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Ausgabe:

1983

Spalte:

528-530

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Fritzsche, Hans-Georg

Titel/Untertitel:

Leittexte der Bibel 1983

Rezensent:

Langer, Jens

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 7

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kirche noch heute „vom Friedhof umgeben" ist. Er scheint nichts zu
wissen vom Gotteshaus als Begräbnisstätte, von den Beinkellern in
den thüringischen Stadtkirchen, der rechtlichen und sozialen Funktion
des Friedhofes vor der Stadtpfarrkirche. Über „Brauttüren" gibt
es ein reiches Schrifttum, über die volkstümliche Nutzung der Nebenaltäre
, aber auch der barocken „Stände" (Emporen), über die langwierige
Art, Stadtkirchen zu bauen, das hier nicht aufgearbeitet worden
ist. Das für Gefell angemerkte „Gotteshausgericht" verweist auf
die Rathausfunktion der mittelalterlichen Stadtkirche, aber auch auf
die besonderen Formen kirchlicher Rechtsprechung („Send"). Für die
überwölbten Durchgänge unter den Chören der Stadtkirchen in Jena,
Kahla und Neustadt/Orla behauptet der Verfasser die Existenz von
Untersuchungen, die „spezielle kultische Bräuche" aufgeklärt haben
wollen (S. 21). Solche Untersuchungen gibt es nicht. Bei so viel
Uninteressiertheit an religiösen und gesellschaftlichen Sachverhalten
nimmt es nicht wunder, daß der Verfasser schließlich das Grundproblem
feudaler Gesellschaftsordnung, „die Bindung weltlicher und
geistlicher Dinge" - die widersprüchliche Einheit von Regnum und
Sacerdotium - zurückführt auf die „zutiefst religiöse Grundeinstellung
jedes einzelnen", die sich „von selbst" ergeben haben soll
(S. 14).

Der Apparat verzeichnet - im Unterschied zu den beiden o. g. Bänden
- nur Inventarwerke und Übersichtsdarstellungen, fast keine Forschungsliteratur
. Risse und Schnitte sind nicht maßstäblich gegeben.
Die 24 Textabbildungen, die das geistige Eigentum ihrer Urheber darstellen
, erscheinen ohne Urhebernachweis. Der Tafelteil bleibt versehentlich
unpaginiert.

Die große Chance, an einem kunstgeschichtlich weniger bedeutenden
Material Lebensfragen von übergreifender Natur zu stellen und
damit dem Band wissenschaftliches Gewicht zu verleihen, wurde
nicht genützt. Es bleibt ein schöner, zuverlässig informierender, aber
nicht in allen Teilen korrekter und seine Möglichkeiten ausschöpfender
Bildband.

Rothenstein bei Jena Friedrich Möbius

Baltruweit, Fritz: Sacro-Pop in der Sackgasse? (MuKi 52,1982 S. 66-75).
Bohning, Ingo: Die Moderne - ein unvollendetes Projekt (KuKi 1982
S. 9-16).

Crimmann, Ralph P.: Ist die Rede von der „christlichen Literatur" zulässig?
(StZ 107,1982 S. 703-709).

Herbst, Wolfgang: Koexistenz von Kirche und Kunst (MuKi 52, 1982
S. 1-9).

Meyer, Franz: Zur Gültigkeit des Christusbildes in der ungegenständlichen
Kunst (KuKi 1982 S. 60-66).

Cardenal, Ernesto [Hrsg.]: Musik, die zum Himmel steigt. Aus dem Span. v.
A. Schwarzer de Ruiz. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn
(Lizenzausgabe des Jugenddienst-Verlages, Wuppertal) 1981. MOS. kl. 8' =
GTB/Siebenstern 1036. DM 6,80.

PSggeler, Otto: Mystische Elemente im Denken Heideggers und im Dichten
Celans (ZW 53,1982 S. 65-92).

Rufe. Religiöse Lyrik der Gegenwart 2. Hrsg. v. E. Domay, J. Jourdan, u.
H. Nitschke. Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1981. 80 S.
kl. 8". DM 9,80.

Schade, Herbert: Kirche und autonome Kunst. Zur Neubestimmung der Beziehung
zwischen Kirche und Kunst (StZ 107), 1982 S. 677-692).

Schwebet, Horst: Realismus und Transzendenz (KuKi 1982 S. 80-83).

Siebald, Manfred: Evangelistische Musik zwischen Kunst und Kitsch (MuKi
52,1982 S. 81-88).

Starke, Elfriede: Kostbarkeiten der Lutherhalle Wittenberg. Fotografie:
V. Herre. Berlin: Evang. Vcrlagsanstalt 1982. 132 S. m. zahlr. Taf. z. T. färb. 8'.
PpM 16,50;Ausland 22,50.

Vogt, Adolf Max: Kritik und Motivierung der modernen Architektur (KuKi
1982 S. 6-8).

Widmann, Joachim: „Das unbewußte Zählen der Seele" Zur Frage der Zahlensymbolik
bei Johann Sebastian Bach (MuKi 52,1982 S. 281-292).

