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Ausgabe:

1983

Spalte:

520-521

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Danielson, Dennis R.

Titel/Untertitel:

Milton's good God 1983

Rezensent:

Bertinetti, Ilse

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 7

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meint, daß man sich dadurch nicht verwirren lassen soll (338):
Bekämpft werden ja christliche Gnostiker, die für ihre Lehren legendäre
Schriften anfuhren, die innerhalb der gnostischen Gruppen frei
zirkulierten. Auch die NHC-Texte, die hierfür in Frage kommen
(Zostrianos, Allogenes, Hypsophrone = VIII 1, XI 3.4), können zwar
unsere Kenntnis erweitern und die relevanten Enneaden in diesem
oder jenem Punkt bestätigen, ihnen aber nicht widersprechen (323ff).
Vf. möchte durch seine streng historisch-philologische Darlegung
nicht die phänomenologische Betrachtung, wie sie H. Jonas und seine
Schüler ausüben, als überflüssig hinstellen, aber doch letztere auf eine
sichere Basis stellen (338). Wenn Plotin die Valentinianer bekämpfte,
obwohl er ihnen geistig nahe stand, so erklärt sich das einfach daraus,
daß er sie wörtlich nahm. Die anderen gnostischen Gruppen, mit
denen er in seiner Frühzeit in Alexandria zusammentraf, haben vielleicht
ihren Mythos mehr symbolisch aufgefaßt und so den Dialog
erleichtert - dies ist eine historische Hypothese, die nach G. B. die
zukünftigen Forschungen auf diesem Gebiet befruchten soll (339).

Das Buch ist ohne Zweifel ein wichtiger Beitrag zum angeschlagenen
Thema. Seine Wirkung bzw. Rezeption wird natürlich durch
das Spanische (das stilistisch auch noch außerordentlich weitschweifig
und daher nicht immer leicht zu lesen ist)2 eingeschränkt bleiben
(wenigstens eine franz. oder engl. Zusammenfassung hätte man sich
gewünscht!). Des weiteren ist zu bedauern, daß sich G. B. überhaupt
nicht mit dem Entwurf von C. Elsas, Neuplatonische und gnostische
Weltablehnung in der Schule Plotins, Berlin 1975 (vgl. Schenke,
ThLZ 102, 1977 Sp. 643-46) näher auseinandersetzt (er nennt den
Titel nur in einer Nachbemerkung vom Mai 1980 zum Vorwort vom
Febr. 1976, S. 11, nicht in der Bibliographie), vor allem, weil hier
andere Ergebnisse erreicht werden (Gegner sind nichtchristliche
Gnostiker, vielleicht barbelo- oder sethianisch-gnostischer Herkunft)
und viel stärker quellen- und überlieferungskritisch vorgegangen
wird3. Auch die neuen Arbeiten zum sog. Mittelplatonismus, die
gerade für die Traditionsgeschichte der platonischen Schule wichtig
sind, fehlen bei G. B.; das bahnbrechende Werk von H. J. Krämer,
Der Ursprung der Metaphysik, Amsterdam 1967, wird nicht erwähnt.
Schließlich ist Vf. der neueste Stand der NHC-Forschung offenbar
nicht näher bekannt geworden (auch hier verweist er a. a. O. zwar auf
die Arbeiten des Claremont-Teams, ohne sie aber noch verwendet zu
haben; verwiesen wird dagegen mehr auf J. Doresse und H.-Ch.
Puech, S. 332f). Auch wenn diese Auslassungen den Wert der diesbezüglichen
Passagen mindern, ist die Arbeit insgesamt vor allem
auch für die Plotinforschung wegen der genauen Nachzeichnung der
plotinischen Gedankengänge und des Argumentierens wertvoll. Ob
sich die These von der valentinianischen Gegnerschaft Plotins halten
lassen wird, muß die weitere Forschung entscheiden, mir ist sie noch
nicht sicher begründet.

Leipzig Kurt Rudolph

1 Vgl. jetzt den neuen WdF-Band LXX „Der Mittelplatonismus", hrsg. von
C. Zintzen, Darmstadt 1981, und die Monographie von J. Dillon, The Middle
Platonists, London 1977.

2 Ich danke meiner früheren Schülerin Frau Dr. Velia Chuaqui de Reimer für
ihre Hilfe bei der Lektüre des Buches.

J Vgl. L. Abramowski, Nag Hammadi 8,1 „Zostrianos", das Anonymum
Brucianum, Plotin Enn. 2,9(33), in: Festschrift H. Dörrie = JAC Erg. Bd. 10,
1983 S. 1-10 (Plotins Erwähnungen in Enn. 33 hängen mit dem Anon.Bruc.
zusammen, nicht mit Zostr.); D. J. O'Meara, Gnosticism and the Making of the
World in Plotinus, in: B. Layton [Ed.], The Rediscovery of Gnosticism I. The
School of Valentinus, Leiden 1980 (Suppl. to Numen 41), S. 365-378 (grenzt
die Reaktion Plotins auf gnostische Themen zugunsten der Auslegung des
Platonischen Timaios ein); A. J. Sidorov, Plotoni i gnostiki, in: Vestnik drevn.
hist. 1979, S. 54-70 (Plotin richtet sich gegen einen „paganen Gnostizismus",
der das „häretische", aber antiklassische und progressive Element im Platonis-
mus vertritt, während er selbst die „orthodoxe" und konservative Tradition
verteidige). Weitere Beiträge zum Thema bieten D. O'Brien, P. Hadot und
J. Igel in der „Festschrift" für A. H. Armstrong: Neoplatonism and Early Christian
Thought, London 1981.

