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Ausgabe:

1983

Spalte:

347-349

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Titel/Untertitel:

Eschatologie und Friedenshandeln 1983

Rezensent:

Weiß, Hans-Friedrich

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

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auf diesen Abschnitt mag man es bedauern, daß diese „Zeit des Übergangs
von der Urgemeinde zur späteren frühkatholischen Kirche" des
näheren lediglich an zwei Beispielen dargestellt wird, am Matthäusevangelium
nämlich und am Johannesevangelium (S. 173ff und
S. 179 ff), und daß auf diese Weise gewichtige „Theologien der Hoffnung
" in der Spätzeit des Urchristentums, wie sie z. B. im 1. Petrusbrief
sowie im Hebräerbrief vorliegen, ausgespart geblieben sind; da
jedoch Vollständigkeit auf knappem Raum ohnehin nicht zu erreichen
war, wird man die notwendige Beschränkung an dieser Stelle
gewiß nicht als einen entscheidenden Mangel der Darstellung insgesamt
geltend machen dürfen. Treten hier - im zweiten Teil - wie auch
bereits im ersten Teil vielmehr im unmittelbaren Zusammenhang mit
der besonderen Fragestellung des Bandes Grundlinien alt- und neu-
testamentlicher Theologie hervor, so sollte an erster Stelle der Dank
an die beiden Autoren stehen. Und endlich: Ganz im Sinne des Anliegens
beider Autoren bleibt auch zu hoffen, daß der vorliegende Band
nicht nur die Fachkollegen im Blick auf Einzelfragen und offene Probleme
zur entsprechenden Kritik herausfordert, sondern auch - und
vor allem! - Leser (auch über den Kreis der Fachkollegen hinaus) zur
„Rück-Besinnung" (S. 9) auf die biblischen Fundamente dieses elementaren
Themas christlichen Glaubens anleitet.

Rostock Hans-Friedrich Weiß

Eschatologie und Friedenshandeln. Exegetische Beiträge zur Frage
christlicher Friedensverantwortung. Mit Beiträgen von U. Luz,
J. Kegler, P. Lampe, P. Hoffmann. Stuttgart: Kath. Bibelwerk
1981.214 S. 8' = Stuttgarter Bibelstudien 101. Kart. DM 26,80.

Dieser schmale Band der „Stuttgarter Bibelstudien", ein Gemeinschaftswerk
katholischer und evangelischer Exegeten, verleugnet von
vornherein weder seine Zielstellung noch den konkreten Ort, an dem
die einzelnen Beiträge entstanden sind. Der Untertitel formuliert die
Grundrichtung sämtlicher Beiträge, in denen die Frage, auf welche
Weise christliche Friedensverantwortung unter den gegenwärtigen Bedingungen
sachgemäß, und d. h. im Sinne der Verfasser: dem biblischen
Zeugnis gemäß, wahrzunehmen sei, durchgängig im Blick ist,
nicht also nur im Sinne von sekundär aufgesetzten Verallgemeinerungen
und Schlußfolgerungen aus dem zuvor „rein historisch" erhobenen
biblischen Befund. Solcher Ausrichtung entspricht der Ursprungsort
der einzelnen Beiträge. Wie aus der „Einführung" von
U. Luz hervorgeht (S. 9-14), sind sie im Rahmen der an der Heidelberger
„Forschungsstätte der Evangelischen Studiengemeinschaft"
betriebenen „Friedensforschung" entstanden (S. 9). Und von daher
bestimmen sich sowohl die „Nullhypothese", von der man bei den
vorliegenden Beiträgen ausgeht - eine positive Bestimmung der Relation
von „Eschatologie" und „Frieden" (im Gegenzug zu der von A.
Dihle aufgestellten These von einer „prinzipiellen Friedensfeindlichkeit
aller Eschatologie"!) - als auch die drei „Parameter des Friedens"
(„Frieden" als Prozeß der „Minimierung von Not, Gewalt und Unfreiheit
"), die in sämtlichen Beiträgen des Bandes als eine Art „heuristischen
Prinzips" benutzt werden, um die Relevanz - oder auch
Nichtrelevanz! - des biblischen Zeugnjsses für eine christliche Friedensverantwortung
in der Gegenwart deutlich zu machen (S. 9f u. ö.).
Mit diesem Hinweis auf den Ursprungsort der Beiträge soll ihr Wert
keineswegs relativiert werden - ganz im Gegenteil: Durch solches
Verfahren gewinnen sie ein Maß an Konkretion und Eindeutigkeit,
das man oft genug vermißt, wenn heutzutage im Zusammenhang der
Frage nach der sachgemäßen Gestalt eines christlich-kirchlichen Friedensengagements
nach den entsprechenden biblischen Grundlagen
gefragt wird. Dies allerdings ist in der Tat das Axiom, von dem alle
Autoren dieses Bandes ausgehen: daß „für eine Bestimmung des Beitrages
der Christenheit zum Weltfrieden . . . der Bezug auf die Bibel
grundlegend" ist (S. 10).

