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Ausgabe:

1983

Spalte:

396-397

Kategorie:

Praktische Theologie

Titel/Untertitel:

Diakonie, Aussenseite der Kirche 1983

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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395

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

396

Gottesdienstform gewachsen, welche ganz der Taufaktualisierung gilt.
Dieser Gottesdienst (förnyelsegudstjänst) kann entweder separat oder
im Rahmen von Konfirmationen und Taufgottesdiensten gefeiert
werden. Er zielt entweder auf einzelne Personen oder auf die ganze
Gemeinde, gibt Möglichkeiten für ein persönliches Glaubenszeugnis
der Erneuerung aus der Taufe und so zugleich zur Sendung zum
Dienst in der Welt in der Kraft des Geistes - gegebenenfalls mit
Handauflegung und Gebet. Der Vorschlag eines solchen Erneuerungsgottesdienstes
gehört zu den Bestrebungen, der Taufe ihren zentralen
Platz im Gottesdienst - und Frömmigkeitsleben wiederzugeben.
Zudem wird einem menschlichen und christlichen Bedürfnis entsprochen
, das bisher in der lutherisch-liturgischen Tradition dahinwelkt
: Das persönliche und gereifte Glaubenszeugnis eines Einzelnen
im Gottesdienst. Darüber hinaus meint die schwedische Kirche mit
der Einrichtung solcher Gottesdienste gewisse geistliche Fehlentwicklungen
am Rande der Kirche verhindern oder stoppen zu können,
etwa die „Wiedertaufe" als Abart innerhalb der charismatischen
Bewegung.

4. ) Trauung. Bemerkenswert in der neuen Trauordnung ist der
Trend, die Trauung in den Gottesdienst der Gemeinde einzubeziehen.
Es gibt sogar ein Formular für den Abendmahlsgottesdienst mit
Trauung (mässa med vigsel). Bei allem gilt, daß die Eheschließung,
wie Luther einmal sagte, „ein weltlich Ding" ist. Kirchliche oder
bürgerliche Eheschließung wiegen gleich. Das gilt heutzutage auch für
das schwedische Bischofskollegium, das sich (1973) auf eine Definition
dessen einigen konnte, was Ehe ist: „Das gemeinsame und freie
Leben zweier freier und gleichberechtigter Individuen unter dem
Schutz eines einmal gegebenen Versprechens." Wie dieses Versprechen
abgegeben werden soll, scheint eine geringe Rolle zu spielen.
Die Hauptsache ist, es geschieht öffentlich und in einer von der
Gesellschaft anerkannten Form. Eine Konsequenz dieser Erkenntnis
ist die im kirchlichen Trauformular vorgesehene Konsensuserklärung
der Brautleute als die eigentliche Mitte des Trauaktes. Daraus ergibt
sich für die Brautleute die Möglichkeit, ihre Konsensuserklärung
selbst zu formulieren. Das ist neu in der Agende aufgenommen. Ebenfalls
erstmals gibt es die Möglichkeit der Mitwirkung von Angehörigen
im Traugottesdienst, etwa bei Lesungen oder Gebeten. Seltsam
erscheint es dem Rez., daß bei den biblischen Lesungen über den
Sinn des Ehestandes kein Hinweis auf die Unauflöslichkeit der Ehe
erfolgt, und daß auch in der Vorlage für die Konsensuserklärung von
den 3 Alternativvorschlägen gerade derjenige, der den Pfarrer die
Eheerklärung vorsprechen läßt, ohne Hinweis auf lebenslange Dauer
bleibt. In der theologischen Grundbesinnung über christliche Eheauffassung
hieß es zwar: „Zu den Pflichten des Ehestandes gehört als Voraussetzung
der Wille der Ehepartner zu lebenslanger Treue." (S. 182)
Jedoch ist diese Erkenntnis in der Vorlage der Kommission kaum
berücksichtigt. Eine Vermahnung im eigentlichen Sinne - vergleichbar
etwa den Agenden im deutschen Sprachraum - an das Brautpaar
gibt es nicht. Abgesehen vom Ringewechsel, dessen Symbolwert sich
als sehr konstant erwiesen hat, werden einige andere Symbolhandlungen
genannt, z. B. das Einschreiben der Brautleute in ein
Traubuch, das Entzünden einer Traukerze (Übernahme aus der
Griech.-Orth. Kirche) oder den Handschlag der Brautleute.

