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Ausgabe:

1983

Spalte:

383-385

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Tillich, Paul

Titel/Untertitel:

Tillich-Auswahl 1983

Rezensent:

Moritz, Hans

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383

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

384

Evangeliums-Verkündigung und Sakramentsverwaltung aus. Von den
Pastoren werden die Doctores unterschieden, deren Aufgabe die
Schriftauslegung und die theologische Lehre überhaupt ist. Die
Leitung der Kirche obliegt den Ältesten. Das Diakonenamt hat man
gefördert, aber die Ordination ist selten angewendet worden.

Die Reformierten sind mit den Lutheranern darüber einig, daß das
äußere Wort notwendig ist. Aber während die Lutheraner das Wort als
ein Instrument betrachten, lehren die Reformierten, daß Gottes Wort
uns außen durch seine Diener lehrt, innen aber die Herzen seiner
Erwählten durch den heiligen Geist zum Glauben bewegt. Diesen
Gegensatz hat auch F.J.Stahl betont (1859). Wie er in ein
Ergänzungsverhältnis gebracht werden soll, ist bisher unklar. Die
Verfasser sind sich dessen bewußt, daß man Engführungen riskiert.

Bedeutungsvoll ist, daß ausdrücklich betont wird, daß die CA eine
Vielfalt weder thematisiert noch ausschließt. Die Leib-Christi-
Theologie kann vielleicht viel mehr benutzt werden. Daran wird nur
im Zusammenhang mit der reformierten Amtsauffassung erinnert.
Aber es wird doch betont, daß das Amt in CA 5 der Gemeinde gegeben
worden ist. Das bedeutet nicht, daß das Amt aus der Gemeinde
kommt - es kommt von Christus -, aber das Amt ist der Gemeinde
anvertraut worden. Diese ist verantwortlich. Dabei könnte man von
den beiden Konfessionen her dazu kommen, daß das Amt in der
Gemeinde in irgendeinem Zusammenhang mit allen anderen
Diensten steht. Diese Dienste sind nicht nur amtlich, sondern auch
charismatisch. Darüber wäre gewiß viel mehr zu sagen.

Die beiden Konfessionen können von einem weitverbreiteten
Amtsverständnis ausgehen. Aber die neue gesellschaftliche Situation
(in der DDR die sozialistische Gesellschaftsordnung) ist eine Herausforderung
, die gemeinsame Fragen an die beiden Konfessionen stellt.
Statt Uniformität muß man eine Vielfalt finden, die zu neuen Gestaltungen
des Amtes führen kann, und auch ein neues Bild vom Verhältnis
zwischen den Amtsträgern und den anderen Mitarbeitern.

Uppsala OlofAndren

[Tillich, Paul:] Tillich-Auswahl, hrsg. v. M. Baumotte. Mit einer Einführung
v. C. H. Ratschow. 1: Das Neue Sein. 368 S. 2: Die Zweideutigkeit
des Lebens. 302 S. 3: Der Sinn der Geschichte. 295 S.
Gütersloh: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1980. 8° = GTB
Siebenstern 426^128. Kassette Kart. DM 58,80.

Nachdem die gesammelten Werke Paul Tillichs erschienen sind
und damit für die wissenschaftliche Arbeit eine wichtige Hilfe gegeben
ist, nachdem auch die Tillichbiographie von Pauck vorliegt und nachdem
die Dokumentation zum Leben Paul Tillichs von Renate
Albrecht erschienen ist, rundet die Taschenbuch Tillich-Auswahl von
M. Baumotte die editorische Grundlage für eine Beschäftigung mit
Paul Tillichs Schaffen gelungen ab. Sicher kann diese Auswahl die
Gesammelten Werke nicht ersetzen, aber in einer Situation erneuter
Frage nach Religion und ihren Antworten auf Probleme von
Geschichte und Leben wird Paul Tillichs Werk nach wie vor aktuell
bleiben und daher auch eine gute Tillich-Auswahl ihren guten Sinn
haben.

Bei allen Einwänden, die gegen Auswahl-Ausgaben immer möglich
sind und bei denen der eine dies und der andere das vermißt oder doch
nicht genügend ausführlich dargestellt sieht, bleibt doch entscheidend,
ob eine solche Auswahl als repräsentativ für das Gesamtschaffen
gelten kann. Man kann der vorliegenden Auswahl gegenüber diesen
Anspruch, repräsentativ zu sein, uneingeschränkt bejahen. Dies kann
durchaus begründet werden, weil zunächst die Grundvoraussetzung
dieser Tillichauswahl: Hauptgesichtspunkte des Systems Tillichs:
Das Neue Sein, die Zweideutigkeit des Lebens und der Sinn der
Geschichte aufzunehmen und in jeweils einem Band vorzustellen,
einen ausgezeichneten Zugang zum Gesamtwerk ermöglicht. In
diesen drei Bänden wird dann sachlich geordnet und sind hauptsächlich
Aufsätze und Reden in ihrer vollen Länge aufgenommen.

