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Ausgabe:

1983

Spalte:

523-525

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

Reformation und Gegenreformation im Val Cluson 1532 - 1730 1983

Rezensent:

Selge, Kurt-Victor

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 7

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Dioskoros 1. (444-454) und insonderheit seine Position auf dem
Konzil von Chalkedon (451) in aller .Ausführlichkeit (639 Anmerkungen
!) behandelt. Ihr Abschluß wird für den nächsten Band in
Aussicht gestellt; dabei sollte den griechischen Texten größere Aufmerksamkeit
gelten. S. 283ff gibt dann B. Spuler eine materialreiche
, leider nur eingeschränkt dokumentierte Information über die
Gegenwartssituation der koptischen Kirche. Nachgedruckt wird ein
allgemeinverständlicher Beitrag von Azis S. Atiya (Professor an der
University of Utah in Salt Lake City) über „The Copts and Christian
Civilization". Weitere Aufsätze gelten dem Kloster der heiligen
Jungfrau Maria Baramous, dem Patriarchen Benjamin I. und der
arabischen Eroberung Ägyptens. Mit bibliographischen Informationen
und innerkirchlichen Nachrichten schließt der inhaltsreiche
Band.

Berlin Johannes Irmscher

Kiefner, Theo: Die Waldenser auf ihrem Weg aus dem Val Cluson
durch die Schweiz nach Deutschland 1532-1755. 1: Reformation
und Gegenreformation im Val Cluson 1532-1730. Göttingen:
Vandenhoeck & Ruprecht 1980. 535 S. m. 30 Abb. i. Text,
1 Falttaf. gr. 8'. Lw. DM 68,-.

Infolge der Aufhebung des Edikts von Nantes 1685 sind bekanntlich
auch Waldenser nach Deutschland gekommen, d. h. zunächst Mitglieder
der reformierten Kirche Frankreichs (des Dauphine) aus dem
damals in seinen beiden Teilen (Val Pragela, der obere Teil, Val
Perouse, der untere Teil am savoyischen Hang der Cottischen Alpen)
französischen Flußtal der Cluson (italienisch Chisone); dann, vor
allem nachdem dies Tal im Frieden von Utrecht 1713 ganz an
Savoyen gefallen war, wirkte das französische Intoleranzedikt von
Fontainebleau 1685 aufgrund vertraglicher Abmachungen auch auf
die savoyische Religionspolitik für die neugewonnenen Gebiete nach
und bewirkte, zusammen mit Rekatholisierungsmaßnahmen der
römischen Kirche, daß eine weitere Auswanderungswelle um 1730
folgte. Die Geschichte dieser Waldenserauswanderung nach Deutschland
ist im Rahmen der Waldensergeschichtsschreibung meist nur
kurz erwähnt, aber nicht gründlich erforscht worden; viel enthält
aber, neben dem Buch von Alexis Muston, Ismael au desert etc., Paris
1850, eine deutsche „Geschichte der Waldenser" von Ferdinand
Bender, Ulm 1850 (nicht Stettin, wie das Literaturverzeichnis des
angezeigten Buches behauptet, sondern: „Stettin'sche Verlagsbuchhandlung
" in Ulm), und vor allem hat zwischen 1894 und 1914
Daniel Bonin aktenmäßige Darstellungen und Urkundenbände veröffentlicht
. Das dennoch bestehende Forschungsdefizit auszufüllen hat
der württembergische Pfarrer Theo Kiefner unternommen, der durch
sein Pfarramt in der alten Waldenserkolonie Nordhausen bei Heilbronn
auf die Aufgabe gestoßen ist, dann einen Forschungsauftrag
neben dem Pfarramt übernommen hatte und seit 1974 als Wissenschaftlicher
Mitarbeiter im Landeskirchlichen Archiv in Stuttgart
ausschließlich für diese Forschung mit den erforderlichen Archivreisen
von Italien bis in die Niederlande zur Herstellung des Pfarrerbuches
der alten Waldensergemeinden in Deutschland abgestellt ist.
Entsprechend eindrucksvoll ist die Liste der benutzten Archivalien,
und ebenso erwartungsvoll stimmt das angekündigte Gesamtprojekt
von vier Bänden: Band 2 „Vorübergehend nach Deutschland" soll
von der ersten Vertreibung und der sogenannten „glorreichen Heimkehr
" unter Henri Arnaud 1685-1688 handeln; Band 3 „Endgültig
nach Deutschland" von der zweiten Vertreibung und Koloniengründung
1698 bis 1755; Band 4 soll eine Prosopographie der deutschen
Waldenserfamilien bis 1740 enthalten. Einen kleinen Überblick über
die Hauptfakten des geplanten Großunternehmens kann man einstweilen
einer kleinen Veröffentlichung des Verfassers, „Die Waldenser
", 1. Auflage (sie!) 1980, entnehmen, die zwar ab ovo bei Waldes
beginnt, ihren Schwerpunkt aber ganz in dieser deutschen Emigration
um 1700 hat1.