Wolf, Horst: Die Meister des Breviarium Grimani. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1982.66 S., 48 Taf. z. T. färb. gr. 8". Lw. M 16,50; Ausland 20,-.

Systematische Theologie: Allgemeines

Fritzsche, Hans-Georg: Leittexte der Bibel. Systematische Theologie
auf der Grundlage biblischer Texte. Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1981. 502 S.gr. 8*. Lw.M 19,80; Ausland: 25,-. •

In seiner Untersuchung „Die Strukturtypen der Theologie" (Berlin
1960) hat der Verfasser dieser neuen „Systematischen Theologie auf
der Grundlage biblischer Texte" (so der Untertitel) geschrieben: „Daß
es zuletzt einer .Methode der Methode' bedarf (des planvollen Organisierens
der Arbeit), ist auch der Grund für das Aufkommen der Wissenschaftsmethodologie
in unserer Zeit. Und an der Theologie ist es,
hierbei Schritt zu halten. Ihr fehlt noch gar zu sehr die Einsicht, daß
die Summe noch so hervorragender Einzelleistungen auf allen ihren
Gebieten nicht die Theologie ergibt, wie sie heute (um der Lage der
Kirche in der Welt willen) gefordert werden muß. Es ist die Tendenz
der vorliegenden Untersuchung, jenem sich allerorts anbahnenden
Neuverständnis der Theologie, demzufolge sie organisierte Auswertung
aller Wissensschätze im Dienste der Verkündigungsaufgabe sein
müsse, eine theoretische Grundlage zu geben." (15) Seit dieser Positionsbestimmung
sind reichlich zwei Jahrzehnte vergangen. Die Entwicklung
ist viel komplizierter verlaufen, als daß sich ein einziges wie
auch immer beschriebenes Neuverständnis allein durchgesetzt hätte.
Im Herzen reformatorischer Theologie selbst sogar, der neutestament-
lichen Exegese, mußten Spezialisten Erschöpfung diagnostizieren, die
sich durch Flucht ins Detail, Schulgebundenheit, Zitationskartelle
und Konzeptionsmangel ausdrückte.1 Die Ziele des Verfassers sind
gleichwohl und mit wachsender Dringlichkeit als theologica desideria
anerkannt geblieben.2 Vf. hat sein Anliegen kontinuierlich verfolgt.
Seine „Hauptstücke des christlichen Glaubens" (Berlin 1977) z. B.
spiegeln das Bemühen wider, den für beide Partner lebenswichtigen
Zusammenhang zwischen Theologie und Kirche zu stärken. Es handelt
sich um eine Art Katechismus als Systematische Theologie: „Wer
das Buch als Grundriß theologischer Lehre benutzen will, findet im
Anhang eine Übersicht, die die fünfzig Sachabschnitte (sowie zentrale
Einzelseiten) dieses Buches auf die wichtigsten Kapitel der Dogmatik
sowie der theologischen Ethik verteilt." (5)

Mit den „Leittexten" stellt sich der Vf. in Fortführung seiner Zielstellung
einer wesentlich schwierigeren Aufgabe, die nur auf den
ersten oberflächlichen Blick einfach mit der Aneinanderreihung von
Textauslegungen zu erfüllen wäre. Immerhin werden 320 biblische
Texte in ihren Grundaussagen dargestellt, davon 162 aus dem Alten
Testament. „Das Markieren von Zentralem in der Bibel ist ein eminent
inhaltlich theologisches Problem, vielleicht die Grundfrage
Systematischer Theologie überhaupt. Ähnliches gilt für das Konstatieren
von Sachparallelen, das Durchziehen von Linien durch die
ganze Schrift, kurz für gesamtbiblisches Denken schlechthin. Deswegen
würde man den Charakter dieses Buches verkennen, wenn man
nur das Organisatorische, nur Zusammenfassung, Gliederungstechnik
und Umgießen in neue Formen konstatierte. Auch schon der Versuch
, an vielen Textzusammenhängen Allgemeinprobleme sichtbar
zu machen, ist ein systematisch-theologisches Problem. Darüber hinaus
ist hermeneutisch ein neuralgischer Punkt berührt, wenn, besonders
im Alten Testament, mancher Text sachkritisch, d. h. gegen die
Parteilichkeit seines Verfassers (wie 1. Sam. 15 für Saul und gegen
Samuel) ausgelegt worden ist - wenngleich (wie am sichtbarsten zu
Elias Krafttaten, s. S. 92) an der Norm des Wortes Jesu und nicht an
irgendeinem Begriff von Humanität." (16) Für mich gehört dabei die
Interpretation von Lukas 15, 11-32 mit zu den Beispielhaften in diesem
Band. Das Bewußtsein, das in dem Gleichnis durchaus vorhandene
Emanzipatorische und das soziale Gefüge3 ohne eilige Abwehr
/m beachten, ist allenthalben gegenwärtig, aber kreist immer wieder
streng um den theologischen Kern und trifft ihn präzise. Auf diese
Weise werden die Probleme der Dogmatik in ihrer biblischen Verwurzelung
anschaulich, und die Bibel wird nicht zu einem Hilfsassistenten
in einem theologischen Lehrgebäude.