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Ausgabe:

1983

Spalte:

21-22

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Hayes, John Haralson

Titel/Untertitel:

An introduction to Old Testament study 1983

Rezensent:

Kaiser, Otto

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Seite 1

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Theologische üteraturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 1

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Altes Testament

Hayes, John H.: An Introduction to Old Testament Study. London:
SCM Press 1982.400 S. 8 Kart. £ 5.95.

Die britische Ausgabe der zuerst 1979 von der Abingdon Press in
Nashville veröfFentlichteh Einführung in das Studium des Alten
Testaments des an der Emory University in Atlanta lehrenden Alt-
testamcntlers John H. Hayes belegt den verdienten Erfolg eines
Buches, das den Anfänger im besten Sinn des Wortes in seinen Gegenstand
einführt, indem es die gegenwärtigen wissenschaftlichen Fragestellungen
aus ihrer geschichtlichen Herkunft verständlich macht, die
verschiedenen Lösungsversuche mit ihren Argumenten War darstellt
und schließlich ein ebenso präzises Resümee zieht. Da sich der Autor
nicht das Ziel gesetzt hat, mit einer herkömmlichen Einleitung zu
konkurrieren, wird man ihm a priori eine größere Freiheit bei der
Auswahl und Unausgeglichenheit bei der Behandlung der Stoffe
zubilligen müssen. Wenn von den insgesamt zehn Kapiteln des
Buches die ersten vier dem Kanon, der Textkritik, der Entstehung der
historisch-kritischen Forschung und der hier als "Form Criticism"
bezeichneten Formgeschichte gewidmet sind (S. 15-154), während die
folgenden sechs dem Pentateuch, den Geschichtsbüchern, der israelitischen
Prophetie, den Psalmen, der israelitischen Weisheitsliteratur
sowie Daniel und der jüdischen Apokalyptik gewidmet sind
(S. 155-389), wird dreierlei deutlich: 1. steht bei dem Aufbau des
Buches die herkömmliche Unterscheidung zwischen allgemeiner und
Spezieller Einleitung Pate; 2. tritt die literarische Seite bei der Behandlung
der Prophetie in den Hintergrund. In der Tat ist diesem Kapitel
nicht einmal ein Überblick über die Prophetenbücher, das vermutliche
Alter ihrer Namensgeber und ihren generellen Aufbau beigegeben
. - 3. zeigt schon die Einordnung des Danielbuches hinter dem
der Weisheitsliteratur gewidmeten Kapitel, daß Hayes die Apokalyptik
stärker mit der Weisheit als mit der Prophetie verbindet. Die
Akzentsetzung verschiebt sich hier in der neuesten Forschung jeweils,
wenn man von der Frage nach den Wurzeln des apokalyptischen Geschichtsglaubens
oder von der Beurteilung der sich in ihren Schriften
niederschlagenden Geistesbeschäftigung ausgeht. Ist das erkannt, ist
der Gegensatz aber auch nicht unüberwindlich, sondern deutlich, daß
sich beide Fragestellungen nicht ausschließen, sondern ergänzen.

Es ist für den Rezensenten eines derartigen Werkes wohl immer ein
leichtes, auf Unausgeglichenheiten in der Stoffauswahl und Stoffbehandlung
hinzuweisen. Der des vorliegenden Buches möchte es
angesichts von dessen erklärter Absicht nur mit größter Zurückhaltung
und gleichsam unter dem Gesichtspunkt, welche weiteren Informationen
er schon dem Anfänger gegeben wünschte, tun und damit
vielleicht dem Autor diese oder jene Anregung für eine etwa fällige
Neubearbeitung seines Werkes geben; denn ein solches, auf die Darstellung
der wissenschaftlichen Diskussion hin angelegtes Buch kann
gerade in unserem Jahrhundert mit seiner vermehrten Zahl an Forschern
und seiner immer stärker internationalisierten Forschung
kaum ein Jahrzehnt unverändert überdauern. Bei einer solchen Gelegenheit
wären etwa im 2. Kapitel ein paar zusammenhängende Sätze
über die Targumim, die Vulgata und die anderen alten Versionen am
Platze, um schon dem Anfänger einen Eindruck von der Breite und
Verzweigung der Textüberlieferung zu geben. Vielleicht fände im
4- Kapitel in dem Abschnitt über die formgeschichtlichen Forschungen
zum israelitischen Recht auch eine Seite über den Dekalog ihren
Platz, zu dem der Student in der Regel eine persönliche Bindung
besitzt und über den er so-schncll wie möglich auch das wissenschaftliche
Urteil kennenlernen möchte. Im 6. Kapitel wünschte sich der
Rezensent einen Bericht über die wissenschaftliche Diskussion über
die Entstehung des Esrabuches, seiner aramäischen Sammlung und
die sog. Esramemoiren und schließlich einen Hinweis auf das Problem
der zeitlichen Abfolge von Esra und Nehemia. Daß das 7. Kapitel
auch unter den Gesichtspunkten einer konventionellen Prophetenforschung
der Ergänzung im Sinne einer knappen, aber konkreten
Einführung in die Prophetenbücher und die ihnen mindestens partiell
zugrundeliegenden Aufbauschemata bedürftig erscheint, wurde oben
bereits angedeutet. Der Raum für diese Ergänzungen ließe sich z. B.
durch Straffungen in dem Referat über die Quellen des Deuteronomistischen
Geschichtswerkes oder der Inhaltsangaben von Dan 1-6
gewinnen.

