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Ausgabe:

1983

Spalte:

30-32

Kategorie:

Neues Testament

Titel/Untertitel:

Die Paulinische Literatur und Theologie 1983

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 1

30

Juden wie bei Griechen und Römern Anstoß erregten. Gegenüber
dem Privateigentum waren die Christen ebenfalls keine Neuerer
(Kap. 5).

Besonders interessant ist die Aufzählung in den beiden letzten Kapiteln
, die ähnliche Entwicklungen bei heidnischen Religionen und
der christlichen Glaubensauffassung erkennen lassen: hinsichtlich
von Almosen, Abgaben und staatlichen Zuschüssen (Kap. 6) wie beim
Grundbesitz und Vermögen der Tempel und Kirchen (Kap. 7).

Grant greift mit diesem Buch ein Thema auf, das erst in neuerer Zeit
stärker in das Blickfeld theologischer Untersuchungen getreten ist. Es
ist deshalb verdienstvoll, daß dieses Werk in einer deutschen Übersetzung
vorliegt und den Leser auch mit englischer und amerikanischer
Literatur über diese Zeit bekannt macht. Da das Leben der Christen in
ihre Umwelt integriert war, kann Grant davon ausgehen, daß für eine
Erfassung der damaligen Verhältnisse nicht radikal zwischen sakralem
und säkularem Bereich getrennt werden kann. Im Unterschied zu
dogmengeschichtlichen und anderen theologischen Werken hat Grant
darum bewußt die „praktischen Auswirkungen der allmählichen Entwicklung
der Kirche" (S. 8) im Blick und faßt entsprechend die Christen
als,,Menschen wie alle anderen" (S. 7).

Da es neben dem NT relativ wenige Texte gibt, in denen bestimmte
Fragen und Probleme angesprochen sind, mit denen die Christen in
jener Zeit konfrontiert wurden, ist es schwierig, ein geschlossenes Bild
vom Alltagsleben der Christen mit allen Einzelheiten nachzuzeichnen
. Grant analysiert darum - zumal in den ersten Kapiteln - nach
einer kurzen Einführung zu dem betreffenden Thema - die vorhandenen
Quellen recht ausführlich. Er zieht dazu weiteres interessantes
zeitgenössisches Material (auch manche recht amüsante Begebenheit)
heran; teilweise geht er bis auf Hesiod zurück, bietet aber auch Quellen
aus dem 6. nachristlichen Jahrhundert. Dem Leser werden damit
zwar viele Einzelheiten vor Augen geführt, doch erhält er auf diese
Weise keine fortlaufende und leicht überschaubare Übersicht über die
Entwicklung (Ausnahmen bilden jedoch die Kap. 6 und 7).

Indem Grant die „praktischen Auswirkungen", das alltägliche Verhalten
der Christen im Blick hat, kann er gegenüber e'ner „rein" theologischen
Betrachtungsweise damit manches sachgemäßer erfassen.
Für wissenschaftliche Forschung jedenfalls ist es wichtig, Parallelen
und Ähnlichkeiten aufzudecken und auf Abhängigkeiten hinzuweisen
, wie Grant dies immer wieder tut. Es stellt sich aber die Frage, ob
er mit dieser Auslcgungsmethode - gerade, wenn sie im Gegensatz zu
rein theologischen angelegt wird - den ntl. und kirchengeschichtlichen
Texten bzw. Phänomenen immer voll gerecht wird oder ob eine
solche Fragestellung nicht verschiedentlich zu schiefen Antworten
führen muß. Nach Grant jedenfalls wissen wir „nicht, ob Jesus vorhatte
, .König der Juden' zu werden" (S. 30). „Möglicherweise hatte er
(sc. Jesus) gar kein bestimmtes politisches Programm" (30). Entstand
der Jüdische Krieg letztlich daraus, daß zusätzliche Steuern nicht
bezahlt wurden? Ebenso ist wohl nicht so ausschließlich zu behaupten
, daß Jesus „auf Seiten der Zoll- und Steuereinnehmer stand"
(S. 58). Wenn Grant sogar erwägt, „ob das Gleichnis von den Arbeitern
im Weinberg (Mt 20,1 ff) ursprünglich etwas mit der Bezahlung
christlicher Geistlicher zu tun hatte oder nicht" (S. 157), zeigt sich,
wie sehr er von seiner Fragestellung bestimmt ist.

Da der Autor bei der Auslegung von Apg 5,1 ff auf Parallelen zu
Qumran hinweist, so müßte er auch auf die Unterschiede (Freiwilligkeit
) aufmerksam machen. Merkwürdig ist jedenfalls seine Schlußfolgerung
: „Vielleicht waren Ananias und Sapphira noch keine vollen
Mitglieder der christlichen Gemeinde, als sie ihre Stiftung machten"
(S. 115).

