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Ausgabe:

1983

Spalte:

363-365

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Baumeister, Theofried

Titel/Untertitel:

Die Anfänge der Theologie des Martyriums 1983

Rezensent:

Hauschild, Wolf-Dieter

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

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die Schlußsequenz, die den Triumph Gottes zum Thema hat
(S. 351-362), nicht nur die Anthropologisierung, sondern auch die
Christologisierung im Sinne der Theozentrik von 1 Kor 15,28 zurückweist
(S. 362). Sie läßt noch einmal das Charisma, aber auch die Grenzen
einer eigengeprägten Theologie sichtbar werden, für die die von
Paulus verkündigte Botschaft Evangelium von der gloria Dei ist.

Halle (Saale) Wolfgang Wiefel

Baumeister, Theofried: Die Anfänge der Theologie des Martyriums.

Münster: Aschendorff 1980. X, 356 S. gr. 8° = Münsterische Beiträge
zur Theologie, 45. Kart. DM 98,-.

Die Bearbeitung dieser Thematik gehört nicht gerade zu den dringenden
Forschungsdesideraten, vielmehr liegen ältere Darstellungen
zum Beispiel von Campenhausen, Surkau, Günther, Lods, Klauser,
Frend, Brox und zahlreiche spezielle Untersuchungen vor. Dennoch
kann eine solide gearbeitete, informative Zusammenfassung wie die
vorliegende (eine katholische Habilitationsschrift Münster 1976), die
den Bogen von der jüdischen Apokalyptik des 2. Jh. v. bis zur frühchristlichen
Literatur des 2. Jh. n. Chr. spannt, bisherige Forschungsergebnisse
durch sorgfältige Nachprüfung zum Teil revidiert und eine
Gesamtschau der Thematik ermöglicht, durchaus gute Dienste leisten
. Sie bietet zwar kein letztes Wort in der Sache, aber eine sinnvolle
Festschreibung des derzeitigen Erkenntnisstandes. Die Verarbeitung
der Quellen ist so gut wie erschöpfend, die bisherige Sekundärliteratur
wird voll berücksichtigt; das ist gewiß nicht wenig.

B.s Zielsetzung beschränkt sich darauf, eine Gesamtsicht der theologischen
Deutung des Märtyrerschicksals in der frühchristlichen
Literatur - unter Einbeziehung der jüdischen Konzeptionen - in Form
einer deskriptiven Bestandsaufnahme zu liefern (S. 4). Der Preis der
damit erreichten Genauigkeit, die sich in der ausführlichen Erörterung
aller relevanten Einzelaussagen bekundet, und des dem Leser
stets vermittelten Eindrucks, auf nachprüfbar sicherem Boden zu stehen
, ist eine gewisse Langatmigkeit und Wiederholung. Gegenüber
nicht eindeutig belegbaren Hypothesen übt B. größte Zurückhaltung;
nach Möglichkeit strebt er Beweisbarkeit an. Er betont mit Recht, daß
die jeweilige Martyriumstheologie nicht Spekulation, sondern die religiöse
Deutung der historischen Erfahrung einer harten Realität sei.
Doch der realgeschichtliche Bezug der theologischen Konzeptionen
hätte stellenweise stärker verdeutlicht werden sollen, was gewiß der
Brisanz und Lebensnähe der Thematik entspricht: Das Martyrium
bringt in einer feindlichen Welt die Bewährung des Christusbekenntnisses
im realen Vollzug der Kreuzesnachfolge, (z. B. zu Ignatius
S. 279.288: „Die Jüngerschaft vollendet sich im Martyrium"; „Christus
gemäß leben heißt: bereit sein zum Martyrium"; zu Paulus
S. 189: „Die vom Leiden geprägte apostolische Existenz ist Beispiel
für das christliche Leben in der Zeit bis zur Parusie"; zur Apostelgeschichte
S. 136: „Für Lukas gehören Verfolgungen zum Leben der
Kirche"). Die martyrologische Deutung kann dabei nicht „eine einheitliche
Systematik" meinen, sondern umschließt „eine Fülle unterschiedlicher
Versuche..., das Geschick der Verfolgung und des
Todes um des Glaubens willen theologisch zu reflektieren" (S. 307).
Diese Pluriformität wird aus den eingehenden Textanalysen ersichtlich
, welche das Profil der jeweiligen Konzeption deutlich herausarbeiten
.

Im I. Kapitel (S. 6-65) untersucht B. „die jüdische Martyriumsdeutung
", deren Ursprung in der Verfolgungszeit unter Antiochus IV.
Epiphanes liegt. Das Buch Daniel bietet die erste, wirkungsgeschichtlich
bedeutsame Interpretation des Todes der standhaften Bekenner
durch eine „Theologie des Martyriums" (S. 22). Die ihm folgende
apokalyptische Deutung (sofern man diese, die B. differenziert darstellt
, als Einheit fassen kann) sieht den Sinn des Verfolgungsgeschicks
in der Läuterung und Züchtigung des Volkes durch Gott; die Deutung
der Martyriumsberichte wie z. B. 2. und 4Makk, welche die christliche
Tradition beeinflußten, versteht es als stellvertretendes Leiden,

das den Sieg über die Feinde Gottes manifestiert und dem Volk Sühne
schafft. Die hellenistischen Ideen (Heroisierung des Glaubenshelden;
Beweis der Lehre durch die Tat im Ideal des-Weisen) wirken zum Teil
auf jüdische Deutungen ein (vor allem bei Josephus).

