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Ausgabe:

1983

Spalte:

439-441

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Lesick, Lawrence T.

Titel/Untertitel:

The lane-rebels 1983

Rezensent:

Nowak, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 6

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Der 2. Teil der Arbeit enthält einen Überblick über R.' literarisches
Schaffen, einschließlich der Pseudonymen und anonymen R.-Schriften
. Für R.' Identität mit den Autoren Symon Hessus und Henricus
Phoenicus bringt L. neue Argumente bei. Die Flugschrift „Ain
schöner dialogus. Cuntz und Fritz" glaubt L. auf Grund eines Augsburger
Manuskripts (Druckvorlage?) R. absprechen zu müssen. Die
sehr detailliert gearbeitete Bibliographie enthält 92 Handschriften
und 144 Drucke sowie 16 R. zugeschriebene Drucke. Verzeichnisse
der Erstdrucker, der erfaßten Archive und Bibliotheken, der verwendeten
Literatur und Personenregister schließen sich an.

L. hat mit vielen Unsicherheiten und Unklarheiten in der Quelleninterpretation
aufgeräumt und mit seiner Bibliographie der künftigen
R.-Forschung eine solide Grundlage zur Verfügung gestellt. Dafür
gebührt ihm Dank. Eine Reihe von Wünschen läßt aber auch L.s Arbeit
offen. So befriedigt seine Bibliographie letztlich noch nicht, da
offensichtlich kein Fachmann für Druckbestimmung konsultiert
wurde. Die Abkürzung „Aufl." steht als Sammelbezeichnung für
unterschiedliche Nachdrucke und Übersetzungen (z.B. 366f)- Die
Titelveränderung der Erfurter Ausgabe von Druck 47 ist nicht verzeichnet
(376). Druck 52 stammt von S. Ruffin Augsburg. Ein Nachdruck
von N. Schmidt in Leipzig ist ebensowenig verzeichnet wie die
Exemplare in Edinburgh, 's- Gravenshage, Jena, in der Lutherhalle
Wittenberg (377). Exemplare sind ebenfalls zu ergänzen bei Druck 70
(Ithaca), 71 (Amsterdam), 106 (Yale Univ.), 129 (Amsterdam, Ithaca,
Yale Univ.), 143 (Zeitz). Im darstellenden Teil hat sich L. durch sein
starkes Engagement leider immer wieder zur Überinterpretation der
Quellen verleiten lassen, obgleich er dies gerade der bisherigen
R.-forschung zum Vorwurf macht. Das führt zu einer Reihe von dramatisierenden
Überschriften (93, 96, 138 u. ö.), zu Verkürzungen
(z. B. 141) und zu überstreckten Folgerungen (259f, 265, 287 u. ö.).
Vom argumentum e silentio wird reichlich Gebrauch gemacht, um R.'
zentrale Rolle, vor allem während des Augsburger Reichstages, herauszuarbeiten
. Viele Formulierungen wären kritisch anzufragen, z. B.
die von der „Achse Rhegius-Peutinger-Hölz" (159) oder die vom
„Melanchthon-Rhegius-Flügel" (290 u. ö.). Fragen löst auch die
Schilderung der Rolle Kurfürst Johanns (227ff u. ö.), des angeblich
überparteilichen Verhaltens Karl V. (225, 237), der Haltung Siegmunds
von Dietrichstein (260-262), der Behandlung der Priester-
ehenfragen (279-290) u. a. Vorgänge während des Reichstages aus.
Man wünschte sich eine genauere Berücksichtigung der städtischen
Verhältnisse in Hall und Augsburg, wenn die Quellen über R.' Wirken
interpretiert werden. Andererseits hätte L.s Arbeit an so manchen
Stellen Kürzungen gut vertragen, z. B. wenn L. von ihm korrigierte
Auffassungen so häufig in ausführlichen Zitaten vorführt (105.236.
u. ö.). Die Fakten des Predigtverbots während des Reichstages werden
breit referiert, um „unrichtiger Legendenbildung" (!) entgegenzuwirken
(218 ff), aber über die Gründe des Verbots erfährt der Leser
nichts. Die breite Darlegung über den „Einzug des Fürsten und des
Kaisers" (201-211) trägt für das Thema von L.s Arbeit nichts aus. Der
Wert vieler wichtiger Einzelergebnisse wird durch die kritischen
Bemerkungen nicht geschmälert.

Berlin Siegfried Bräuer

Kirchengeschichte: Neuzeit

Lesick, Lawrence Thomas: The Lane Rebeis: Evangelicalism and
Antislavery in Antebellum America. Metuchen, N.J.-London:
Scarecrow Press 1980. XI, 278 S. 8° = Studies in Evangelicalism,
2. Lw.$ 15.-.