Die inhaltlichen Aussägen werden in erstaunlicher Weise beiseite
geschoben, wenn bei der Auslegung von Gal 3,28 gesagt wird: „Und
auch der Apostel Paulus hält, jedenfalls manchmal (!), an einer Überwindung
der Unterschiede nicht nur für die Zukunft, sondern im Prinzip
auch schon jetzt fest" (S. 121).- Bei den Sklaven sollte man darauf
hinweisen, daß einige sogar zu Bischöfen aufrückten und unter Konstantin
dann eine erste Reform der Sklavengesetzgebung erfolgte.

Für die Behauptung, daß die Kirche-eben schon in den ersten 3 Jh.
- „ähnliche Organisationsformen ausbildete wie der Staat im
Großen" (S. 54), bedürfte es m. E. überzeugenderer Beweise als den
Hinweis auf das hierarchisch geordnete Episkopat und kirchlicher
Rechtspraxis gegenüber Gemeindemitgliedern.

Nur an ganz wenigen Stellen finden sich kurze Bemerkungen zum
Verhalten der Frauen. In der heutigen Situation erwartet man jedoch
zu diesem Thema weitere Ausführungen, zumal in der deutschen
Literatur einige diesbezügliche Werke vorliegen. Ähnliches gilt für das
Thema Ehe.

Methodisch und inhaltlich überzeugend sind die beiden letzten Kapitel
. Überaus hilfreich sind auch die Register am Ende des Bandes,
die den Text sinnvoll erschließen.

Auf deutschsprachige Literatur ist relativ wenig verwiesen. Genannt
werden sollte z. B. das bekannte Werk von Harnack über die
Mission und Ausbreitung des Christentums in den ersten beiden
Jahrhunderten.

Abschließend sei noch auf zwei Kleinigkeiten hingewiesen:

Ein Übersetzungsfehler ist es wohl, wenn nach Sueton ein Aufenthalt von
Christus (!) zur Zeit des Claudius in Rom angegeben wird (S. 13). Im Deutschen
sollten auch bei den Herrschern die gebräuchlichen Namen angegeben werden
(z. B. Tetrach Philippus, Markus Antonius).

Unter dem Titel „Jesus und das Geld" behandelt der württembergische
Bankdirektor Heinz Schröder ein spezielleres Thema des
gleichen Bereichs. Mit großem Fleiß hat er dazu viele Informationen
aus dem antiken Geldwesen und damit verbundenen Wirtschaftsfragen
(Steuer, Handel, Arbeitseinkommen, Armenfürsorge usw.)
zusammengetragen und in Übersichten dargeboten; er möchte damit
zu einem besseren Verständnis der ntl. Aussagen beitragen. Erfreulich
ist, daß eine größere Anzahl antiker Münzen abgebildet und in der
in der Numismatik üblichen Weise beschrieben wird. Bei seinen textlichen
Ausführungen kann sich der Autor weithin auf einschlägige
Werke berufen; da er aber auch in der Fachwelt umstrittene Bücher
benutzt (etwa Stauffers Äußerungen zu Münzen), kommt er zuweilen
zu Thesen und Formulierungen, die zur Kritik herausfordern (z. B.
sind unter der Überschrift „ Der Stern zu Bethlehem auf zeitnahen
Münzen" [S. 24] Prägungen von Augustus und Herodes abgebildet!).
Zahlreiche Überschriften zielen zu sehr auf eine weite Leserschaft
(z. B. „Der Tante-Emma-Laden und die Buchhaltung" [S. 264]). Der
Rahmen der Münzabbildungen ist - bedingt durch einen an Bildtexten
orientierten Aufbau, des Buches - überaus weit gefaßt (z. B.
landwirtschaftliche Motive); man vermißt jedoch Stücke, die für die
frühjüdische und urchristliche Zeit wichtig wären (z. B. von Matta-
thias Antigonos: der siebenarmige Leuchter und der Schaubrottisch).
Nach neuerer Auffassung hat Salome Alexandra keine Münzen
geprägt.

Berlin KarlMatthiae

Pedersen, Sigfred [Hrsg.}: Die Paulinische Literatur und Theologie.
The Pauline Literature and Theology. Anläßlich der 50jährigen
Gründungs-Feier der Universität von Aarhus hrsg. Ärhus: Forlaget
Aros; Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1980. 224 S. 8" = Skandinavische
Beiträge/Scandinavian Contributions. Teologiske Studier
, 7. Pp. DM64,-.

Aus Anlaß des 50jährigen Jubiläums der Universität Aarhus im
September 1978 hat die dortige theologische Fakultät ein neutesta-
mentliches Symposion veranstaltet, an dem Vertreter aller nordischen
Fakultäten beteiligt waren. Die dabei gehaltenen Vorträge liegen
nunmehr in diesem Bande vor und mit ihnen zugleich der „erste
gesammelte nordische Beitrag zur internationalen Paulusforschung"
(S. 8). Wie der Titel zeigt, ist der thematische Rahmen sehr weit gesteckt
. Er reicht von theologie- und traditionsgeschichtlich orientierten
Beiträgen am Anfang, unter denen auch die Pastoralbriefe nicht
ausgeschlossen bleiben, über zentrale Fragen der paulinischen Theologie
bis hin zu einer soziologischen Analyse der paulinischen Kir-