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1983

Kategorie:

Judaistik

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Neuerscheinungen

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499

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 7

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den Rahmenstücken weit zahlreicher sind als in den - naturgemäß
wesentlich umfangreicheren - Mittelteilen (vgl. die zusammenfassende
Tabelle S. 90). Die für die Formelemente verwendeten Siglen,
die jeweils am Seitenrand erscheinen - insofern wird die Analyse recht
übersichtlich dargeboten -, werden in der Zusammenfassung S. 229f
noch einmal zusammenhängend aufgeschlüsselt.'

Anhand des so gewonnenen Formschemas werden nun weitere
frühjüdische „Testamente" untersucht, wobei v.N. sich mit Recht
nicht auf solche Schriften beschränkt, die in ihrem geläufigen Titel das
Stichwort „Testament" enthalten.2 Folgende Schriften werden behandelt
: Das Testament Amrams aus Höhle 4 von Qumran (§ 2,
S. 115-118); das Testament Hiobs (§ 3, S. 119-135); die Testamente
der drei Patriarchen (§ 4, S. 136-170; v.N. faßt unter diesem Titel die
Testamente Abrahams, Isaaks und Jakobs zusammen, weil er sie -
entgegen der sonstigen Beurteilung - als ursprünglich zusammengehörig
ansieht); das Testament Adams (§5, S. 171-184); das Testament
Salomos (§6, S. 185-193); das Testament Moses (auch als
„Himmelfahrt Moses" bekannt, aber von v.N. als echtes Testament
eingestuft; § 7, S. 194-207); das Testament Hiskias (in einem komplizierten
Traditionsverständnis zu dem „Martyrium Jesajas" und der
„Himmelfahrt Jesajas" stehend, §8, S. 208-219), und schließlich
einige testamentartige Teile aus größeren Schriften, nämlich slav Hen
55-67 und Lib Ant Bibl 33 (§ 9, S. 220-228). Leider erlaubt der Raum
nicht, auf manche interessante Erkenntnis zu diesen, z. T. selten behandelten
, Schriften näher einzugehen.

Es ist bemerkenswert, daß - wie der Ausgangspunkt bei den
Test XII genommen wurde - auch die Ergebnisse (S. 229-242) ganz
eigentlich nur auf die Test XII passen, auf die anderen Schriften
immer nur teilweise, soweit sie nicht, meist mit guten Gründen, überhaupt
aus der Betrachtung ausgeschieden wurden, wie z. B. das
Testament Abrahams und das Testament Salomos. Bei den wirklichen
Testamenten ähneln sich naturgemäß, nämlich bedingt durch
die (fiktive) Szene, untereinander die Rahmenstücke formal noch am
stärksten, während die Mittelteile, in denen ja Intention, Argumentationsweise
und Motivation (S. 232-237) der jeweiligen Schrift erst
zur Geltung kommen, formal z. T. weit auseinandergehen. Sicher
trifft es für die Test XII zu, wenn v.N. den „weisheitlichen" Grundcharakter
der Gattung hervorhebt (S. 239): eine anerkannte Autorität
mahnt im Rückblick auf eigene Lebenserfahrungen, also - wie v.N.
schön hervorhebt (S. 234) - argumentierend, nicht gesetzlich, die
Nachkommen zu rechter, gottgefälliger Lebensweise.3 Und es ist
zunächst einmal richtig, daß v.N. hier eine Gattung erkennt, die weder
in den griechischen „Philosophentestamenten" (dazu s. S. 242) noch
in den Jakobs- oder Mose-Segen oder auch im „Bundesformular"
(dazu vorerst S. 3 f und 241) vorgebildet ist. Aber damit ist m.E. die
Kontroverse mit A. B. Kolenkow noch nicht erledigt, die zwei Typen
von Testamenten erkannt hatte: die am Lebensrückblick orientierten,
weisheitlich-mahnenden Testamente und die stärker auf Zukunftsansagen
ausgehenden, apokalyptischen "blessing testaments"; v.N.
tut diesen formgeschichtlichen Ansatz von Frau Kolenkow auf S. 4f
etwas zu schnell ab.4 Wollte man dem apokalyptischen Typ besser
gerecht werden, so müßte man schon in die Liste der Formelemente
vor allem Visionen und Träume aufnehmen, die jedoch bei v.N. nur
am Rande eine Rolle spielen und in der Tabelle nicht erscheinen. Das
entspricht ihrer Bedeutung innerhalb der Test XII, wo sie kaum eine
Rolle spielen, nicht aber der Bedeutung in anderen Texten. Gewiß
laufen auch die Zukunfts-Vorblicke des apokalyptischen Typs auf
Mahnung hinaus, aber diese ist anderer Art als die ethische Paränese
der Test XII; vielmehr geht es um Erwecken von Hoffnung, um die
typisch apokalyptische Mahnung zum Festhalten an Gott und zum
Durchhalten im Leiden. Man sollte nicht (mit v.N., S. 4) fragen, ob es
„überzeugende Gründe für die Doppelentwicklung einer Form"
geben könne, sondern umgekehrt: ob sich nicht aus verschiedenen
Wurzeln unter dem gemeinsamen Form-Rahmen des Abschieds-
Vermächtnisses zwei Unter-Typen einer Obergattung „Testament"
entwickeln konnten, wobei der apokalyptische Typ ("blessing testaments
") eben doch bei den „Segen" Jakobs bzw. Moses
(Gen 49/Dtn 33) anknüpft. Die auch von v.N. akzeptierte Fragestellung
Kolenkows nach der Intention (S. 5) läßt sich eben nicht für alle
Testamente gleichsinnig beantworten, und schon dies deutet auf zwei
Untergattungen hin.