Danielson, Dennis Richard: Miltons Good God. A Study in Literary
Theodicy. Cambridge: Cambridge University Press 1982. XI,
292 S., 1 Abb.8Lw.£20.-.

Die aus einer Dissertation hervorgegangene Studie untersucht das
Theodizee-Problem, wie es sich in dem epischen Gedicht "Paradise
Lost" im Zusammenhang des Gesamtwerkes von John Milton
(1608-1674) darstellt. Auf die Frage, ob die Dogmen von der Allmacht
, Güte und Gerechtigkeit Gottes angesichts des in der Welt
vorhandenen Bösen (evil) aufrecht erhalten werden können, findet der
religionsphilosophisch, literaturwissenschaftlich und dogmengeschichtlich
vorgehende Vf. bei Milton eine positive Antwort.
Danielson verweist mehrfach auf die Interpretationsschwierigkeiten,
die sich dadurch ergeben, daß die Prosawerke Miltons in lateinischer,
die poetischen Schriften dagegen in englischer Sprache verfaßt sind.
Es gelingt ihm aber, den Nachweis zu fuhren, daß der Denker und der
Dichter Milton nicht voneinander zu trennen sind.

Im ersten Kapitel ("The contexts of Milton's theodicy", 1-23)
ergibt sich für Danielson durch vergleichende und kritische Befragung
einschlägigen Schrifttums seit der Zeit der Kirchenväter, daß eine
Theodizee nur dann theologisch einwandfrei sei, wenn sie folgende
häretische Konzeptionen vermeidet: Sie dürfe erstens die Allmacht
Gottes in keiner Weise in Frage stellen und damit die Gefahr des
Dualismus heraufbeschwören. Sie dürfe ferner das in Gottes grundloser
Güte bestehende Motiv seines Handelns nicht in Voluntarismus
verkehren, und sie dürfe drittens das Problem des Bösen nicht ausschließlich
unter subjektivistischen und psychologischen Gesichtspunkten
betrachten und damit in illusionistischer Manier die Wirklichkeit
des Bösen anzweifeln.

Schöpfung und Fall sowie Fragen des Weltbildes stehen im Mittelpunkt
des zweiten Kapitels ("God and Chaos", 24-57). Vf. macht
deutlich, daß ein dualistisches Schöpfungsprinzip oder eine heidnische
Kosmogonie von Milton strikt abgelehnt werden. Die teilweise
Adaption heidnisch-antiker Quellen in "Paradise Lost" und die dichterische
Verwendung von Bildern, die der Mythologie entstammen,
seien lediglich Mittel der Veranschaulichung. Mit Zitaten aus der
"Christian Doctrine" und aus "Paradise Lost" belegt der Vf. Miltons
Ablehnung der Lehre von der creatio ex nihilo. Gott schaffe ausschließlich
ex deo, wofür Milton in Rom 11,36 und 1 Kor 8,6 den
Beweis finde. In "Paradise Lost" lasse er Raphael sagen, es sei ein
Allmächtiger, aus dem alles Geschaffene hervorgehe und zu dem es -
sofern es nicht von Gott abgefallen sei - wieder zurückkehre.

In der Erschaffung des ersten Menschenpaares aktualisiere Gott das
im Chaos potentiell vorhandene Gute. Er schaffe Adam und Eva als
Menschen, die sich für oder gegen das Halten von Gottes Gebot entscheiden
können, und er mache sie verantwortlich für den Fall der
Übertretung. Breit ausgeführt wird hier wie auch in den folgenden
Passagen des Buches die in "Paradise Lost" angelegte enge Beziehung
von Schöpfung und Erlösung. In Verbindung damit verdeutlicht der
Vf. die von Milton im Zusammenhang mit Schöpfung und Fall antizipierte
und höchst dynamisch gestaltete Christologie.

Miltons Verhältnis zum Arminianismus und das Verhältnis von
Gnade und freiem Willen behandelt der Vf. im dritten und vierten
Kapitel ("Assertion and justification: providence and theodicy",
58-91; "Milton and the Free Will Defense", 92-130). Danielson
schließt nicht völlig aus, daß Milton einen Kompromiß zwischen
Arminianismus und orthodoxem Calvinismus angestrebt habe. Feststehe
indessen, daß er die zum Vollbringen des Guten erforderliche
Gnade allen Menschen und nicht einer Schar von Auserwählten
zugesprochen wissen wollte. Der Mensch besitze nach Milton die
Freiheit, das Angebot der Gnade anzunehmen oder zurückzuweisen.
Durchgängig wird einsichtig, daß Milton das Gute in einem umfassenden
Sinn, das heißt als Glaube und als gutes menschliches Handeln
, verstanden wissen wollte.

Das Böse werde von Milton als Mißbrauch des freien Willens
(sowohl durch die Engel als auch durch die Menschen) erklärt. Gott