5. ) Begräbnis. Die Begräbnisordnung wurde erarbeitet unter
Berücksichtigung der internationalen Entwicklung und der in Beilage
5 veröffentlichten theologischen Erwägungen. Aus letzteren geht hervor
, daß das schwedische Ritual im internationalen Vergleich eine
Sonderstellung einnimmt. Der bisherige Terminus Jordfästning"
(Erdbestattung) ist der neuen Bezeichnung „begravningsgudstjänst"
(Begräbnisgottesdienst) gewichen. Wie alle neueren Bestattungsordnungen
das österliche Auferstehungsmotiv betonen, so knüpft
auch die neue schwedische Ordnung an diese Entwicklung an, indem
sie in der Osterbotschaft das dominierende Motiv sieht. „Die Liturgie
der Kirche kann nicht beim Tod, beim Vermissen und bei der Erinnerung
stehen bleiben. Sie muß das Licht der Ewigkeit über diese
menschlichen Ereignisse werfen, klar und doch liebevoll, damit der

Tod in ein Tor zur Ewigkeit verwandelt wird: Christi Tod und Auferstehung
, die Vereinigung des Christen mit ihm durch Taufe und Glauben
, die Hoffnung der Auferstehung und das ewige Leben." (S. 191)
Das neue Bestattungsritual gibt diesem Leitgedanken in der Tat auf
eine sehr wirklichkeitsnahe Weise Ausdruck. Es sieht den „Trauerfall
" in größerem Zusammenhang als nur zum Zeitpunkt des Begräbnisses
. Es versucht, der pastoralen Aufgabe bereits am Sterbebett und
noch nach dem Beisetzungsgottesdienst mit Andachten im Trauerhaus
gerecht zu werden. In diesem Zusammenhang ist erwähnenswert,
daß neben der Bestattungsformel von 1942 nun mehrere Varianten
vorgeschlagen sind. Die erste schließt mit einem Auferstehungswort,
eine weitere Alternative, aus Herrnhuter Tradition übernommen, enthält
die Lesung von IKor 15,42-43. Eine vierte Möglichkeit enthält
den Versuch einer Neuformulierung aus christlichem Schöpfungsund
Auferstehungsglauben heraus. Sie hat folgende Fassung: „Du hast
ihm das Leben gegeben. Nimm ihn auf in deinen Frieden. Schenke
ihm um Jesu Christi willen eine freudenvolle Auferstehung." Hierbei
kann der Pfarrer statt des dreimaligen Erdwurfes das Zeichen des
Kreuzes über dem Sarge anwenden.

Der Rezensent ist sich bewußt, dieses in 14 Jahren von einer Expertenkommission
erarbeitete, vielfach erprobte und kritisierte Reformwerk
für die kirchlichen Handlungen in der Kirche von Schweden
lediglich in einigen Aspekten ansprechen zu können. Er ist der Überzeugung
, daß die vorliegende Agendenrevision zumindest für das
Gespräch in denjenigen von der Reformation geprägten Kirchen von
außerordentlicher Bedeutung ist, die selbst gegenwärtig um die Neugestaltung
der kirchlichen Handlungen bemüht sind.

Weimar Hans Reder

Praktische Theologie: Diakonik

Lukatis, Ingrid, und Ulrich Wesenick [Hrsg.]: Diakonie - Außenseite
der Kirche. Sozialarbeit im Kirchenkreis zwischen Anspruch und
Wirklichkeit. Gelnhausen-Berlin-Stein: Burckhardthaus-Laetare
Verlag. 1980.266 S. gr. 8'. Kart. DM 29,-.

Der Untertitel des Buches bezeichnet das Kernproblem: Was wird
von kirchlicher Sozialarbeit erwartet, und was kann sie von ihrem
Selbstverständnis und ihren Möglichkeiten her leisten? Die Fragen
nach der Zielstellung und den notwendigen Prioritäten stehen im
Mittelpunkt der empirischen Untersuchung, die den Hauptteil des
Buches ausmacht. Die hauptamtlichen Sozialarbeiter in den Kirchenkreisen
sowie die Superintendenten der Ev.-luth. Landeskirche
Hannovers wurden über Struktur, Aufgaben und Ziele sowie Probleme
und Veränderungsmöglichkeiten sozialer Diakonie auf
Kirchenkreisebene befragt. Dabei zeigt sich eine hohe Identifikation
der Sozialarbeiter mit ihrer Arbeit, aber auch ungenügende Unterstützung
beim Setzen der Prioritäten und seitens der Gemeinden. Die
Kontaktmöglichkeiten sind zwar reich, aber auf Gemeindeebene
reichen sie nicht aus, der Kreis der Mitwirkenden und an Entscheidungen
Beteiligten ist zu klein. Die Probleme sind denen der Pfarrer
sehr ähnlich. Zu ihnen gehören Mitarbeitermangel, Kommunikationsprobleme
zwischen den Leitungsebenen sowie Status- und
Hierarchieprobleme. Trotzdem überwiegt der Eindruck, daß die
Arbeitsmöglichkeiten positiv eingeschätzt werden und die Bewältigung
vorhandener Mängel möglich ist. Verglichen mit früheren
Untersuchungen zur innerkirchlichen Kommunikation kann man
eine Verbesserung der Beziehungen beobachten. Damit ergeben sich
gute Voraussetzungen dafür, die stets neu aktuelle Frage nach dem
Proprium der Diakonie produktiv aufzuarbeiten.

Die Frage nach den Zielstellungen von Diakonie und Sozialarbeit
und damit nach dem Selbstverständnis beider zieht sich durch das
Buch. K.-F. Daiber geht diesen Grundfragen nach, indem er theologische
, historische und soziologische Gründe für die Diskrepanz