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Ausgabe:

1983

Spalte:

510-512

Kategorie:

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Autor/Hrsg.:

Kaliner, Walter

Titel/Untertitel:

Katechese und Vermittlungstheologie im Reformationszeitalter 1983

Rezensent:

Herzog, Heinrich

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509

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 7

510

Kirchengeschichte: Reformationszeit

Locher, Gottfried: Zwingli und die schweizerische Reformation.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1982. S. J1-J99 gr. 8" = Die
Kirchein ihrer Geschichte, Bd. 3, Lfg. Jl. Kart. DM 33,80.

Nun ist erschienen, worauf oft hingewiesen, worauf lange gewartet
worden war: Die Handbuchfassung der Zwinglibiographie im Nachgang
zum opus magnum desselben Verfassers. Es spricht für den
Kenntnisreichtum Lochers, wenn er vor der kürzeren Version erst
einmal die Breite der Entwicklung vortragen wollte. Dieses geschah
im selben Verlag 1979 unter dem weitfächernden Titel: „Die Zwing-
lische Reformation im Rahmen der europäischen Kirchengeschichte
". Darüber ist in ThLZ 106, 1981 Sp. 42^15 berichtet
worden.

Inzwischen ist - und darauf muß in diesem Zusammenhang auch
aufmerksam gemacht werden - ein weiteres Buch Gottfried W. Lochers
erschienen, das zwar auch früher schon Vorgelegtes, jetzt in
englischer Sprache, noch einmal bringt, aber dazu weitere Themen
behandelt, die den europäischen Rang Zwingiis - etwa was England
und Schottland angeht - dokumentieren. (Zwingli's Thought. New
Perspectives. With a Fofeword by Duncan Shaw, Leiden 1981).

Für die Bewertung der Zwingli-Darstellung Lochers wird ausdrücklich
auf die Rezension der großen Biographie verwiesen (a. a. O.). Es
hat sich als richtig herausgestellt, was schon 1981 angemerkt worden
war: „Man kann sich schwerlich denken, daß der seit langem geplante
und in Arbeit befindliche Zwingli-Beitrag im . . . Handbuch „Die Kirche
in ihrer Geschichte" ... in der Gesamteinschätzung wesentlich
über das hinausgeht, was wir jetzt im größeren Rahmen vor uns
haben." (Sp. 43) Manches ist konzentriert, notgedrungen reduziert, in
einigen wichtigen Punkten auch nicht ausgeräumt, was an offengebliebenen
Desideraten in der Besprechung notiert worden war. Letzteres
bezieht sich vornehmlich auf die Entwicklungsphase des Züricher
Reformators, die mit dem beziehungsreichen Stichwort der „Wende"
(a. a. O.) bedacht worden ist (1979 S. 75-77, hier Seite 14). Die formal
mit der Wendung „zur sola scriptura" und material mit der Wendung
„zum solus Christus" gekennzeichnete Neusicht, die einen so folgenreichen
Aktivismus aus sich heraus entließ, hätte man ganz sicher
auch bei einer Kurzfassung präziser konturiert gewünscht, zumal
Lochers Vorarbeiten erkennen lassen, wie sorgfältig er hier zu distin-
guieren weiß. Man muß regelrecht Lochers ,Spätwerkc', die den
Zwingli der letzten Lebensjahre und seine Wirkungsgeschichte hervorheben
, in Zusammenhang mit seinen früheren Arbeiten lesen, in
denen tieflotende Forschungen über das Erasmusverständnis und die
christologische Verwurzelung des Reformators thematisiert worden
sind.

Ein großer Vorzug des jetzt vorliegenden Buchbeitrages ist seine
kapitel- und abschnittsmäßig klar hervortretende Übersichtlichkeit,
die durch die Leitbegriffe in den Überschriften und durch straffe
Untergliederungen besonders für alle Lernenden in der Theologie den
Gebrauchswert des Bandes wesentlich erhöht. In den meisten Fällen
ist den Kapitelüberschriften ein Literaturverzeichnis angefügt. Eine
einleitend abgedruckte allgemeine Literaturübersicht und viele Belegstellenangaben
im Duktus der Darstellung gestatten in jedem Pro-
blcmzusammenhang ein weiteres Eindringen. Begrüßenswert ist
dabei, daß Locher in den Anmerkungen nicht nur bibliographische
Notizen, sondern seine Beurteilung der Literatur und weitere Sachinformation
bringt.