Der vorliegende 1. Band nun hat 1977 zum Erwerb des theologischen
Doktortitels in Tübingen vorgelegen. Er bietet einen breiten
Hintergrund für die deutsche Emigration, die ja schließlich nicht
1532, wie der Titel suggeriert, sondern 1685 einsetzt. Mit Bedauern
muß gesagt werden, daß für das Thema „Waldenser in Deutschland"
(auch wenn man zugibt, daß die politische, soziale und kulturelle Herkunftswelt
der Schilderung bedarf) eine Rekapitulation der Walden-
sergeschichte seit Waldes im 12. Jahrhundert und seit dem Anschluß
an die Reformation in Chanforan 1532 und auch eine Geschichte der
französischen Religionskriege des 16. Jahrhunderts in dieser breiten
und dann doch wieder undeutlichen Form, bei der ständig unerklärte
Namen und Sachen genannt werden und der Forschung Bekanntes
erneut aus Literatur und Quellen neubewiesen zu werden scheint,
unnütz ist. Für die Vorgeschichte im oberen Clusontal hätte viel allgemeiner
zusammenfassend auf die gute Arbeit von Bona Paze Beda und
Piercarlo Paze, RiformaeCattolicesimoin Val Pragelato: 1555-1685,
Pinerolo 1975, verwiesen werden sollen. Immerhin erhält man auf
S. 74ff einen guten Überblick über die religionspolitischen Wechselfälle
unter den verschiedenen französischen Gouverneuren zwischen
1536 und 1556, wobei einer der Literatur nicht unbekannten, aber
ungedruckten und bisher nicht breit ausgewerteten, in Turin liegenden
jesuitischen „Histoire veritable des Vaudois des Vallees de
Piemont" von 1675 (!) die Nachricht entnommen wird, Calvin habe
1536 die Waldensertäler, von Ferrara nach Genf reisend, besucht und
belehrt (S. 750- Ob das im einzelnen zu übernehmen ist, wird zu prüfen
sein. Natürlich enthält ein so grundfleißiges Buch eine Fülle von
Mitteilungen, die hier nicht zum kleinsten Teil erörtert werden können
. Ergebnisse: das obere Clusontal (Pragela) war 1560 voll reformiert
(bis auf Mentoulles); es war 1563 bis 1629 fast rein evangelisch;
1590 war hier die Zeit der Religionskriege zu Ende, 1598 wird die
Kirche des Tals in den Verband der reformierten Kirche des Dauphine
aufgenommen. Im unteren Tal (Val Perouse) bleiben dagegen
geringe Reste der katholischen Kirche erhalten und werden häufiger
gegenreformatorische Versuche unternommen. Beide französischen
Waldensertalteile bleiben den savoyischen reformierten Waldensern
verbunden, auch wenn diese Verbindung zeitweise nachläßt. Nach der
Beschränkung der Hugenotten auf eine rein religiöse Tätigkeit mit
dem Fall von La Rochelle 1628 beginnt auch im Clusontal in einem
ein halbes Jahrhundert währenden zähen Ringen, besonders mit prozessualen
Mitteln um die strikte Einhaltung des Edikts von Nantes,
die gegenreformatorische Einengung, lange ohne rechten Erfolg,
schließlich mit immer gewaltsameren Mitteln, bis endlich 1685 von
der Rekatholisierung mittels Anwendung des Edikts von Nantes zur
Bekehrung des „Restes" durch seinen Widerruf (Kiefner nennt ihn
stets „die REN", wie er überhaupt vom Sprachgebrauch der fremdsprachigen
Literatur nicht recht loskommt. Die deutsche Abkürzung
wäre ja „WEN", sozusagen „wenn schon" . . .) übergegangen wird.

Ein dritter Teil behandelt die Geschicke des Tales von 1685 bis
1730, als der savoyische nunmehrige (seit 1713) König aufgrund der
gegen Frankreich übernommenen Verpflichtungen die Duldung in
dem Tal aufhebt (während sie in den anderen, schon immer savoyischen
Waldensertälern bestehen bleibt). Hieraufist im Zusammenhang
der die Emigration behandelnden Folgebände einzugehen.
Abschließend wird die Bevölkerungsentwicklung im Clusontal von
1630 „bis heute" geschildert. Anhänge stellen die Nachrichten über
Pfarrer, Kirchgebäude etc. zusammen.

Die Arbeit ist materialreich und erschließt viel neuen, wiederholt
zuviel alten Stoff. Darstellerisch und auch sprachlich bleibt viel zu
wünschen („Religiöse Gleichberechtigung war das aber für die Reformierten
keine", S. 96 zum „EN"). Es ist zuviel exzerpiert und abgeschrieben
, zuwenig gefiltert und verarbeitet. Der Leser hat seine
Mühe, selbst rein sprachlich in die Binnenwelt einzudringen, die sich
der Autor aufgebaut hat. Es ist zu hoffen, daß diesem Aspekt in den
Folgebänden Aufmerksamkeit zuteil wird. Zur Allgemeininformation
über die Waldensergeschichte wird der deutsche Leser immer noch
am besten zu Heinrich Boehmers - von Kiefner nicht benutztem -