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Ausgabe:

1983

Spalte:

506-507

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Lapide, Pinchas

Titel/Untertitel:

Paulus, Rabbi und Apostel 1983

Rezensent:

Luz, Ulrich

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 7

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Der Teil über Jesu Taten setzt mit den Konflikten um den Sabbat
ein, wobei deren provokatorischer Charakter herausgestellt wird:
Jesus praktiziert hier die Freiheit dessen, „der weiß, wie Gott
denkt. .. Wie die Propheten der alten Zeit reizt er Israel, damit ihm
eine neue Erkenntnis Gottes aufgeht; denn das ist sein Auftrag"
(S. 76). Es folgen Begegnungen mit Fragenden (d. h. Streit- und Schulgespräche
wie Mk 12,13-17.28-34; 10,17-22) sowie mit Sündern
(Joh. 8,3-11; Lk 7,36^7a).

Bei der Darstellung der Rede Jesu in Teil II steht naturgemäß die
Verkündigung der Gottesherrschaft am Anfang, die Vf. im Sinne einer
sich realisierenden Eschatologie versteht. Es folgt eine Interpretation
der ethischen Aussagen Jesu: Jesus verschärft die Tora nicht, sondern
er nimmt den Willen Gottes auf Grund der Freiheit, die der Mensch
bei Gott erlangt hat, mit der Kraft der tatbereiten Liebe auf (S. 143): er
fordert und ermöglicht zugleich eine Identifikation des Menschen mit
dem hinter der Tora stehenden lebendigen Gotteswillen. Unter der
Uberschrift „Der Versöhner" werden schließlich die großen Gleichnisse
behandelt, die die Zuwendung Jesu zu den Verachteten und
Sündern kommentieren. Denn diese Zuwendung „ist motiviert und
freigesetzt durch den im Gehorsam übernommenen lebendigen Versöhnungswillen
Gottes"<S. 195).

Der relativ knapp ausgefallene Teil III stellt den inneren Zusammenhang
zwischen Jesu Wirken und seinem Sterben heraus und hat
seinen Schwerpunkt in einer Interpretation der Abendmahlsworte.
Vf bleibt seinem streng historisch-kritischen Ansatz auch darin treu,
daß er auf ein Kapitel über die Auferstehung verzichtet. Den Abschluß
bilden eine Zusammenfassung, die noch einmal die zentralen
Züge der Erscheinung Jesu aufzählt, sowie ein Nachwort („Existenz
und Glaube"), das vor allem deshalb von Interesse ist, weil es die
theologischen Ahnen nennt, die Kahlefelds Denken bestimmten:
Kierkegaard, Heidegger und Bultmann, aber auch Guardini.

Fragen bleiben allerdings für den Rezensenten hinsichtlich des Verständnisses
von „Meditation", mit dem hier operiert wird. Nach
Kahlefelds eigener früherer Definition, wie sie im Vorwort (S. 7)
zitiert wird, heißt Meditieren, „eine Wahrheit mit der Wirklichkeit
des Lebens ins Verhältnis setzen; das Leben auf das hin anschauen,
was man als offenbarte Wahrheit akzeptiert hat". Solche Vermittlung
mit den Wirklichkeiten des Lebens bleibt jedoch in den vorliegenden
Meditationsteilen ausgespart, bzw. - um es mit den Worten der
Herausgeber zu sagen: „Die Meditation dieses Bandes schaut überhaupt
nicht mehr auf vom Text, sondern ist in das Schrift wort eingedrungen
. . ." (S. 7). Was hier versucht wird, ist eine eindringende
kerygmatische Interpretation im Horizont des Glaubens, der die Identität
des Irdischen mit dem Erhöhten voraussetzt - und das ist gewiß
nichts Geringes. Aber um der begrifflichen Klarheit willen, sollte man
für solche Interpretation, die streng innerhalb des Aufgabenfeldes
theologischer Exegese bleibt, die Bezeichnung Meditation besser nicht
verwenden.

Erlangen Jürgen Roloff

Gryglewicz, Feliks: Ewangelia wedtug Sw.hukasza. Wstep - przektad
z oryginalu - komentarz, Poznah-Warszawa: Pallottinum 1974.
452 S. gr. 8* = Pismo Swiete Nowego testamentu, III, 3.

Homerski, Jözef: Ewangelia wedtug &w. Mateusza. Wstep - przektad
z oryginalu - komentarz, Poznah-Warszawa: Pallottinum 1979.
409S. gr. 8' = Pismo Swiqte Nowego Testamentu, III, 1.

