendes
Leitmotiv, auch wo es um theologische Wissenschaft und kirchliche
Entscheidungen geht, Hinweis auf eine Grundlage, die in der Theologie
wie in der Kirchenleitung oft genug unter dem Drang der Geschäfte
und dem Zwang der Umstände in Vergessenheit gerät.

Die insgesamt 29 Beiträge sind in 3 Themengruppen aufgeteilt, in
denen jeweils die „Formalprinzipien des Christentums" 1. in katholischer
Sicht, 2. im ökumenischen Disput und 3. im Blick auf den Weg
der Theologie behandelt werden. Formalprinzip ist ein alter kontroverstheologischer
Begriff, wenn man sich daran erinnert, daß mit der
Schrift als Formalprinzip des Protestantismus das unterscheidende
Merkmal gegenüber dem kirchlichen Lehramt im römischen Katholizismus
bezeichnet werden konnte. „Formalprinzipien des Christentums
" jedoch lenken die Aufmerksamkeit nicht auf das Unterscheidende
, sondern auf das grundlegend Gemeinsame. So handelt es sich
durchweg um Beiträge zur „Suche nach einer ökumenischen Fundamentaltheologie
, deren wir so sehr bedürfen" (7).

Mit diesem theologischen Anliegen verbindet sich ein kirchliches
Konzept, und dazu soll das aus Rom datierte Vorwort zitiert werden:
„... die Groß-Kirche darf dann als Trägerorganisation erwünschte
Hilfen für das Funktionieren des eigenen Wollens leisten, aber das
Christsein als solches kann nicht daran hängen." (6). Die Katholizität
sollte nicht nur als „eine Zusatzstruktur zum gemeindlichen Prinzip"
aufgefaßt werden, sondern als „Formalstruktur des Christentums"
(300) und reicht so in den Grundakt des Glaubens.

Die ökumenische Thematik ist nicht auf einzelne Beiträge be-