Ein wenig irreführend ist der Gesamttitel des Buches. Zum Begriff
der schweizerischen Reformation wäre noch sehr viel mehr beizubringen
, als es Locher im Horizont Zwingiis hat tun wollen. Zwar wird
der Stadtstaat Genf mit seiner Initialzündung durch Calvin für eine
weltweite Reformation in Kapitel XIII erwähnt, aber dann in Zusammenhang
mit der Waadt und auf lediglich anderthalb Seiten, die exakt
heranführen an den Wirkungsbeginn Calvins (90), ohne den großen
Reformator ausführlich in den Blick zu holen. Es bleibt abzuwarten,

wo die große Lebensleistung Calvins im Gesamtwerk des Handbuches
adäquat zum Ausdruck gebracht wird. Vielleicht beschränkt sich eine
zweite Auflage des vorliegenden Faszikels dem Inhalt entsprechend
auf den Begriff der „deutsch-schweizerischen Reformationsbewegung
", wie es im Schlußkapitel (96) nahegelegt ist.

Locher beginnt (Kapitel I) mit einer verfassungsgeschichtlichen,
politischen, sozialen, ökonomischen, kirchlichen und geistesgeschichtlichen
Allgemeinanalyse, bevor er (Kapitel II) auf Zwingiis
Frühzeit eingeht. Bildungsweg und erste Wirkungsstätten werden kurz
vorgestellt. Kapitel III gibt Auskunft über Zwingiis Reformationswerk
in Zürich in den entscheidenden Jahren zwischen I519undl525. Das
Verhältnis zu Luther, die Disputationen in Zürich, die den reformatorischen
Sieg durch Ratsbeschluß zur Folge hatten, werden
ebenso bekanntgemacht wie Zwingiis erste große Hauptschriften zur
Reformation. Hierbei sind die reichen Angaben aus Zwingiis Schriften
selbst von hervorragendem Wert!

Die nächsten Kapitel enthalten die Darstellung der ersten Bedrohungen
der Züricher Reformation. Die Geschichte der Bauernbewegung
und der Täufer werden gebührend aufgenommen. Eine
Besonderheit, die Vor- und Nachteile zugleich in sich birgt, ist dadurch
gegeben, daß Locher „Hauptprobleme der Theologie Zwingiis"
in sachlichem Anschluß an die „Professio (Expositio) Fidei 1531 /36"
bringt. Die dadurch erreichte Geschlossenheit verursacht gleichzeitig
den relativen Verlust der Anschauung für das Wachsen und Gewordensein
der reformatorischen Theologie Zwingiis. Gebührend breit
werden der Abendmahlsstreit mit Luther, dann natürlich die kirchenpolitischen
Entwicklungen, der Übertritt Berns, die Verhandlungen
um den Landfrieden 1529 und 1531 vorgestellt. Kapitel XII beschreibt
in feiner Linienführung die Verdichtung der Konflikte bis hin
zur Kappeler Katastrophe, in deren dunkelster Phase Zwingli am
11. 10 1531 „tapfer kämpfend" (83) fällt. Locher erweist sich hier
auch alsein hervorragender Kenner der politischen Konfliktsituation,
deren Konstellation für das Wohl und Wehe der Reformation selbst
von großer Bedeutung war. Eben diese ist auch zu berücksichtigen,
wenn die verhältnismäßig glückliche reformatorische Weiterentwicklung
auch nach Zwingiis Tod im Rahmen des Spätzwinglianismus
(Kapitel XIV), wesentlich inauguriert durch Heinrich Bullinger, verstanden
werden soll.

Abschließend hebt der Verfasser die wesentlichen Merkmale der
oberdeutschen Reformation, insbesondere des Zwinglianismus, hervor
und gibt dadurch ein Stück Antwort auf die Fragen nach den
Begründungen für das lebendige Weiterwirken dieses Zweiges im
Reformationsgeschehen.

Wer einen sehr brauchbaren Einstieg wünscht, um Zwingli und sein
Reformationswerk kennenzulernen, wer dazu noch Hilfestellung zu
weiterer wissenschaftlicher Arbeit haben möchte, der greife zu diesem
Faszikel, der aufs neue Lochers Meisterschaft in der Aktualisierung
historischer Sachverhalte bewährt.

Berlin Joachim Rogge

Kaliner, Walter: Katechese und Vermittlungstheologie im Refor-
mationszeitalter. Johann VIII., Bischof von Meißen und seine
„ChristlicheLehre". Leipzig.St. Benno 1981. XXII, 185 S., 11 Taf.
gr. 8' = Erfurter theologische Studien, 46.

Das vorliegende Buch ist als eine „Randschrift" im Jahn des
Lutherjubiläums zu begrüßen. Denn Luther hat sich zusammen mit
Wittenberger Mitarbeitern mit dem „Katechismus" eingehend beschäftigt
, wenn er auch weder die Ausführungen billigen, noch sie ils
Grundlage einer Einigung mit den Untertanen der Wettiner, soweit sie
dem Meißner Bischof unterstanden, benutzen konnte.

Das Buch, dessen archivarische Grundlagen bewundernswert sind,
wird jedem, der an der Kirchengeschichte interessiert ist, mancherlei
Freude machen. In einem ersten, ausführlichen Teil beschäftigt sich