Für den Kommentar zu Lukas, der ohne Verschulden des Rezensenten
erst jetzt besprochen wird, hat der Altmeister der polnischen
Exegese, Eugeniusz Dabrowski, noch vor seinem Tode den Grundstein
gelegt. Im Unterschied zu vergleichbaren deutschsprachigen
Kommentaren nimmt die Information über neuere Diskussionen
weniger Raum ein, dafür werden theologische Linien stärker ausgezogen
. Besondere Aufmerksamkeit des Verfassers gilt dem Magnificat
und der Mariologie, und nicht nur in diesen Partien kommt der betont
katholische Charakter des Kommentars zum Ausdruck. Den Sitz im

Leben sucht der Verfasser zuweilen eigenwillig und konstruiert an
Hand des Textes historische Situationen. So erfährt der Leser z. B.
(S. 93), was die Maria veranlaßt hat, ihr Magnificat zu sprechen. Für
das Wort des Täufers an die Soldaten (Lk 3,14) wird folgende Situation
vorausgesetzt (S. 119): „Pilatus, der über Ruhe im Lande zu
wachen hatte, war durch die Bewegung, die Johannes der Täufer
hervorgerufen hat, beunruhigt. Er schickte deshalb seine Soldaten,
damit sie sehen, was am Jordan geschieht." In den Kommentar fließt
auch reichlich Gedankengut ein, das man normalerweise in Predigtmeditationen
unterbringt. Die Blickrichtung auf die Predigt gehört
zur erklärten Zielsetzung des Autors. Doch findet der polnische Leser,
der mehr an der theologischen Forschung außerhalb seines eigenen
Landes interessiert ist, auch reichlich Literaturangaben sowie Kurzinformationen
über die theologische Diskussion.
t Die Bände über Markus und Johannes, die in dieser Zeitschrift (105
1980 Sp. 679f) bereits rezensiert worden sind, berichten ausführlicher
über den Stand der historisch-kritischen Exegese. Als letzter Band zu
den Evangelien erschien der Kommentar zu Matthäus. Er ist weniger
umfangreich und geht weniger auf die Fragen ein, die in anderen
Ländern diskutiert werden. Die Auslegungstradition des eigenen Landes
kommt dagegen stärker zum Ausdruck. Der Verfasser ist an den
Problemen der alttestamentlichen Theologie interessiert, und dieses
Interesse bestimmt die Schwerpunkte seiner Auslegung. Eigenständig
wird die Theologie des Reiches Gottes behandelt, wobei der christolo-
gische und der ekklesiologische Aspekt besondere Beachtung finden.
In einem Exkurs behandelt der Verfasser die Auslegungsgeschichte
der Bergpredigt. Dort heißt es (S. 368): „Erst von der Reformation an
begann man grundsätzlich, die These von der angeblichen Unerfüll-
barkeit der in der Bergpredigt enthaltenen Forderungen zu verkündigen
. Nach der Überzeugung Martin Luthers sind die Anforderungen
, die in der Bergpredigt nach der Fassung der Matthäus gestellt
werden, nur für die Vollkommenen bestimmt gewesen. Die Unvollkommenen
sind davon befreit, weil sie diese Anforderungen nicht verstehen
." An solchen Ausführungen wird erkennbar, wie unverarbeitet
und unverstanden Teile der zitierten Literatur geblieben sind. Nicht
einmal die Literaturhinweise sind so umfangreich wie in den vorhergehenden
Bänden. Besonders die Beiträge aus dem letzten Jahrzehnt
vor Veröffentlichung des Kommentars sind sehr lückenhaft erfaßt. Ob
dieser letzte Band, der die Reihe über die Evangelien abschließt, nur
durch Zufall schwächer ausgefallen ist als die vorhergehenden, oder
ob dieser Unterschied Ausdruck einer gewollten Zuwendung zu einheimischem
traditionellen Gedankengut ist, wagt der Rezensent nicht
zu entscheiden.

Erlangen Ernst Lerle

Lapide, Pinchas, u. Peter Stuhlmacher: Paulus - Rabbi und Apostel.

Ein jüdisch-christlicher Dialog. Stuttgart: Calwer; München: Kösel
1981.80 S.8°. Kart. DM 12,-.

Jüdisch-christliche Dialoge über Paulus sind immer noch relativ
selten. Aber nicht nur deswegen ist man für dieses knappe Bändchen
dankbar, das zwei in Pforzheim gehaltene Vorträge und eine anschließende
Zusammenfassung wichtiger Diskussionsvoten durch die beiden
Autoren selbst enthält. Dankbar ist man vor allem dafür, daß hier
zwei Paulusbilder vorgestellt werden, die Paulus als Ganzen zu verstehen
suchen, aber nicht einfach in Gestalt längst formulierter
Meinungen, sondern experimentell, voller Überraschungen und
Anregungen. Ich nenne einige interessante Punkte:

Stuhlmacher: Paulus entfaltet auch im Römerbrief nicht seine
„Lehre", sondern er setzt sich mit der ihm teilweise mißtrauenden
römischen Gemeinde auseinander. Im Hintergrund steht die Auseinandersetzung
des Paulus mit Jerusalem, wo Jakobus offenbar entgegen
den Abmachungen am Apostelkonzil den Heiden gewisse Auflagen
macht (Apg 15,28f!). Paulus ist niemals Antinomist, vielmehr ist
seine Kritik an der Sinaitora christologisch begründet und will den „in
Christus ... offenbar gewordenen ursprünglichen und endzeitlichen