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Ausgabe:

1983

Spalte:

374

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Gnadenwahl und Entscheidungsfreiheit in der Theologie der Alten Kirche 1983

Rezensent:

Thümmel, Hans Georg

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373

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

374

in den bekannten Stichworten Lortz' vom „katholischen Luther", von
Luthers „Subjektivismus" und seiner mangelnden „Vollhörerschaft"
der Heiligen Schrift zum Ausdruck kommen und von Manns auch als
der Korrektur bedürftig zugegeben werden. Dennoch unterstreicht
Manns die Wichtigkeit dieser Neuausgabe angesichts der aktuellen
Situation, in der der von Lortz erzielte Durchbruch im katholischen
Reformations- und Lutherverständnis nicht nur „immer noch keine
selbstverständliche Position darstellt" (386), sondern wo es - wie die
umstrittenen, und von Manns als „groteske Fehlleistung" (388)
bezeichneten Werke von R. Bäumer und von Th. Beer zeigen - sogar
Tendenzen gibt, „hinter Lortz zurück" zu fallen. Manns selbst
bezeichnet Luther als „Vater im Glauben" (391), er unterstreicht die
„ungeheure Liebe und Verehrung Lortzens für Luther" (390) und
sieht dem auf evangelischer Seite weithin ein Verhältnis zu Luther
gegenüberstehen, „das in seiner akademisch kühlen Distanziertheit
nicht nur für eine gesunde Selbstkritik zeugt, sondern das bei behutsamer
und eingehender Betrachtung durchaus Symptome einer geheimen
Luthero-Phobie erkennen läßt, die mir gefährlicher erscheint als
das analoge Phänomen bei katholischen Forschern" (390).

U. K.

Thüringer, Walter: Die Melanchthonhandschriften der Herzog
August Bibliothek. Frankfurt/M.: Klostermann 1982. X, 186 S. 4* =
Kataloge der Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel, Sonderbd.
2. Kart. DM 90,-; Lw. DM 112,-.

Für die kritische Edition von Melanchthons Briefwechsel mußte
der ungewöhnlich reiche Bestand der Herzog August Bibliothek an
Melanchthonhandschriften (130 Codices mit ca. 1200 Einzelstücken,
abgesehen von zahlreichen Dicta) gesichtet, überprüft und z. T. auch
neu bestimmt werden. Es handelt sich um vier Handschriftengruppen:
1. Briefe, einschließlich Vor- und Nachreden, Quittungen, Urkunden,
Empfehlungsschreiben und Ordinationszeugnisse. 2. Buchinschriften
und Gedichte. 3. Werke und Reden. 4. Wittenberger Universitätsschriften
. Da das Gesamtverzeichnis der Melanchthonhandschriften
noch längere Zeit auf sich warten lassen wird, ist die gesonderte Publikation
des Wolfenbütteler Bestandes sehr zu begrüßen. Die Blatt-für-
Blatt-Überprüfung der einschlägigen Handschriften „forderte in nicht
unerheblichem Maße verschüttetes Material zutage" (7). Im Einzelfall
konnte auch bereits der bisherige Wissensstand korrigiert werden
(z. B. handelt es sich bei Cod. Guelf. 78 Heimst, nicht um eine
Melanchthonvorlesung, sondern um eine Vorlesung über Melanchthons
Loci, vermutlich aus der Zeit von 1573/74, vgl. S. 30). Die nicht
auf Melanchthon bezogenen Stücke werden bei der Beschreibung der
Codices ebenfalls - nach Verfassern und Thematik - summarisch
angeführt. Sie betreffen zu einem guten Teil die innerprotestantischen
Lehrstreitigkeiten in der zweiten Jahrhunderthälfte. Der separate
Katalog der Wolfenbütteler Melanchthonhandschriften ist somit zugleich
ein Beitrag zur Quellenkunde für das noch ungenügend
erschlossene Forschungsgebiet. Vorarbeit für ein Quellenbuch zur
Wittenberger Universität, das über die Edition von Friedensburg hinausgehen
müßte, wird nebenher ebenfalls geleistet. Der Hauptanteil
der Handschriften stammt aus den Nachlässen Johannes Aurifabers,
Matthias Flacius' und Johannes Wigands. Die Einzelbeschreibungen
der Melanchthonstücke - ausgelassen worden sind alle Äußerungen
über Melanchthon - enthalten auch das jeweilige Incipit. Die Brauchbarkeit
dieser Veröffentlichung wird durch ein Personenregister
erhöht. In einigen wenigen Fällen ist leider die korrekte Schreibweise
der Namen nicht mit angegeben worden (z. B. 178: Einsiedel, Haugold
von; 183: Plattner,Tilemann).

