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Ausgabe:

1983

Spalte:

470-471

Kategorie:

Religionspädagogik, Katechetik

Autor/Hrsg.:

Wegenast, Klaus

Titel/Untertitel:

Der Religionsunterricht in der Sekundarstufe I 1983

Rezensent:

Kehnscherper, Günther

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 6

470

internationaler und gesellschaftlicher Politik als auch im Mikro-
bereich der Lebenswelt der Schüler sowie in der Analyse ihrer wechselseitigen
Bedingtheit hat." Damit wird aber auch schon die bisher
noch unüberwindbare Diskrepanz zwischen Erziehungszielen und
Erziehungsinhalten deutlich. Das doppelte Dilemma der Friedenserziehung
besteht nämlich darin, daß „Friedenserziehung, welche
sich dem Einzelnen im Sinne individueller Verhaltensänderung zuwendet
und dort effektiv Erfolg zeitigen kann, sich auf den Makro-
bereich nicht auswirkt; andererseits führt die notwendige Orientierung
an dem anzustrebenden Ziel, negativ formuliert als Abwesenheit
organisierter Friedlosigkeit und struktureller Gewalt, dazu, daß sich
Friedenserziehung angesichts dieser riesigen Aufgabe zur Ohnmacht
verurteilt sieht" (14).

Der Beitrag von A. Walter, Friedenserziehung - Ansätze, Tendenzen
und Probleme (19-52), versucht, einen einführenden Überblick
über die aktuelle friedenspädagogische Diskussion zu geben und
derzeitige Tendenzen herauszuarbeiten. Zunächst werden die traditionellen
Ansätze und Versuche von Friedenserziehung, die auf der
Ebene individueller Einstellungen und des persönlichen Verhaltens
einsetzen, ohne deren gesellschaftlich bestimmte Bedingtheit angemessen
zu berücksichtigen, analysiert und einer gründlichen Kritik
unterzogen. Ganz deutlich werden die Probleme beim Namen genannt
, mit denen eine kritische Friedenserziehung behaftet ist, die
sich als Erziehung zur Friedensfähigkeit im Sinne einer Erziehung zur
Politik als Praxis einer gewaltfreien Veränderung unfriedlicher Verhältnisse
versteht.

Weiterführend bemüht sich F. Wagner, Systematisch-theologische
und sozialethische Erwägungen zu Frieden und Gewalt
(55-121), das bloße Neben- und Nacheinander von sozialwissenschaftlichen
und biblisch-theologischen Aussagen abzulösen. Er geht
davon aus, daß sozialethische Urteilsbildung didaktisch vermittelt
werden kann. Im Zuge einer Theorie von Theologie, die auf Rekonstruktion
der Grundgehalte des Christentums zielt, können auf diese
Weise kategorial gedachte Sachverhalte von Gewalt und Frieden
selbst als Implikate einer trinitarisch-christologisch-pneumatolo-
gischen Grundstruktur hervortreten. Ob damit tatsächlich die Sozialethik
ihre theologisch begründete Urteilsbildung zu Gewalt und Frieden
für die von den Gesellschaftswissenschaften und der politischen
Öffentlichkeit geforderten Theoriebildung so offen halten kann, wie
F- Wagner das darstellt, muß sich heute an der Frage der Atom- und
Raketenrüstung entscheiden, weil in diesem Bereich in umfassender
Zusammenarbeit die Bedingungen zur Gestaltfindung des Friedens
formuliert werden müssen. Das Problem der atomaren Aufrüstung
wird aber von F. Wagner nicht in die Überlegungen mit einbezogen.

Die Untersuchung von Chr. Bäumler, Friedenserziehung und
Religionsunterricht - Religionsunterricht als Friedenserziehung
(125-156), schließt sich organisch an das in den vorangegangenen Beiträgen
Erarbeitete an. Der Vf. legt großen Wert darauf, daß sich im
Zusammenhang religionspädagogischer Theoriebildung zur Friedensfrage
die Prinzipien kritischer Theoriefindung und theologischen
Denkens mit klaren persönlichen Standpunkten verbinden. Für einen
nach derartigen Prinzipien konzipierten Religionsunterricht würde
dann gelten, daß Friedenserziehung nicht nur ein gelegentlich auftauchendes
Thema wäre, sondern die Struktur evangelischer Unterweisung
durchgängig bestimmte.

Für die unterrichtliche Praxis bearbeitet dann diese Aspekte in
einem abschließenden BeitragG. Lämmermann, Modelle zur Friedenserziehung
im Religionsunterricht (159-231). Unter einem sinnvollen
Frageraster zur pädagogischen Beurteilung von Unterrichtsmodellen
zum Thema „Frieden" werden verschiedene Unterrichtsentwürfe
unterschiedlicher Altersstufen vorgestellt. In Auseinandersetzung
mit den verschiedenen Ansätzen für eine didaktische Analyse
entwickelt der Vf. überzeugende Kriterien, um die die jeweiligen
Modelle bestimmenden pädagogischen, theologischen und politischen
Implikationen durchschaubar zu machen.

