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Ausgabe:

1983

Spalte:

368-369

Kategorie:

Kirchengeschichte: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Köhler, Oskar

Titel/Untertitel:

Kleine Glaubensgeschichte 1983

Rezensent:

Petzold, Martin

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Seite 1, Seite 2

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

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tholomäer", „Bartholomäusnacht". Aber einen Artikel „Barthianis-
mus" gibt es nicht. Hier hat man es dadurch relativ leicht, weil eine
Seite davor der Artikel „Barmer Theologische Erklärung" steht, in
dem Barth genannt ist (während er im Artikel „Kirchenkampf" fehlt).
Mit einigem Suchen würde man so wohl auch Anselm von Canter-
bury, Cyprian, Melanchthon oder Schleiermacher finden können -
doch dann muß man eben doch zu jenen Fachkollegen gehören, an die
sich das Lexikon eigentlich weniger wendet.

Die Abstinenz gegenüber Personen wird an einer Stelle durchbrochen
: Der Band endet mit einer Liste der Päpste. Hätte nicht wenigstens
hier ein Verzeichnis anderer wichtiger Personen der Kirchengeschichte
Platz haben sollen? Manche Artikel betreffen sehr spezielle
katholische Besonderheiten, so z. B. „Felizianerinnen", „Goldene
Rose", „Goamesisches Schisma", „Kalasantiner", „Maristen" und
„Maristen-Schulbrüder". Der Artikel „Visitation" ist offenbar vom
katholischen Bearbeiter geschrieben worden. Nur zwei Sätze gehen
auf die evangelischen Visitationen ein: „Lutherische Landesherren
verfolgten bei ihren Visitationen hauptsächlich den Zweck, kath.
Pfarrer zu entfernen und die finanziellen Voraussetzungen für die
Pfarrseelsorge zu gewährleisten. Bei dieser Gelegenheit drangen sie
auch auf die Einführung prot. Kirchenordnungen". Der Artikel
„Neuzeit" ist völlig vom katholischen Standpunkt geschrieben, auch
wenn danach das Literaturverzeichnis aus 2 evangelischen Arbeiten
besteht. Umgekehrt ist der Artikel „Urchristenheit" deutlich vom
evangelischen Verfasser abgefaßt: Gewährsmänner sind Bultmann,
Kümmel, Conzelmann, während gegen Schillebeeckx polemisiert
wird. Trotz der im Vorwort beschworenen „ökumenischen Einmütigkeit
" bestehen doch recht deutliche konfessionelle Unausgeglichenheiten
, die freilich bei anderen lexikalischen Werken, an denen viele
Mitarbeiter beteiligt sind, oft noch gravierender sein können.

Streiten ließe sich auch über die Länge der Artikel. So wird der
streng konfessionelle „Martin-Luther-Bund" fast doppelt so lang
beschrieben wie das ältere und bedeutendere Gustav-Adolf-Werk.
Der Artikel „Faith and Order" ist fast doppelt so lang wie „Life and
Work". Der Artikel „Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche
Deutschlands (VELKD)" wurde fast doppelt so lang wie der Artikel
„Evangelische Kirche der Union (EKU)". Im letztgenannten Artikel
wird Mecklenburg unter die Landeskirchen der EKU gezählt, obwohl
es auch die VELKD mit begründet hatte. Solche kritischen Bemerkungen
zu Einzelheiten sollen jedoch nicht vergessen lassen, welche
ungeheure Arbeitsleistung die beiden Herausgeber auf sich genommen
haben. Vermutlich würden sich nur wenige Kirchenhistoriker zu
einer solchen Mammutarbeit bereit finden. Aber gerade angesichts
dieser großen Arbeitsleistung, auf die nur mit Dank und Respekt hingewiesen
werden kann, ist es bedauerlich, daß durch den Verzicht auf
Personenartikel ein unglückliches Vorzeichen vor diesem Werk
steht.

Rostock Gert Haendler

Bebbington, David: Patterns in history. Leicester: Inter-Varsity Press
1979.XI.211 S. 8°. Kart. £3,75.

Dem allenthalben neuerwachten Interesse an der Geschichte kann
diese informative Einführung entsprechen. Der Vf., ein noch junger
englischer Vertreter der Historikerzunft mit theologischem Urteilsvermögen
, bietet in zupackendem, gut lesbarem Stil eine umfassende
Analyse des historischen Denkens, die eine willkommene Ergänzung
zu den neueren deutschsprachigen Arbeiten zur Historik bildet. B.
bringt eine geschichtsphilosophische Orientierung, die ansatzweise
eine eigene Position zur Frage nach dem Wesen der Geschichte entwickelt
. Dies leistet er durch den Versuch, die bisherigen Aporien
einer geschichtsphilosophischen Begründung durch eine Auswertung
vergangener Konzeptionen, die in ihren Grundzügen noch heute fortwirken
, zu überwinden. Zu diesem Zweck ordnet B. die Geschichte
der Historiographie in fünf Grundmustern, wozu er einen instruktiven
wissenschaftsgeschichtlichen Überblick bietet, der allerdings weitgehend
nicht auf eigenständiger Quellen verweri^.g, sondern auf einer
systematisierenden Zusammenfassung der entsprechenden Sekundärliteratur
basiert. Dabei wird die systematische Betrachtung durch,
ständigen Verweis auf geschichtliche und historiographische Beispiele
untermauert, was die Darstellung anschaulich macht und den Leser in
die Argumentation hineinnimmt.

