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Ausgabe:

1983

Spalte:

375-377

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

D. Martin Luthers Epistel-Auslegung, Der Galaterbrief 1983

Rezensent:

Rogge, Joachim

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

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Werke des Sevillaners (Sententiae, Synonyma, Differentiae, De ortu et
obitu patrum) sowie auf andere spanische Autoren der westgotischen
und mozarabischen Periode als Programm hingewiesen.

In einer aufschlußreichen Einführung behandelt Andre neben den
Textfamilien (16f) die Zweiteilung des Buches in «agriculture» („res
rusticae", Kap. 1-5) und «botanique» (Kap. 6-11), wobei die Abhängigkeit
von einer Vielzahl antiker Autoren deutlich wird. Es seien nur
die Namen Varro, Vitruv, Columella, Palladius, Donatus und Servius
genannt, neben denen freilich Kirchenschriftsteller wie Augustinus,
Ambrosius und Orosius benutzt worden sind. Jedoch wurde kaum
eine Quelle direkt benutzt, vielmehr schöpfte Isidor aus Kompendien
verschiedenster Art, die Material verarbeitet hatten, das stellenweise
bis auf Homer zurückreicht. A. stellt auch mit Recht die Frage nach
dem Redakteur, der dem Bischof bei der Abfassung des 17. Buches zur
Seite gestanden haben muß und dessen «hispanite» der botanischen
Nomenklatur zufolge nicht zu bezweifeln ist (es handelt sich um
Wörter wie alica, centenum, malomellum, sarralia usw., die ihre
Entsprechungen im Spanischen und Portugiesischen haben).

Andererseits wird transparent, daß Isidor kaum nach eigener
Anschauung - die von Plinius d. Ä. bereits in den Vordergrund
gerückt wurde - urteilte und auch daher oft Klarheit vermissen läßt.
Der seinerzeitige Zustand der Landwirtschaft und der Botanik, die
ihm auf seinen zahlreichen Reisen durch die Diözese oder nach
Toledo vor Augen trat, interessierte ihn höchstens am Rande; auch
wo auf spanische Verhältnisse angespielt wird (Anm. 429 und 634),
liegt eher literarische Rezeption als eigene Anschauung vor, was indes
nicht für Isidors Gesamtwerk gilt'.

Die damals übliche oder doch immer häufiger werdende Herstellung
der einzelnen Etymologien aus Buchstaben bzw. Silben zwang zu
Verfahren, die uns sehr gekünstelt vorkommen: Zur Zusammensetzung
des Wortes (Namens) aus den Notizen verschiedener Autoren
und/oder zur Ableitung von einem scheinbar unwiderlegbaren
Grundwort. A. zeigt letzteres überzeugend, indem er Anm. 144 ein
Stemma von vis herstellt, dem folgende Wörter „entspringen": virdis,
viola, virga, vir, virgultum, virtus. Daß auf solche Weise auch bildhaft
ansprechende Etymologien entstanden und von Isidor weitergereicht
wurden, sei am Rande vermerkt: Als Beispiele mögen die nach alten
Legenden aus schönen Jünglingen in Blumen verwandelten „Göttergestalten
" Hyakinthos und Narkissos stehen (XVII 9,150-

Mit seiner Einführung und einer ausführlichen Textkommen-
tierung zeigt A., welche Probleme auch die einzelnen Bücher von
Isidors „Etymologiae" noch aufgeben. Allein schon die Art und Form
der Benutzer des Dioskurides, eines griechischen Arztes der Epoche
Neros, bleibt in vieler Hinsicht rätselhaft, obwohl Isidor ihn zweifellos
nur aus jetzt verlorenen lateinischen Übersetzungen kannte. - Es ist zu
hoffen, daß die so erfreulich begonnene Reihe mittelalterlicher Autoren
zügig fortgesetzt werden kann.

Halle (Saale) Hans-Joachim Diesner

1 S. Hans-Joachim Diesner, Isidor von Sevilla und das westgotische Spanien
(= Abh. d. Sachs. Akad. d. Wiss. zu Leipzig, Phil.-hist. Kl., Bd. 67, H.3 Berlin
1977; Trier: Spee-Verlag 1978), S. 9fT; 26fT; 31 fet passim.

[Luther, Martin:] D. Martin Luthers Epistel-Auslegung. 4. Bd. Der

Galaterbrief. Hrsg. v. Hermann Kleinknecht. Göttingen: Vanden-
hoeck & Ruprecht 1980,426 S. gr. 8°. Lw. 68,-.

Die drei längst eingeführten und gut angelegten Reihen mit Luthers
Evangelien-, Epistel- und Psalmenauslegung brauchen nicht erneut
vorgestellt zu werden (s. dazu u.a. ThLZ99, 1974/Sp. 1290- Jetzt
hat Hermann Kleinknecht, München, in deutscher Übersetzung
Luthers große Galaterbriefvorlesung von 1531 für breitere Kreise
zugänglich gemacht. Dieses Kolleg, das als Nachschrift Georg Rörers
und als lateinische spätere Ausarbeitung in WA 40,1 u. 2 bisher nur
für die Aufnahme durch einschlägig Vorgebildete vorhanden war, ist

als „Summe der Theologie des reifen Luther" (Umschlagformulierung
) bezeichnet worden und sollte deshalb auch größerer Wirkung
geöffnet werden. Die meisten Seiten des vorliegenden Bandes
(11-358) bieten - von markierten Kürzungen abgesehen - die Übersetzung
des Textes in WA, wobei eine leichte Auffindbarkeit der
lateinischen Version für Interessenten durch entsprechende Marginal-
angaben gewährleistet ist. Das kann nur mit Dank quittiert werden.