Einen grundsätzlichen Mangel des so intelligenten und dank der Ausgewogenheit
seiner Urteile sympathischen Buches dürfen wir an dieser Stelle nicht
übergehen: Gewiß hat der Vf. seine guten, im Ausbildungsstand seiner erwarteten
Leserschaft liegenden Gründe, wenn er in seinen Litcraturhinweisen
grundsätzlich nur englisch vorliegende Werke berücksichtigt, obwohl man
schon hier die Frage aufwerfen darf, ob man gut beraten ist, seinen Studenten
den zwar gelegentlichen, aber ebenso nachdrücklichen Hinweis darauf zu ersparen
, daß mit einer Sprache auch heute nicht um die Welt zu kommen ist. - Bei
der Darstellung der Forschungslagc erweist sich das Verfahren, nur englisch
vorliegende Werke zu benutzen, jedenfalls als sachlich unangemessen, weil es
notwendig zu schweren Lücken und Verzeichnungen fuhrt. Zudem bestand in
den meisten Fällen durchaus die Möglichkeit, den Leser auf hinreichende Referate
über den Stand der Forschung in englisch vorliegenden Werken zu verweisen
. Wiederum ohne den Anspruch der Vollständigkeit und Systematik mache
ich im obengenannten Sinne künftiger Verbesserung auf folgende Lücken aufmerksam
: Wer über die sich an Gunkcls Gattungsbeschreibungen anknüpfenden
Diskussionen berichtet, sollte das auch anläßlich seines Referates über Alts
apodiktisch und kasuistisch formuliertes Recht tun; denn auch hier ist die Forschung
nicht stehengeblieben. Martin Noths Hypothese von der im wesentlichen
einen Redaktion des sog. Deutcronomistischcn Geschichtswerkes ist mit
erheblichen Sachkonsequenzen sowohl für das Bild der frühen, vorschriftlichen
Prophetie wie z. B. für das Alter der Nathanverheißung von 2Sam 7 in einer
ganzen Serie von Arbeiten europäischer Alttestamentler zwischen Jerusalem
und Helsinki und nicht zuletzt auch in Göttingen und Marburg kritisiert und
modifiziert worden. Daß sich das Bild in Kürze noch einmal ändern wird, wenn
Ernst Würthwein seine einschlägigen Forschungen mit dem zweiten Band seines
Königskommentars zusammenfassen wird, sei bereits angedeutet. Vielleicht
spricht es sich dann herum, daß es zureichende Gründe für die Bestreitung einer
josianischen Reform auf der Grundlage des Deuteronomiums wie der prosalomonischen
Tendenz der ursprünglichen Thronfolgeerzählung gibt. Das
eigentlich Faszinierende an der gegenwärtigen Forschungssituation ist die Erkenntnis
, wie sich zunehmend die Redaktionskritik vom Pentateuch bis zu den
Psalmen als die aktuelle europäische Fragestellung durchsetzt und es dabei z. B.
auf dem Gebiet der Prophetenforschung zu einem neuen Verständnis des Prophetenbuches
als einem Zeugnis des eschatologisehen Glaubens und HofTens
des exilisch-nachexilischen Judentums kommt, das wie mit seinen großen Geschichtswerken
und Rechtsbüchern auch mit ihnen das Exilsgeschick zu bewältigen
suchte. Dabei mag dann fallweise die Gestalt des Propheten, wie es Siegfried
Herrmann einmal im Blick'auf'den Propheten Ezechiel gesagt hat, so hinter
dem Buch zurücktreten wie der historische Jesus hinter dem Christus des
Johanncsevangeliums.'

Aber diese kritischen, als Ergänzungswünsche gedachten Hinweise
haben nicht die Absicht, das in dem Buch tatsächlich Geleistete zu
schmälern: den Anfänger verständnisvoll und im persönlichen Urteil
zurückhaltend und damit zur eigenen Urteilsbildung auffordernd in
das Studium des Alten Testaments einzuführen.

Marburg(Lahn) Otto Kaiser

' AufS. 168 Z. 15 v.u. lies „Greifswald"; S. 255 Absatz 2 Z. I lies „Bernhard
Duhm"; S. 316 Z. 6 v. u. lies „Jerusalem" und S. 381 Z. 4 v. o. lies „character".

Long, Burke O. [Ed.]: Images of Man and God. Old Testament Short
Stories in Literary Focus. Sheffield: The Almond Press 1981. 127 S.
8* = Bible and Literature Series, 1. Kart. £ 5.95; Lw. £ 14.95.

Burke O. Long stellt in diesem kleinen Sammelband Essays und
erzählende Darstellungen von Theologen und Literaturwissenschaftlern
zu "Old Testament short stories" zusammen. Pfarrer und Laien
sollen frische Impulse erhalten, nicht durch die übliche historische
und philologische Analyse der Texte, sondern durch die Aufdeckung
der tiefen emotionalen Kraft dieser Erzählungen. "The essays in this