Man kann nur mit den Vff hoffen, daß ihre Beiträge als Versuche

begriffen und diskutiert werden, die Praxistheorie der Friedenserziehung
in der evangelischen Unterweisung voranzubringen.

Greifswald Günther Kehnscherper

Wegenast, Klaus: Der Religionsunterricht in der Sekundarstufe I.

Grundsätze, Planungsformen, Beispiele. Gütersloh: Gütersloher
Verlagshaus Gerd Mohn 1980. 228 S. 8 Kart. DM 32,-.

Ein Buch mit diesem Titel nimmt man mit der bangen Frage in die
Hand, was denn über längst Bekanntes hinaus noch dargestellt werden
soll.

Man legt es dann tatsächlich mit der Überzeugung fort, hier ein sehr
praktisches Arbeitsbuch bekommen zu haben, das umfassend und
klar Wege, Ziele und Methoden modernen Religionsunterrichts für
eine besonders schwierige Altersstufe darstellt.

Das Buch ist nicht auf eine der verschiedenen Formen evangelischer
Unterweisung festgelegt, wie sie in den vergangenen Jahren mehr oder
weniger akzentuiert Fachliteratur und Unterrichtshilfen bestimmt
haben. Biblische Überlieferung wird auf die Situation bezogen, und
Situationen und Lebensfragen der Schüler werden zum Ausgangspunkt
für kritische Rückfragen an Te"xte und ihre theologische Verarbeitung
. So entsteht eine sachgemäße und situationsgerechte Verbindung
von problemorientierten Bibelunterricht und biblisch fundiertem
themenorientierten Unterricht.

Die Vorbereitungsarbeit wird nicht abgenommen, aber es werden
ungemein vielseitige Anregungen für eine verantwortliche Planung
biblischen und problemorientierten Unterrichts gegeben, dargestellt
an einer Reihe wichtiger Themen.

Kap. I (11-36) bringt zunächst Grundsätzliches zur Geschichte des
Religionsunterrichts, stellt die gebräuchlichsten Grundformen des
Unterrichts in der Gegenwart dar und skizziert dann einige Zukunftsaspekte
evangelischer Unterweisung.

Bei einer breit angelegten Methodik des Unterrichts geht der Weg
hier nicht nur von Texten und deren Interpretation aus, um dadurch
vielleicht auch zu Problemen zu kommen. Auch wird nicht einseitig
nur von Themen auf Texte hin gearbeitet. Sondern die Erschließung
menschlicher Konflikte führt zu einer Konfrontation mit orientierender
christlicher Tradition, die dann auch gelebt werden kann, wozu
modellhaft Wege aufgezeigt werden.

Ein beziehungsreicher und vielseitiger Religionsunterricht stellt
sich dem Vf. so dar, daß er „seine Ziele und Inhalte im Horizont des
Fragens und des Lebens begründet, seinen Grund in der Botschaft des
Christentums und deren Reflexion besitzt, und von Lehrern verantwortet
wird, die selbst bereit sind, nach dem Sinn von Leben und Welt
zu fragen und darin dem Angebot des Glaubens und der Religionen
kritisch zur Sprache zu verhelfen. In allem aber gilt es, den Schüler bei
sich, seiner Welt und bei den sich widerstreitenden Deutungen zu be-
haften und ihm so Denk- und Handlungsräume zu erschließen, die
nicht nur Welt-Bewältigung, sondern Ich-Sein eröffnen" (18).

Kap. II (37-63) beschäftigt sich mit der Planung des Unterrichts
und dem Entwurf von Projekten, der Folge mehrerer Unterrichtseinheiten
, beschreibt die Phasen und Bereiche der Vorarbeiten, geht sorgfältig
auf die Möglichkeiten und Schwierigkeiten des didaktischen
Ansatzes ein und schließt mit einem Ausblick auf die Möglichkeiten
und Grenzen der Planung von Lernprozessen in pädagogischer und
theologischer Sicht. Klar und übersichtlich sind hier (44-59) lang bewährte
Modelle der Unterrichtsvorbereitung, der Verlaufsplanung
und der didaktischen Analyse dargestellt, die für den sich einarbeitenden
jüngeren Religionspädagogen eine erhebliche Arbeitserleichterung
bei Verbesserung bisher üblicher Methoden bedeuten. Man spürt
den Skizzen, Modellen und Tafeln ab, daß sie in langjähriger Erfahrung
erarbeitet und bewährt sind.

Kap. III (64-145) ist der Bibel im Unterricht gewidmet. Die Arbeit
am Text, die didaktischen Überlegungen, die Wahl des Themas und
die Berücksichtigung möglicher Interessen der Hörergruppen werden