Die zyklische Geschichtsdeutung (S. 21—42) wird anhand fernöstlicher
und abendländisch-antiker Beispiele vorgestellt und anhand
von deren modernen Vertretern wie Spengler und Töynbee im Blick
auf ihre Leistungsfähigkeit wie (und zwar vor allem) auf ihre
Schwächen gewürdigt. - Die christliche Geschichtsdeutung (S. 43-^67),
die aus der atl.-jüdischen Sicht erwächst, wird durch drei Grundvorstellungen
geprägt: Gottes Eingreifen in den Geschehensverlauf;
geradliniger Verlauf der Geschichte von der Schöpfung bis zum Weltende
; dessen Gestaltung durch Gottes Plan. Die Plausibilität dieser
Deutung hängt nach B.s Auffassung davon ab, ob der sie tragende Pro-
videnzgedanke sich an historischen Beispielen bewähren läßt. Ob sie
allerdings, wie B. meint (S. 67), durch das Problem des sinnlosen Leidens
in Frage gestellt wird, hängt wiederum von der Konzeption des
Gottesgedankens ab. - Die säkularisiert-christliche Konzeption der
Aufklärung von Geschichte als Fortschritt (S. 68-91), als Entwicklung
von der Barbarei zur Zivilisation, als progressive Verbesserung des
Denkens, der Moral und der Verwirklichung der menschlichen Werte
zu verstehen, wird - ebenso wie die beiden früheren - mit den Konturen
ihrer geschichtlichen Entwicklung unter Berücksichtigung der
wichtigsten Vertreter verständig nachgezeichnet und kritisiert. - Als
Reaktion auf diese teleologische Betrachtungsweise entwickelt sich
vor allem in Deutschland der Historismus (S. 94-116), dessen Leitgedanke
darin besteht, Geschichte als das formende Element aller Völker
und Kulturen zu begreifen, der aber damit einer nationalistischen
Sichtweise Vorschub leistet. - Schließlich bestimmt der historische
Materialismus des Marxismus (S. 117-139) eine weitere Gruppe von
Deutungen des Geschichtsverlaufs, die - im Widerspruch gegen eine
rein geistesgeschichtliche Interpretation - in den Produktionsweisen
die ökonomische Basis aller politischen, kulturellen und sozialen Vorgänge
sieht. - Wie in den übrigen Kapiteln verbindet auch hier B.
übersichtliche Darstellungsweise mit einer abgewogenen Würdigung
der jeweiligen Konzeptionen.

Die Stärke des Vf. liegt im systematisierenden Referat, nicht in origineller
, ausführlich begründeter Synthese. So wirkt sein Versuch,
aufgrund der Abwägung der Vorzüge und Schwächen der skizzierten
Grundmuster "A Christian philosophy of historiography" als überzeugende
Lösung der durch die antagonistischen Konzeptionen von
Positivismus und Idealismus hervorgerufenen Aporien darzustellen
(S. 160ff), nicht für jedermann plausibel. B. rekurriert dabei auf den
Entwurf des Erlangers Johann Martin Chladenius von 1752 und stellt
als Spezifikum der christlichen Sicht die Antinomie von göttlicher
Determination und menschlicher Verantwortung im geschichtlichen
Handeln heraus. Der in der Botschaft und im Geschick Jesu begründete
Glaube an ein spezielles Eingreifen Gottes in den Geschichtsverlauf
, welches diesen zu dem erhofften Ziel bringt (S. 171 ff), ermöglicht
ein Verständnis, welches Geschichte in durchaus realitätsbezogencr
Weise als Einheit begreift. Jedoch bleibt die Plausibilität einer solchen
Historiographie an den Glauben gebunden. So ist B.s anregende
und informative Darstellung insgesamt eher ein Beitrag zur Geschichtstheologie
als zur allgemeinen Historiographie.

Osnabrück Wolf-Dieter Hauschild

Köhler, Oskar: Kleine Glaubensgeschichte. Christsein im Wandel der
Weltzeit. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1982. 427 S. 8" = Herder-
Taschenbuch. Herderbücherei, 987. DM 16,90.

Kirchengeschichten im Kleinformat haben sicherlich nicht nur Studenten
in Examensnöten gern zur Hand. Der Vf., Professor für Universalgeschichte
an der Universität Freiburg/Br„ entwickelt mit sei-