Die vorliegende Studie ist Bestandteil eines Programms, das sich die
Erforschung der evangelikalen Bewegung in Nordamerika zum Ziel
gesetzt hat. Da die Studies in Evangelicalism erst 1980 mit der Arbeit
von Melvin E. Dieter: The Holiness Revival of the Nineteenth Century
, eröffnet wurden, wird es nicht überflüssig sein, die Herausgeber,

Donald W. Dayton (Northern Baptist Theological Seminary. Lombard
/Illinois) und Kenneth E. Rowe (Drew University Madison, New
Jersey), zu zitieren: "Thisseries will explore its (seil.: Evangelicalism)
roots in the Evangelical Revival and Awakenings of the 18th Century,
its 19th-century blossoming in revivalism and social reform, and its
20th-century developments in both sect and 'mainline' churches. We
will be particulary concerned with emphasizing the diversity within
Evangelicalism-thesearch for holiness, the Millenial traditions, Fun-
damentalism, Pentecostalism and so forth" (Lesick, vii). Unbeschadet
der tiefgreifenden Verschiedenheiten des soziokulturellen Kontexts,
die gerade auch dem deutschen Kirchenhistoriker vor Augen stehen,
kann die Kenntnisnahme der Studies ein Beitrag zu der seit längerem
geforderten Zusammenschau der europäischen und transatlantischen
Erweckungsbewegungen sein, um so die Frömmigkeitsaufbrüche am
Ende des 18. und im 19. Jahrhundert aus ijirer nationalen Vereinzelung
herauszulösen und zu einem integrativen (wenngleich sicher
phasenverschobenen) Gesamtbild zu verdichten. ' •

Inhalt von Lesicks Buch sind die Debatten im Lane Seminar zur
Sklaverei von 1834. Sie endeten mit einem Exodus jener Studenten,
die sich der Antisklaverei-Bewegung anschlössen und deswegen mit
den Autoritäten des Seminars in einen unüberbrückbaren Konflikt
gerieten. Mit der Herausgabe des "Statement of the Reasons Which
have Induced the Students of Lane Seminary to dissolve Their Con-
nection with that Institution" warder Lane-Rebellion ein Platz in der
Geschichte der amerikanischen Antisklaverei-Bewegung gesichert.
Den Lane Rebeis sind, wie Lesick unterstreicht, seit der Publikation
von Gilbert H.Barnes: The Antislavery Impulse, 1830-1844. New
York 1933 (Reprint 1973) keine speziellen Untersuchungen mehr gewidmet
worden. Lesicks aus den Seminar-Akten und^iinschlägigen
Archivalien anderer Provenienz gearbeitetes Buch bietet eine um ver-
laufsgeschichtliche Vollständigkeit bemühte Gesamtdarstellung. Das
Material ist übersichtlich/man möchte sagen mit didaktischer Clarte
aufbereitet. Kap. I schildert die Lane-Affaire im Abriß. Die
Kap. II—IV zeichnen die Anfänge des Lane Seminars, seine innere
Lage und das gesellschafts- und kirchenpolitische Kräftefeld im nahegelegenen
, prosüdlich eingestellten Cincinnati, die Vorgeschichte der
Lane-Rebellion und ihren schließlichen dramatischen Verlauf nach.
Kap. V erörtert die Beziehungen zwischen Evangelicalism und
Antislavery. Kap. VI bietet Summary und Conclusion. Eine ausgewählte
Bibliographie und ein ausführlicher Index der Personen und
Sachen runden das Buch ab.

Als auslösende Momente für die Antisklaverei-Bewegung am Lane
Seminar - sie äußerte sich u.a. in Einsätzen der Studenten in den
Schulen von Cincinnati zugunsten der Schwarzen, in Fluchthilfe für
entlaufene Sklaven und der Verbreitung von Propagandamaterial -
nennt Lesick neben einer Reihe gesellschaftlicher Faktoren den Einfluß
von Theodore Weld, der wiederum von der Erweckungsfrömmig-
keit Charles G. Finneys inspiriert war. An dieser Stelle liegt der
vielleicht wichtigste Erkenntnisgewinn des Buches. Nach Lesick
wurde Finneys Bedeutung für die Antisklaverei-Bewegung bisher
"minimized because of his personal unwillingness to make abolition
his predominant concern" (84). Lesick zeigt, daß Sklaverei für Finney
"manstealing, the theft of another life, labor, and soul for one's own
self-gratification" (85) war, und untrennbar mit seiner Theologie von
der moralischen Herrschaft Gottes und seiner Sündenlehre zusammenhängt
. Allerdings habe Finney sich in Abgrenzung gegen „Radikalisierungen
" geweigert, das Anliegen der Antisklaverei-Bewegung
bis in alle erforderlichen gesellschaftlichen Konsequenzen hinein mitzutragen
. Eine Forcierung der Antisklaverei-Bewegung sah er als
schädlich für das evangelikale Anliegen an. Am Entwicklungsweg
einer Reihe von Lane-Rebellen nach 1834 zeigt Lesick die durchaus
nicht problemlosen Korrelationen zwischen evangelikaler Haltung
und Antisklaverei. Bei den meisten knickte die "full-time antislavery
action" (235), wohl nicht zuletzt durch Finneys eigene Haltung bedingt
, in ein moderiertes Engagement im Rahmen des geistlichen
Amtes ab. Zum geringeren Teil endeten die Lane-Rebellen, zuvörderst