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Ausgabe:

1983

Spalte:

453-455

Kategorie:

Philosophie, Religionsphilosophie

Autor/Hrsg.:

Hubbeling, Hubertus G.

Titel/Untertitel:

Einfuehrung in die Religionsphilosophie 1983

Rezensent:

Wölfel, Eberhard

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 6

454

wenn auch von dem, was die Gemeinde selbst heute hinzutat, im Text
nur sehr selten etwas und im Bild nichts angedeutet wird.

Erlangen Peter Poscharsky

Philosophie, Religionsphilosophie

Hubbeling, Hubertus G.: Einführung in die Religionsphilosophie.

Göttingen: Vandenhoeck & Ruprecht 1981. 219 S. 8" = Uni-
Taschenbücher 1152. Kart. DM 24,-.

Zu den wissenschaftlichen Überraschungen der Gegenwart gehört
sicher das Wiedererstarken einer Metaphysik und Religionsphilosophie
ausgerechnet auf dem Boden logisch-analytischer Tradition, die
unseren Sprachraum freilich in einem recht langsamen Rezeptionsprozeß
erreichte; wobei sicher innerhalb der evangelischen Theologie
die Fronten der dialektischen Theologie für lange Zeit ein retardierendes
Moment darstellten. Nun kommt, nach manchem vorbereitenden
Sammelband, das in dieser Tradition Erarbeitete in Gestalt einer
„Einführung in die Religionsphilosophie" zu uns, die zugleich Rang
und Qualität einer reifen Lebensleistung besitzt, wenn auch der
geringe in Anspruch genommene Raum mancherorts nur eine skizzenhafte
Entfaltung gestattete.

Der Verfasser, Professor für Religionsphilosophie und Ethik in
Groningen, eröffnet dabei bereits auf den ersten Seiten weit in den
Aufbau seines Werks hineinweisende Perspektiven: „Soll eine Argumentation
philosophisch sein, dann müssen die Argumente vernünftig
sein" (S. 11). Eine Begründung mit Hilfe der Offenbarung hingegen
ist hier nicht erlaubt (S. 12). Die Vernunft fungiert also als Kriterium,
wodurch die Verfahrensweise weithin vorprogrammiert wird: denn
nun muß primär (1.) der erkenntnistheoretische Status religiöser Aussagen
(inclusive besonders der Wahrheitsfrage) und (2.) eine exakte
Auslotung der Reichweite des Kriteriums „Vernunft" Gegenstand der
Untersuchung sein. Beides geschieht im 3. Kapitel; zunächst aber
erweist solches Einsetzen seine Stärke als gliederungstechnisches Prinzip
eines historischen Teils (Kap. 1): Die mögliche Inbezugsetzung
von Vernunft und Offenbarung (Auseinandertreten, Überschneidung,
Zusammenfall) zeigt Typen von Fundamentalpositionen auf, die an
maßgeblichen Philosophen und Theologen der mittelalterlichen und
neuzeitlichen abendländischen Geistesgeschichte illustriert werden.
Später benötigtes Einzelmaterial wird dabei geschickt in die Entwicklung
und Ausgestaltung der entsprechenden Position einbezogen. Die
Darstellungen von Hegel, Kierkegaard, Schleiermacher scheinen -
was von einem „Analytiker" keineswegs zu sagen selbstverständlich
ist-dem Rez. besonders gut gelungen zu sein, vermißt wird jedoch ein
Abschnitt über A. N. Whitehead: gerade deshalb, weil er im Hintergrund
jener Prozeßphilosophie steht, über die später so eindringlich
reflektiert wird.

Mit Kap. 3 beginnt der eigentlich systematische Teil, und zwar
durch die oben schon angedeutete Entfaltung des erkenntnistheoretischen
Fundaments der Religionsphilosophie (vgl. bes. S. 47). Im
Dienst von oben (1.) tritt die Logik der Sprache in den Mittelpunkt.
Sie führt alsbald weiter zu „notwendigen Wahrheiten". Hierdurch
wird (Vf. steht ausgesprochen in der Tradition von Leibniz und
H. Scholz!) eine „Metaphysik als strenge Wissenschaft" und damit
indirekt eine philosophische Gotteslehre vorbereitet, die zu ihrer
Konstitution der scharfen Erfassung des „Notwendigen" mittels einer
Modallogik bedarf. Zu oben (2.) tritt ein anderer, sehr wichtiger Gesichtspunkt
ins Blickfeld: Der logische Raster der Vernunft, durch den
das religiöse Material aufgenommen wird, ist nicht mehr wie ein starrer
Leisten gedacht, über den gleichförmig alle Erfahrung gezogen
w'rd, sondern er wird zum schmiegsamen Erfassungsorgan eines jeweils
von axiomatischen Bedingungen her gesteuerten Kalküls. Das
„Diktat der Vernunft" besteht also in einem Mehr oder Minder an
Voraussetzungen, die in ihrer Staffelung die Bedingungen abgeben,

