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Ausgabe:

1983

Spalte:

416-418

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Tröger, Karl-Wolfgang

Titel/Untertitel:

Antes, Peter, Ethik und Politik im Islam 1983

Rezensent:

Tröger, Karl-Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 6

416

als "a model for an Arab Islamic State, the practical application of
Islam in political and social life, an Islam regarded as a 'secular
religion'" (70).

2. Karin Kvideland: Dynamic and institution in the Children of
God. Im Hinblick auf das Grundthema des Symposiums hält Vfn. mit
Recht für bemerkenswert, daß die im ganzen ja so bunt schillernde
Bewegung der Children ziemlich einhellig ihren Fortbestand abhängig
sieht vom Festhalten an "existence and interaction of Charisma and
Organisation" (87).

3. Marja-Liisa Swantz: Dynamics of the spirit possession pheno-
menon in Eastern Tanzania. Vfn. zitiert zustimmend A. Shorter, der
die "significance of spirit possession cults in a process of national
unification in Tanzania " gezeigt hat (100).

Die Publikation bietet Forschungsergebnisse und Denkanstöße aus
den siebziger Jahren in Fülle, die auch für die achtziger Jahre unseres
Jahrhunderts noch von großem Wert sind, und vermittelt einen lebendigen
Eindruck von der bedeutsamen Rolle, die die skandinavische
Religionswissenschaft einschließlich der Religionssoziologie, einst
vor allem durch Nathan Söderblom initiiert, noch immer spielt. Dem
Institutum Donnerianum Aboense gebührt Dank und Anerkennung
für die Veröffentlichung als Band IX seiner „Scripta".

Leipzig Siegfried Krügel

Antes, Peter: Ethik und Politik im Islam. Stuttgart-Berlin-Köln-
Mainz: Kohlhammer 1982. 112 S. 8 Kart. DM 22,-.

Auf nur 95 Textseiten hat der Religionswissenschaftler und Islam-
kundler Peter Antes eine handliche und gut lesbare Informationsquelle
geschaffen, die man gern weiter empfiehlt. Sie ist für denjenigen
gedacht, der sich über Fragen der Ethik im Islam und die gesellschaftlichen
, politischen, kulturellen Ursachen, Einbindungen und Auswirkungen
von muslimischen Verhaltensweisen orientieren will. „Dieses
Buch", bemerkt Vf. einleitend, „will keine Einführung in den Islam
im üblichen Sinne sein. Es möchte vielmehr jene Aspekte der islamischen
Religion behandeln, die das Handeln des Einzelnen wie der
Gemeinschaft betreffen und die im europäischen Sprachgebrauch
gewöhnlich durch die Begriffe ,Ethik' und .Politik' benannt werden"
(9). Infolge der Spezifik islamischer Ethik und der Komplexität von
Religion und Gesellschaft im Islam wird manches behandelt (und
muß behandelt werden), was nach der traditionell europäischen Vorstellung
von „Ethik" nicht dazuzugehören scheint, z. B. das Kapitel 2
„Der Islam zur Zeit Mohammeds".

Vf. kann sich bei seinen Ausführungen auf zwei seiner früheren
Arbeiten stützen: „Ethik im Islam", erschienen 1980 in dem von
C. H. Ratschow herausgegebenen Sammelband „Ethik der Religionen
", und „Der Islam als politischer Faktor" (ebenfalls 1980). Dem
Autor geht es nicht darum, die Vielfalt ethischer Verhaltensweisen
und die Fülle einzelner Gebote und Weisungen innerhalb des Islam
darzustellen, sondern „das Grundmodell nachzuzeichnen, aus dem
sich alle diese Entwürfe (sc. die diversen „Einzelkonzepte", K.-W. T.)
auf je eigene Art speisen, so daß es leichter wird, die verschiedenen
Gruppen zu orten und zu begreifen, welche Herausforderung ein zu
neuem Selbstbewußtsein erwachter Islam für die Welt von heute und
morgen bedeutet" (95).

