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Ausgabe:

1983

Spalte:

450-451

Kategorie:

Christliche Kunst und Literatur

Autor/Hrsg.:

Dassmann, Ernst

Titel/Untertitel:

Paulus in frühchristlicher Frömmigkeit und Kunst 1983

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 6

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rechts findet er sich mit der Entstehung der Altkatholischen Kirche ab
(1230.

Vf. schreibt sein Buch auf dem vom II. Vat. Konzil gelegten Grund.
Er findet hier den Versuch, „die einseitige papalistische Kirchenstruktur
zu überwinden", und sieht „Reformen initiiert, die in ähnlicher
Richtung laufen, wie die Reformen, die der Altkatholizismus hundert
Jahre früher durchgeführt hatte (130 Anm. 103). Vf. teilt aber nicht
völlig D.s Urteil über das I. Vat. Konzil, wie er übrigens auch beiläufig
A. B. Haslers Ansicht über das I. Vat. Konzil als Räubersynode
nicht unwidersprochen läßt (82 Anm. 43). Er konstatiert bei D. eine
Grenze. D. habe nicht gesehen, daß die Texte des I. Vat. Konzils nicht
notwendig so extrem papalistisch interpretiert werden müßten, wie
die ultramontanen Infallibilisten auf dem I. Vat. Konzil sie interpretierten
. Die Geschichte habe gezeigt, daß D.s Befürchtungen zu groß
gewesen seien (85). Seine Schreckensvision von der Zukunft einer
Papalistisch mißbrauchten Kirche sei unerfüllt geblieben. Möglicherweise
aber habe D.s verzweifelter Kampf dazu beigetragen, daß sich
inzwischen das Bild der Kirche in der röm.-kath. Theologie „heute in
manchen Bereichen dem wieder genähert" habe, was D. als „die altkirchliche
, organische Verfassung für den Katholizismus aller Zeiten
als verpflichtend erklärte" (85). Vf. geht noch einen Schritt weiter. Er
hinterfragt D.s Schau der altkirchlichen episkopalen Verfassung von
der heutigen ntl. Exegese her und stellt bei D. ein „für die heutige Forschung
insgesamt noch zu undifferenziertes Bild der alten Kirche" fest
(249). Auch von der systematischen theologischen Diskussion um das
Bischofsamt meint Vf. ein Argument zu gewinnen. Es sei festzuhalten,
>,daß die theologische Verhältnisbestimmung von bischöflichem und
priesterlichem Amt auch innerhalb der katholischen Theologie
durchaus offen ist" (252). Das berechtige, besonders im Blick auf die
lutherische Kirche, zu ökumenischen Hoffnungen.

Vf. Absicht, mit seiner Interpretation Döllingerseine Lücke der Geschichtsschreibung
über die Anfänge der ökumenischen Theologie zu
schließen, kann mit Dank als gelungen angesehen werden. Ob sich
seine Behauptung der Offenheit in der röm.-kath. Behandlung der
Amtsfrage halten läßt, ist freilich vom II. Vat. Konzil her mit der dort
erfolgten Aufwertung und Fixierung des Bischofsamtes zweifelhaft.

Pönitz Christoph Michael Haufe

Christliche Archäologie

Bagatti, B.: Antichi villaggi cristiani di Samaria. Gerusalemme: Tipo-
grafia dei PP. Francescani 1979. 202 S., 47* S., 64 Taf., 2 Ktn gr. 8*
■ Pubblicazioni dello Studio biblico francescano, Collezione
minore, 19.

Nachdem bereits ein entsprechender Band über Galiläa erschienen
lst (Pubbl. dello Studio bibl. franc, Coli.min., 13), legt der verdiente
Archäologe nun eine Übersicht über die christlichen Ortschaften
Samarias vor. Die einzelnen Orte werden vorgeführt, indem alles in
diesem Zusammenhang Interessierende zusammengetragen wird. Das
S|nd zunächst schriftliche Erwähnungen in Bibel und kirchengeschichtlichen
Quellen, in Pilger- und Reiseberichten und in Reli-
g'onsstatistiken des 20. Jh. Hinzu kommt die Beschreibung und Diskussion
der archäologischen Reste, wobei auch das in die Museen
a|ler Welt Verstreute Berücksichtigung findet. Zur Bibliographie gesellen
sich die eigenen Beobachtungen, die der Verfasser während
Jahrzehntelanger Tätigkeit im Hl. Lande machen konnte.