So wäre eine Parallel-Untersuchung des anderen Typs von Testamenten
erwünscht. Aber das ist nicht im Sinne einer Entwertung der
vorliegenden Arbeit, sondern im Sinne besserer Einordnung ihrer
Ergebnisse gemeint. Denn, das sei abschließend betont, die Erforschung
der frühjüdischen Literatur wird durch die hier vorgelegte
intensive Durcharbeitung wichtiger, z. T. sonst wenig beachteter
Texte durch viele Einzelbeobachtungen ebenso wie durch die nachdrücklich
gestellte und - im Rahmen des gewählten Ausgangspunktes
bei den Test XII - eindrücklich beantwortete Frage nach der Gattung
der Testamentenliteratur in dankenswerter Weise bereichert.

Naumburg Nikolaus Walter

Das Rätsel um das „schon bekannte SER-Schema" (S. 20; vgl. noch S: 105)
wird dem uneingeweihten Leser freilich nur im Vorbeigehen auf S. 240 entschlüsselt
: Sin-Exile-Return.

2 Jedoch bespricht v.N. das jüdische „Testament des Orpheus" nicht. Gewiß
weicht es formal von den behandelten Texten völlig ab, aber es bedient sich
doch in ganz analoger Weise der Sterbesituation und des Vermächtnisgedankens
- ein Zeichen dafür, daß sich diese literarisch benutzte Situation
gattungsmäßig nicht nur in einer Weise ausfüllen läßt.

' Als weisheitliche Schrift werden die Test XII inzwischen ausführlich - und
unter Bezugnahme auf die Dissertationsfassung der Arbeit v.N.s - gewürdigt
von Max Küchler, Frühjüdische Weisheitstraditionen, Fribourg/Göttingen
1979, S. 415-545 (vgl. G. Delling, ThLZ 106,1981 Sp. 563-565).

* Freilich sind die einschlägigen Arbeiten von Frau Kolenkow wohl erst nach
Abschluß der Dissertation zugänglich geworden, so daß die unzureichende
Berücksichtigung ihres Ansatzes versländlich ist.

Aune, D. E.: The Use of npoiprrirfi ui Josephus (JBL 101,1982 S. 419^t21).

Chernus, Ira: Individual and Community in the Redaction of the Hekhalot
Literature(HUCA 52, 1981 S. 253-274).

Fritz, Thomas: Die Beurteilung des Judentums in der Aufklärung, dargestellt
am Beispiel John Tolands(Diss. theol. Heidelberg 1982/83).

Goldstein, David: TheCommentary ofJudah ben Solomon Hakohen Matqah
toGenesis, Psalmsand Proverbs(HUCA 52,1981 S. 203-252).

Kirschner, Robert S.: Maimonides' Fiction of Resurrection (HUCA 52, 1981
S. 163-193).

Klein, Günter: „Christlicher Antijudaismus". Bemerkungen zu einem
semantischen Einschüchterungsversuch (ZThK 79,1982 S. 411-450).

Penkower, Jordan S.: Maimonides and the Aleppo Codex (Textus9, 1981
S. 39-128).

Yeivin, Israel: From the Teachings of the Massoretes (in Hebrew) (Tcxtus 9,
1981 S. 135 English Abstract, Hebrew SectionS. 1-27).

Neues Testament

Riesner, Rainer: Jesus als Lehrer. Eine Untersuchung zum Ursprung
der Evangelien-Überlieferung. Tübingen: Mohr 1981. XI, 614 S.
gr. 8* = Wissenschaftliche Untersuchungen, 2. Reihe, 7. Kart.
DM 59,-.

Die Arbeit, die wir „Formgeschichte" nennen, hat bei der Erforschung
der Evangelien bedeutende Ergebnisse zutage gefordert. Sie
hat aber auch viele wichtige Fragestellungen blockiert und relevante
Fakten ignoriert. Hier sei nun eine Tübinger Dissertation vorgestellt,
die auf eine Menge Fragen und Fakten aufmerksam macht, die in der
gegenwärtigen zersplitterten Situation der Evangelienforschung
Beachtung verlangen.

Das Buch ist sehr umfangreich. Dies beruht jedoch nicht darauf,
daß die Darstellung redselig oder weitschweifig wäre, sondern darauf,