Bevor Vf. auf die islamische Religion und Gesellschaft zur Zeit
Mohammeds eingeht, führt er den Leser in einem 1. Kapitel in „Ethik
und Politik im Islam aktuell", also heute, ein. Er macht einerseits
deutlich, wie wenig das Islam-Bild des Westens und moderne Schlagworte
wie „Re-Islamisierung" den tatsächlichen Verhältnissen im
islamischen Bereich entsprechen und zeigt andererseits, was die
Begegnung mit Europa für die orientalischen Muslime bedeutete, wie
das Erlebnis „westliche Dekadenz" zur Selbstbesinnung der Muslime
auf ihre eigenen Werte beitrug, welche Wechselwirkungen bestehen,
deren Kenntnis für eine angemessene Beurteilung des Islam heute,
speziell solcher Phänomene wie die iranische Revolution, die Wirksamkeit
der Moslembrüder und mancherlei Vorgänge in der islamischen
Welt äußerst wichtig ist. Die Abschnitte sind überschrieben:
1. Islam und Entwicklung, 2. Der Islam in der Gegenwart als Herausforderung
an unser Denken, 3. Europa aus islamischer Sicht, a) „Verwestlichung
" als Dekadenz, b) Der Kapitalismus, c) Das ideologische
Vokabular, d) Der Massentourismus (und seine verheerenden Folgen
- K.-W.T.). Kapitel 2 „Der Islam zur Zeit Mohammeds" behandelt
den Koran als Offenbarungsquelle, das Verhältnis von „Monotheismus
und Ethik", Mohammeds Wirksamkeit in Mekka und Medina,
darunter die „Verfassung von Medina", die Anthropologie des
Korans, u. a. das Problem von Prädestination Und freiem Willen, und
die religiösen Pflichten (also die fünf Säulen des Islam). Kapitel 3 ist
der Ethik des einzelnen gewidmet, wie sie durch Koran, Sünna und
andere Quellen bestimmt wird (zum „islamischen Dekalog" s. 44 ff).
Vf. betont, daß Ethik und Religion eine untrennbare Einheit bilden
und „Ethik" im Islam grundsätzlich bedeutet, sich dem offenbarten
göttlichen Willen angemessen zu verhalten, also nicht, „eine Philosophie
des Guten zu entwickeln, aus der das Verhalten im einzelnen
ableitbar wäre" (41). Das 4. Kapitel betrifft „Das Leben in der Familie
": die Stellung der Frau, Ehevorschriften, Eheschließung und Scheidung
, Geburtenkontrolle und Abtreibung, Kindererziehung. Kapitel
5 bespricht unter der Überschrift „Das Leben in der Gemeinschaft
" zunächst die Forderung nach der „wahren Gerechtigkeit"
(gleiches Recht für alle), sodann das Wesen des islamischen Staates
(„Islamisches Führungsprinzip und Demokratie"), den Status der
nicht-islamischen Religionen, die islamische Wirtschaftsordnung und
Wirtschaftsethik und das Verhältnis der Muslime zu anderen Staaten
(u. a. das Dschihad-Problem). Im letzten (6.) Kapitel „Das Ideal und
die Wirklichkeit" geht Vf. kurz auf die Entwicklung des Islam bis zur
Gegenwart (geographische Ausbreitung, Zahlen) sowie auf die diversen
Richtungen und Gruppierungen innerhalb des Islam ein: Rechtsschulen
und ihre Institutionen, die Wahhabiten, die Bruderschaften
(Sufismus), die Schiiten (88-94 mit wichtigen Hinweisen zum Verständnis
schiitischer Theologie und Politik). Hier ist kritisch anzumerken
, daß der Leser über „Die Anfänge" (881) von Sunniten,
Schiiten und Charidschiten kein klares Bild bekommt; besser wäre
hier wohl ein kurzer chronologischer Abriß der Ereignisse, die zur
Herausbildung der drei Richtungen führten. Die polemische Bemerkung
über die NichtUnterwanderung der Tariqas in Mittelasien sollte
in einer neuen Auflage durch eine kurze Information über die heutigen
Strukturen des Islam in der Sowjetunion ersetzt werden. Die
Publikation schließt mit Bemerkungen zur „Einheit und Vielfalt" des
Islam. Dem folgen 13 Seiten Anmerkungen mit einer Fülle wichtiger
Hinweise und Literaturangaben, die für die Vertiefung der vom Vf.
gegebenen Anregungen sehr wertvoll sind, und ein Register.

Innerhalb seiner Ausführungen läßt Vf. viele muslimische und
nicht-muslimische Autoren und Autoritäten zu Worte kommen -
wobei man nicht immer einsieht, warum solche Zitate seine eigene
Darstellung ersetzen. Das prägt den Stil der Publikation und zeugt von
der Bescheidenheit ihres kundigen Verfassers, und es hat den Vorteil,
daß jene Autoren, deren Bücher nicht jeder zur Hand hat, authentisch
vorgestellt werden. Man wünscht dieser Publikation Breitenwirkung,
auf daß das Urteil vieler Menschen über den Islam und die Muslime
durch ein Mindestmaß an Sachkenntnis sachlicher werde!

Berlin Karl-Wolfgang Tröger

Altes Testament

Oberforcher, Robert: Die Flutprologe als Kompositionsschlüssel
der biblischen Urgeschichte. Ein Beitrag zur Redaktionskritik.
Innsbruck-Wien-München: Tyrolia Verlag 1981. 677 S. 8' = Innsbrucker
theologische Studien, 8. Kart. ÖS 850.