Das Ergebnis ist eine Kirchengeschichte ,von unten', in der nicht
die großen Ereignisse den Leitfaden abgeben, sondern die Summe des
Geschehens an den verschiedenen Orten sich zum farbigen Bild zusammenfügt
. Natürlich bündeln sich die Zeugnisse zu Gruppen, die
der frühchristlichen und der byzantinischen Zeit (bis 638), der Epoche
der Kreuzfahrer oder der neueren Zeit angehören, die besonders durch
das Wirken der Missionen gekennzeichnet ist. Und doch wird jede
derartige Verallgemeinerung wieder durch die unterschiedliche Situation
an den verschiedenen Orten in Frage gestellt. Im ganzen ergibt
sich ein erschütterndes Bild, das durch immer neue Kämpfe, Vernichtungen
, Deportationen, Emigrationen, Umsiedlungen und erneute
Ansiedlung von Flüchtlingen gekennzeichnet ist. Bis in die jüngste
Zeit hat es hier Veränderungen größeren Ausmaßes gegeben. Völker,
Religionen und Konfessionen haben hier nebeneinander bestanden
oder sich gegenseitig unterdrückt: Juden und Samaritaner, Heiden
und Christen, Orthodoxe und Monophysiten, Araber und
Abendländer.

Einige Züge, die z. T. nur auf das Hl. Land zutreffen, seien hier herausgestellt
. Interessant ist neben der Verehrung neutestamentlicher
Stätten das häufige Gedächtnis alttestamentlicher Gestalten und
Ereignisse an den entsprechenden Orten, und gerade hier gibt es oft
durchgehende jüdisch-christlich-arabische Kulttraditionen. In Seba-
ste etwa wurden die Gräber Elisas, Obadjas und Johannes d. T. verehrt
(S. 64), in Jericho u. a. der Baum des Zachäus (S. 80). Hier wurde
auch über dem Haus der Hure Rahab eine Kirche gebaut, in Gilgal
eine zum Gedächtnis der Einführung der Beschneidung (S. 84). Solcher
Kult ist oft mit bestimmtem religiösen Brauchtum verbunden.
Freilich sind im Laufe der Entwicklung die Kultstätten oft an die Pilgerstraßen
verlegt worden, wie überhaupt sich immer wieder Probleme
der Identifizierung in den Quellen genannter Ortschaften mit
heute vorfindlichen ergeben. In dem wasserarmen Land spielen Brunnen
eine große Rolle, die oft religiös überhöht wird. Oft werden sie
von Geistern bewohnt gedacht. Eine größere Verbreitung im Lande
hat der Georgskult gehabt, der in besonderer Weise mit Lydda-Dios-
polis verbunden ist, wo auch die Geißelsäule Christi verehrt wurde
(S. 163). Ganze Gegenden sind vor allem durch Klöster besiedelt
worden.

Die archäologische Situation ist dadurch gekennzeichnet, daß die
behauenen Steine byzantinischer Kirchen bis in die jüngste Zeit als
Baumaterial - auch für Moscheen und Kirchen - wiederbenutzt
wurden, so daß am Ort oft nur die Fußbodenmosaiken übrigblieben.
Wenn auch kaum wirklich bedeutende Kunstwerke aus diesem Gebiet
erhalten sind, begrüßt man doch dankbar die umjangreiche
Dokumentation in Plänen, Fotos und Zeichnungen.

Einen der lichtesten Ausblicke dieses in seiner nüchternen Aufzählung
eindrücklichen Werkes bietet die Beschreibung der Templerburg
Latrun, die im Mittelalter mit der Makkabäerburg Modin identifiziert
, später als ehemaliger Schlupfwinkel des reuigen Schächers (Dis-
mas) angesehen wurde, von .wo aus er die Passanten überfiel und
beraubte, und wo heute ein Trappisten-Kloster als Ökumenismus-
Zentrum sich bemüht, das Zusammenleben von Menschen verschiedener
Religionen und Rassen im Geiste der Brüderlichkeit zu verwirklichen
(S. 146-148).

Greifswald Hans Georg Thümmel

Christliche Kunst und Literatur

Dassmann, Ernst: Paulus in frühchristlicher Frömmigkeit und Kunst.

Opladen: Westdeutscher Verlag 1982. 50 S„ 19 Abb. gr. 8*. = Vorträge
. Rheinisch-Westfälische Akademie der Wissenschaften: Gei-
steswiss., G 256. Kart. DM 22,-.

Dassmann geht zunächst den archäologischen Spuren von Kult-
und Gedächtnisorten in Griechenland und Kleinasien nach und muß
feststellen, daß diese dürftig sind und kaum über das 5./6. Jh. zurückreichen
. Auch die Pilgerberichte ergeben nicht mehr. Pauluskirchen
sind selten, am ehesten erscheint Paulus im Patrozinium mit Petrus
verbunden, und das gilt dann auch für die Darstellung. Weiterhin
begegnet Paulus im Gefolge von Thekladarstellungen.

Das ist alles richtig. Völlig unverständlich ist mir jedoch der leitende
Gesichtspunkt geblieben. Die wichtigsten Zeugnisse und
Denkmäler sind von vornherein ausgeschlossen worden, ohne daß
dies an irgendeiner Stelle gesagt oder begründet würde. Dagegen