unter denen eine Argumentation als „vernünftig" akzeptabel ist: „Es
gibt.. . niemals Erfahrung ohne Interpretation" (S. 49). Auf diesen
Seiten des Buches werden entscheidende Weichen gestellt! Je nach
„klassischer" Logik (Standardsystem, S. 54) oder konstruktivistischem
(intuitionistischem) Ansatz ist die Reichweite der Vernunft
eine je verschiedene. Genau dem entsprechend wollen die Kriterien
zur philosophischen Beurteilung des religionswissenschaftlichen
Materials sehr behutsam und abwägend in Ansatz gebracht werden.
Das im formalen Bereich Geleistete wird bei der Würdigung des religiösen
Erfahrungsmaterials speziell auch positiv mitsprechen. Besonders
gilt: „Wenn die Existenz Gottes bewiesen worden ist, ist die Berufung
auf religiöse Erfahrung plausibler geworden" (S. 54). Ich meine,
es hätte sich hier in der Religionsphilosophie Erregendes begeben:
Nämlich die vernünftige Selbstrelativierung unseres inneren Maßstabs
- der zugleich andererseits in seiner unabdingbaren kriteriolo-
gischen Instanzialität prägnant hervortritt.

Wir übergehen den Rest des Kapitels trotz seiner Wichtigkeit (vgl.
bes. S. 66 ff und 71 IT), da nun der Gang der Untersuchung voll auf die
Erstellung einer philosophischen Gotteslehre (4. Kap.) mit einer Lehre
vom Gollesbeweis als Herzstück der Religionsphilosophie (S. 77-104;
vgl. Appendix 3 und 4) hinweist. Der Autor, dem selbst das Verdienst
zukommt, an der formalen Rekonstruktion, der Neufassung und verbesserten
Schlüssigkeit der Gedankengänge hier maßgeblich und
schöpferisch beteiligt zu sein, gibt nun eine gedrängte Darstellung der
im Kern einfachen, aber durch ein Dickicht vielschichtiger Randproblematik
leicht unwegsam werdenden Fragen. Charakteristisch ist,
daß die Gottesbeweise, vorzüglich das „ontologische" und „kosmolo-
gische" Argument (1.) in ihrer gegenseitigen Verquickung (modallogische
Betrachtung!) erkannt und gerade so fruchtbar behandelt
werden können und (2.) hinsichtlich ihrer Überzeugungskraft durch
formallogische Behandlung und kalkülbedingte Systembetrachtung
(s. o.!) förmlich „meßbar" gemacht werden. Sie gerinnen so zu Kon-
strukten strenger Wissenschaft, über die sich keine ernsthafte Argumentation
mehr wird hinwegsetzen können.

Im übrigen finde ich, es wäre besser gewesen, Vf. hätte die formale
Argumentation nicht in den Appendix verwiesen, sondern besser im
Hauptteil selbst dargestellt. Mag sein, daß heute bei manchem Logiker
die gute Absicht besteht, dem Leser die Kenntnisnahme der technischen
Durchführung formalisierter Beweisgänge zu ersparen; trotzdem
gilt doch auch hier: es gibt keinen „Königsweg" in eine Religionsphilosophie
als Wissenschaft! Wer der Auffassung war, die Gottesbeweise
der Tradition seien „erledigt", muß sich mit einiger Nachdenklichkeit
heute eben fragen lassen, was er einsetzen will, sie erst
einmal wirklich zu verstehen. Noch immer sprechen bei solchem Bemühen
um richtiges Verständnis die Formeln selbst die deutlichste
Sprache. Der in Anspruch genommene Apparat formalisierter Logik
bleibt übrigens durchaus elementar (mit wenigen Ausnahmen - auf
die Barcanformel und einen Ort ihrer Erklärung z. B. hätte auch im
Appendix S. 187 nicht allein verwiesen werden dürfen - sie hätte
erläutert gehört). Eine Straffung der im Ergebnis wohl weniger ertragreichen
als aufwendigen Frage nach dem „prädikativen" Charakter
von „Existenz" (vgl. dazu übrigens N. Rescher, The Logic of Exi-
stence; jetzt in: Topics in Phil. Logic, Dordrecht 1968, S. 138ff, bes.
S. 161) hätte den Blick aufs Eigentliche noch deutlicher freigegeben.
Im Effekt gilt jedenfalls, daß Reichweite und Grenzen der Gottesbeweise
nun klar und effektiv heraustreten (S. 93): „Ich möchte mit
Nachdruck hervorheben, daß ich keinesfalls behaupte, daß die Existenz
Gottes nun .definitiv' bewiesen ist. In der Philosophie wird niemals
etwas definitiv bewiesen oder widerlegt. Man beweist oder widerlegt
ja immer in einem bestimmten System, mit Hilfe bestimmter Voraussetzungen
also."

Mit dem 5. Kap. geht der Vf. nun - unter Inanspruchnahme des
S. 53f eingeführten graduell weniger strengen Systems der Betrachtung
, d. h. also unter Anerkennung von „Justifikationskriterien"
(S. 56ff) - dazu über, die Breite der „religiösen Welt- und Lebensanschauung
" zu schildern. Mehr noch als vorher dient die Vernunft