Luthers Hochschätzung für den Galaterbrief ist vielfach bezeugt. Er
sei seine Käthe von Bora, er sei sein besonderer Brief, dem er sich vertraut
habe. (8) So nimmt es nicht wunder, daß sich der Reformator des
öfteren in Vorlesungen (1516/17 u. 1531), in der weitwirkenden
Kirchenpostille und in Predigten der Galaterbriefauslegung widmete.
Dem trägt Kleinknecht in seiner Ausgabe Rechnung, indem er in
einem ausführlichen Anhang (359—408) Predigtteile über Perikopen
und Stellen aus dem Galaterbrief ab 1531 (361-386) und ebensolche,
die in der Kirchenpostille (1543/44) veröffentlicht sind (386-408),
abdruckt.

Auf die oben referierte Weise verzichtet der Herausgeber und
Bearbeiter auf die Galaterbriefauslegung des jungen Luther, der schon
im Rahmen seiner frühen Exegetica diesen zentralen Paulusbrief
behandelt hatte. Luther beförderte die Vorlesung von 1516/17, also
aus der Zeit der Entstehung seiner reformatorischen Theologie, 1519
und ein zweites Mal 1523 aufgrund einer Studentenmitschrift als
Kommentar zum Druck. Kleinknecht weist darauf hin, daß Teile
davon in deutscher Übersetzung in zwei Veröffentlichungen bekanntgemacht
worden sind: Luther Deutsch, hrsg. v. K. Aland, Bd. 1: Die
Anfänge, Stuttgart und Göttingen 1969,263-291 und Calwer Luther-
Ausgabe, hrsg. v. W. Metzger, Bd. 10: Kommentar zum Galaterbrief,
Siebenstern-TB 124/125, 1968. Für den, der die Genesis und die Entwicklung
der Theologie des Reformators kennenlernen will, wäre es
wünschenswert, wenn er Luthers Galaterbriefverständnis nicht erst
seit 1531 zur Kenntnis nähme, auch wenn er nicht in das Expertengespräch
einzugreifen beabsichtigte. Darum ist Kleinknechts Vorworthinweis
auf die anderen Ausgaben sehr zu begrüßen.

Weiterhin ist anerkennenswert, daß der Herausgeber eine Reihe im
Text vorkommender lateinischer Termini auf einer besonderen Seite
(409) erklärt. Ein Bibelstellenverzeichnis - für eine Ausgabe
vorliegender Art eigentlich auch unerläßlich - sowie ein ausführliches
Namen- und Sachverzeichnis mit reichen Seitenangaben im Stichworttext
, die das eigene theologische Weiterarbeiten ermöglichen
(414^126), bereichern den Band.

In kräftiger theologischer Anrede motiviert der Heraugeber seine
Leser und gibt seine Einschätzung für den Stellenwert des Galater-
briefes in der heutigen theologischen und speziell konfessionellen
Diskussion bekannt. Prominente römisch-katholische - aber auch
einige evangelische - Gesprächspartner kommen dabei nicht ganz
einfach davon. Kleinknecht sieht in der Gegenwart „die Frage nach
dem Menschen, nach seinem Wesen und seiner Bestimmung" (8) als
so gewichtig an, „daß Luthers Hinweise dazu nicht unbeachtet bleiben
dürfen". Für ihn kulminiert die Anthropologie in neu-alter Weise im
„Verständnis der Rechtfertigungsbotschaft". Sie sei „wieder in den
Brennpunkt kontrovers-theologischer Erörterung gerückt". Unter
Hinweis auf Arbeiten von Hans Küng, Karl Rahner, Karl Barth, Otto
Hermann Pesch und Horst Georg Pöhlmann, aber auch auf die
einschlägigen Artikel der Confessio Augustana und der Formula
Concordiae (worin die „Rechtfertigungslehre Luthers. . . festgeschrieben
" sei) setzt Kleinknecht seinen Akzent in die theologische
Landschaft: „Man glaubt nämlich weithin, Luthers Auffassung unterscheide
sich nur akzentweise von derjenigen der tridentinischen und
nachtridentinischen röm.-kath. Theologie. Der vorliegende Gala-
terbrief-Kommentar Luthers kann zu einem klaren Urteil in dieser
Frage anleiten: Luthers Auffassung ist derjenigen der röm.-kath.
Kirchenlehre diametral entgegengesetzt. Zwischen dem Bekenntnis,
daß der Mensch allein durch den Sühnetod und die Auferweckung
Christi gerettet wird und er dessen ausschließlich im Hängen an
Christus (= Glaube) gewiß zu werden vermag, und der Auffassung,