S. B.

Dogmen- und Theologiegeschichte

Lilienfeld, Fairy v., u. Ekkehard MOhlenberg [Hrsg.]: Gnadenwahl
und Entscheidungsfreiheit in der Theologie der Alten Kirche. Vorträge
, gehalten auf der Patristischen Arbeitsgemeinschaft,
3.-5. Januar 1979 in Bethel. Erlangen 1980. III, 121 S. gr. 8" =
Oikonomia. Quellen und Studien zur orthodoxen Theologie, 9.

Während westlicher, vor allem lutherischer Tradition Synergismus
als Ketzerei gilt, ist dieses ein SchlüsselbegrifTöstlicher Theologie. Der
vorliegende Band gibt Vorträge einer Tagung wieder, die diesem
kontroverstheologisch höchst wichtigem Thema gewidmet war. An
verschiedenen Gestalten und Entwicklungen wird gezeigt, daß die
strenge Frontstellung keinen Rückhalt im patristischen Material
hat.

A.Di hie (S. 9-31) stellt die Rolle heraus, die der Begriff der
Entscheidungsfreiheit, wie ihn die griechische Philosophie bereithielt,
für die Uberwindung des gnostischen kosmologischen Heilsdeterminismus
spielte. Der kognitiv bestimmte griechische Freiheitsbegriff
ist vor allem durch zwei biblische Vorstellungen korrigiert worden:
durch die von der Souveränität des Schöpfers und die vom Gehorsam
gegenüber dem unverstandenen Willen Gottes. Ein eigentlicher
Willensbegriff, der nicht an die Erkenntnis gebunden ist, fehlt jedoch.
E. Junod (S. 32-44) untersucht die Jeremiashomilien des Origenes
und stellt fest, daß die Menschen als Geschöpfe frei sind und ständig
auf ihre Verantwortung hin angesprochen werden. Die Schuld verhaftet
sie jedoch dem sinnlichen Bereich, aus dem sie erst göttliche
Erziehung wieder löst. Origenes vertritt keine Heilslehre, die auf
Werken basierte, doch bleibt auch wenig Raum für eine Theologie der
Gnade und der göttlichen Kräfte. A.Schindler (S. 45-62) zeigt, daß
es in der älteren Zeit zwar gewisse Vorstellungen vom Gnadenhandeln
Gottes gibt, diese aber nicht unbedingt mit dem Begriff gratia ixäpii)
verbunden werden. Erst durch Augustin erhält dieser Begriff (nach
Paulus wieder) eine zentrale Bedeutung und bezeichnet nun die
Einheit von Heilshandeln Gottes und erneuernder Kraft Gottes im
Menschen. Erst die Entdeckung des Willens als eigene Größe (seine
Lösung von der Erkenntnis) machte eine eigentliche Gnadenlehre
möglich. Das Wollen des Guten ist bei Augustin schon Gnade.
W. Stoellger (S. 63-68) schildert die besondere Stellung des
Makarios/ Symeon, nach dem die einzige Möglichkeit für den dem
Bösen völlig unterworfenen Menschen der Ruf nach Rettung durch
Christus ist. Diese besteht in Reinigung und Heiligung, die Ethik
ermöglicht. Die Synergismus-Lehre des Johannes Chrysostomus legt
R. Brändle dar (S. 69-89). Der Grund des Heils liegt allein in
Gottes Erbarmen, was dann kommt, teilt sich zwischen Gott und
Mensch. B. versucht zu zeigen, wie Chrysostomus Gnade und freien
Willen zusammensieht: Gott zwingt nicht, er will, daß der Mensch
Selbstbewußtsein (napptjaia) erlangt; Christus erscheint uns im
Armen, um uns zu gewinnen.

Man kann sich nur freuen, daß mit den vorliegenden Beiträgen eine
solche thematische Geschlossenheit erreicht wurde, die E. M ü h 1 e n -
berg in einer Einleitenden Nachlese' (S. 3-8) würdigt, wobei offene
Fragen formuliert werden. Der Band wird Bedeutung für das ökumenische
Gespräch haben.

Greifswald Hans Georg Thümmel

Isidore de Seville: Etymologies. Livre XVII: De l'agriculture. Texte
etabli, traduit et commente par Jacques Andre. Paris: Scoiete
d'Fidition «Les Beiles Lettres» 1981. 257 S. 8' = Auteurs Latins du
Moyen äge, 1. Kart, ffr 86.-.

Diese ansprechende französisch-lateinische Textausgabe leitet die
neue Reihe «Auteurs Latins du Moyen Äge» ein, über die Jacques
Fontaine und Yves Lefevre einiges in der Vorrede zu diesem Band
sagen: Außer den „Etymologiae" Isidors wird auf sonstige wichtige