Die breite Untersuchung des Neuen Testaments teilt B. in problematischer
Weise auf in Evangelientradition sowie Apostelgeschichte
(=11. Kapitel S. 66-155) und Briefliteratur sowie Apk (=111. Kapitel
S. 156-228). Dadurch werden historische Zusammenhänge verdeckt,
eine Entwicklungsgeschichte der Martyriumstheologie kommt kaum
in Sicht und wird in der knappen Schlußzusämmenfassung
S. 307-313 nur angedeutet. Die Frage nach Einflüssen, beschränkt auf
die religionsgeschichtliche Abhängigkeit von jüdischen und/oder
griechischen Ideen, wird im Blick auf die christliche Literatur nicht
nachdrücklich genug gestellt. Die konsequent praktizierte deskriptive
Methode erweist sich hier als ergänzungsbedürftig, wenn man eine
historische Darstellung erwartet.

Jesus bietet nicht nur den bleibenden Bezugspunkt, sondern insofern
auch den Anfang der christlichen Martyriumstheologie, als seine
Todesbereitschaft (freilich: „Es läßt sich keine volle Klarheit gewinnen
über die Deutung, die Jesus selbst seinem Tod gegeben hat",
S. 70) und seine Forderung an die Jünger, den gewaltsamen Tod als
Folge ihres Dienstes einzukalkulieren, den Zusammenhang seiner
Sendung mit dem Tatzeugnis verdeutlichen. Die Logienquelle Q setzt
diesen Ansatz fort: „Man leidet im aktiven Einsatz für die Sache Jesu
und im missionarischen Zugehen auf die Menschen" (S. 80). Und
Markus verdeutlicht darüber hinaus, „daß das Leiden der Jünger
Konsequenz der Passion und Teilnahme am Geschick Jesu ist"
(S. 90). Damit sind die beiden Spezifika der christlichen Martyriumstheologie
markiert, die in späteren Konzeptionen, unterschiedlich
variiert, als Grundmotive wiederkehren. Vom historischen Zusammenhang
her wäre es angebracht, sie mit der Konzeption des Paulus
als einer der ältesten zu vergleichen. Die jüdischen Traditionen und
die hellenistischen Ideen werden modifiziert aufgenommen, treten
gelegentlich stärker hervor (z. B. in Joh, Apg, Hebr, 2Tim, Apk), sind
aber insgesamt der christlichen Deutungsintention dienstbar gemacht.
B. weist das detailliert für alle neutestamentlichen Schriften nach und
kann damit die Frage, ob christliche Martyrologie in Kontinuität oder
in Diskontinuität zu Judentum und Hellenismus stehe, durch die
gebotene Differenzierung mit einem Sowohl-Als auch beantworten:
„Die christliche Besonderheit braucht nicht nivelliert zu werden,
wenn man anerkennt, daß es eine jüdische Idee des Martyriums gibt
und daß diese die christliche Idee beeinflußt hat" (S. 66 Anm. 1).

Wie bei der problematischen Aufteilung der neutestamentlichen
Literatur werden auch durch die gesonderte Abhandlung über „Die
nichtkanonische Literatur der frühen Kirche bis zum Polykarpmartyrium
" (S. 229-306) die historischen Konturen verdeckt, weil zeitlich
und geographisch Zusammengehöriges getrennt wird. Was B. zutreffend
über die intensive Auseinandersetzung mit der Martyriumsthematik
gerade in Kleinasien, wo es etwa um 140/50 erstmalig zur
Fixierung des Märtyrertitels kommt, feststellt, ergäbe zusammen mit
den Beobachtungen zu Joh, IPetr, 2Tim und Apk ein aufschlußreiches
Gesamtbild der Vorstellungswelt einer Kirchenregion, zumal
dann, wenn man die historische Situation und die weiteren Quellen
des 2. Jh. (Montanismus!) einbezöge. Vor allem in Kleinasien ist -
historisch nicht zufällig - das Martyrium als theologisches Problem
der christlichen Existenz schlechthin besonders reflektiert worden.
Dagegen scheint in Rom, wie B.s Feststellung zu lClem und Hermas
zeigen, der Akzent stärker auf die heroische Sonderstellung der Märtyrer
gelegt worden zu sein. Für die Anfänge einer Theologie des Martyriums
sind (neben Apk) Ign und MartPol die ergiebigsten Quellen.
Auf sie führt B.s Untersuchung folgerichtig hin, wobei gerade hier
noch einmal die verschiedenen Traditionen und Konzeptionen der
Frühzeit angesprochen werden.

In Anlehnung an Paulus, sich mit Joh und 4Makk berührend, bietet
Ign erstmals eine verselbständigt thematisierte Theologie des Martyriums
, die sich in der Gleichsetzung von Jüngerschaft und Leiden