Der Herausgeber konnte sich hierbei auf den für eine Auswahl günstigen
Umstand stützen, daß Tillichs Gesämtwerk - bis auf die
umfangreiche Systematische Theologie seiner Spätperiode - vorwiegend
in nicht so umfangreichen Aufsatzveröffentlichungen
besteht, die darum auch in ihrer vollen Länge aufgenommen werden
konnten. Durch das Verfahren, unter systematischen Hauptgesichtspunkten
zentral wichtige Veröffentlichungen Tillichs vorzustellen,
wird auch, das sei hervorgehoben, die Kontinuität über allen Wandel
der geschichtlichen Situationen hinweg sichtbar, wenn auch einige
charakteristische Akzentverlagerungen auffallen.

Wenn etwa im 3. Band, der auch einige der religiös-sozialistischen
Schriften Tillichs enthält, die Veröffentlichung von 1919: „Der
Sozialismus als Kirchenfrage" mit der von 1937: „Die Kirche und der
Kommunismus" verglichen wird, sieht man erhebliche Akzentverlagerungen
. Erst fast schwärmerische Hoffnung auf einen sozialistischen
Neuaufbruch in Kirche und Gesellschaft, dann in den USA
den „New-Deal" Roosevelts, Zurückhaltung ein politisches
Programm als christlich geboten zu legitimieren. Was doch wohl auf
eine viel strengere Trennung der Bereiche Politik und Glaube hindeutet
. Hier sind also Akzente anders gesetzt. Man ist erfreut, im
Zeichen antifaschistischer Positionbestimmung (Tillich wird gegen
Ende des 2. Weltkrieges Vorsitzender des Council for a Democratic
Germany) Feststellungen wie: „Vielleicht besteht die schwerste Probe
für den Protestantismus in der gegenwärtigen Lage darin, ob er gegenüber
dem Kommunismus eine neue bessere Haltung einnehmen wird,
als sie der Katholizismus und der Protestantismus bisher gewöhnlich
gezeigt haben" (Bd. 3, S. 197) zu finden. Da ist noch viel Bewußtheit
der Lage und konkrete Äußerung. Später geht das sicher zurück und
wird (seit 1948) ontologisch-allgemeiner.

Auch in den beiden anderen Bänden „Das Neue Sein" und „Der
Sinn der Geschichte" wird, wie der Herausgeber betont, seine
Stärke . . . „sich mit voller Geistesgegenwart auf die Situation der Zeit
einzustellen" (Bd. 1, S. 9) sichtbar. Aber vielleicht ist doch in diesen
Bänden noch stärker als im Band 3 - bei immer wieder gewandelter
Terminologie - der bleibende aus Schellings Ontologie stammende
Rahmen dominierend. Auch in den Aufsätzen und Büchern der Zeit
in den USA fällt in der vorgelegten Auswahl die persönliche und sachliche
Problematik Tillichs auf: ein deutscher Idealist in Amerika zu
sein. Auf keinen Fall nur mit schwierigen Folgen für ihn und seine
Wirkung. Im Gegenteil, seine Wirkung im Geistesleben der USA
steigt, je ontologisch-idealistischer dieses Werk Tillichs wird. Der
konkrete Politik- und Gesellschaftsbezug dagegen tritt zurück.

Es ist für die Tillichauswahl ein erheblicher Gewinn, daß sie mit
einer längeren, 93-seitigen Einleitung in Lebensgang und Werk
Tillichs einführt. Carl Heinz Ratschow hat aus einer tiefen Kenntnis
von Person und Werk Tillichs eine Einleitung geschrieben, die einen
ausgezeichneten, wenn auch kritischen Zugang zum Gesamtschaffen
Tillichs gibt. -

Er geht vom Biographischen aus. Die Zäsuren in Tillichs Lebensgang
wurden auch zur Grundlage der Darstellung der Hauptanliegen
des Tillichschen Werkes. Als Zäsuren in Tillichs Lebensgang erscheinen
: Jugend und Bildung an Sendling 1886-1916, Wende und sozialistische
Entscheidung 1916-1933, Emigration und neues Dasein
1933-1946 und das Vakaum und der Kairos der menschlichen Tiefe.
Begonnen wird aber mit einer Grundsatzüberlegung: „Von der Interpretation
der Werke Paul Tillichs". Dabei wird klar und deutlich Carl
Heinz Ratschows Interpretationsmaßstab vorgestellt: „Die Wirksamkeit
Paul Tillichs ist nur aus seiner Person und aus dem Eindruck, den
er persönlich hinterließ, zu erklären" (Bd. 1, S. 15), und weiter:
„worauf es ankommt ist... die Einheit, daß die Schriften Tillichs auf
ihn hin, auf seine Menschlichkeit hin ausgelegt sein wollen und nicht
auf die Erhellung dieser oder jener Sache" (S. 18). Es geht um
„Zuwendung", die Tillich zu seiner „Umwelt" vornahm und die „so
müssen wir sagen, ... sehr leicht mißdeutbar sind und mißdeutet
wurden" (S. 16). Diese „Zuwendung" Tillichs, die auch in seinen
Werken spürbar ist, kann auch verhindern, daß Tillich nur „ein Stück