Vollständigkeit hinsichtlich der Gesamtheit des biblischen Zeugnisses
ist dabei von vornherein nicht angestrebt, eher ein paradigmati-

sches Verfahren gewählt, das lediglich die für die gegenwärtige Diskussion
entscheidenden Stationen hervorhebt und sich in der Beschränkung
darauf durch ein hohes Maß von Konzentration und
Konkretion auszeichnet. So erörtert zunächst J. Kegler unter der
Überschrift „Prophetisches Reden von Zukünftigem" (S. 15-58) den
Beitrag der Propheten Micha, Jesaja und Deuterojesaja zur Frage der
Relation von „Eschatologie" und „Frieden" (hierzu bes. S. 50ff), während
P. Lampe in der zweiten Studie - am Beispiel vor allem der
Daniel- und der Johannesapokalypse - „Die Apokalyptiker - ihre
Situation und ihr Handeln" im Blick auf das Verhältnis von „Eschatologie
und Friedenshandeln" beschreibt (S. 59-114). Sofern hier die
Korrelation zwischen bestimmten Krisensituationen und dem Aufkommen
apokalyptischer Zukunftshoffnungen wie auch der ambivalente
- einerseits quietistische, andererseits zelotisch-aktivistische -
Charakter der „apokalyptischen Paraklese" im einzelnen überzeugend
herausgearbeitet werden, liegt die aktuelle Bedeutung gerade
dieses Beitrages auf der Hand (vgl. zum Problem auch U. Luz,
S. 2040- Gleichesgiltdann auch für die beiden folgenden Beiträge, die
sich jeweils zentralen neutestamentlichen Themen zuwenden:
P. Hoffmann dem Thema „Eschatologie und Friedenshandeln in
der Jcsusüberlieferung" (S. 115-152) und U. Luz dem entsprechenden
Sachverhalt bei Paulus (S. 153-193). Weitet sich dabei der Beitrag
von P. Hoffmann unterderhand zu einer Gesamtskizze der eschato-
logischen Botschaft Jesu aus und kommen dementsprechend in dem
Beitrag von U. Luz über die Erörterung der „konkreten Konflikte und
ihre Bewältigung" hinaus (S. 162 ff) grundlegende Sachverhalte und
Themen paulinischer Theologie zur Sprache - so z. B. das Verhältnis
von Eschatologie und Ethik bei Paulus (mit einer bemerkenswerten
Kritik im übrigen an H. Conzelmanns Sicht der Dinge: S. 156,
Anm. 5) sowie die Frage nach der Relation von Christologie und
(futurischer) Eschatologie -, so zeigt sich gerade anhand dieser beiden
Beiträge einmal mehr, in welchem Maße das Thema „Frieden" im
Neuen Testament wie in der gesamten biblischen Überlieferung sachgemäß
nur im Gesamtzusammenhang biblischer Botschaft erörtert
werden kann. Dies letztere zeigt sich besonders deutlich auch in dem
abschließenden und zusammenfassenden Beitrag von U. Luz: „Die
Bedeutung der biblischen Zeugnisse für kirchliches Friedenshandeln"
(S. 195-214), hier besonders im energischen Hinweis auf die für das
biblische Friedenszeugnis grundlegende „Innendimension" des Friedens
(im Sinne einer „Minimierung von Angst, Sünde und Sinnlosigkeit
": S. 213), darüber hinaus aber auch in der These, daß die Kirche
„dadurch ..., daß sie Kirche wird", dadurch also, „daß sie Liebe in
ihrer eigenen Gestalt verwirklicht", zu einem „Friedensfaktor in der
Welt" zu werden vermag (S. 213). Es versteht sich bei alledem von
selbst, daß solche „selbstkritische Besinnung der Kirche auf ihre
eigene Wirklichkeit, ihren Auftrag und ihre Reformation an Haupt
und Gliedern" (S. 193) das konkrete Handeln zum Frieden am jeweiligen
historischen Ort nicht aus-, sondern gerade einschließt. Und
genau an dieser Stelle kommt dann auch wiederum alles das zur Geltung
, was bei aller unterschiedlichen Akzentuierung im einzelnen in
einer bemerkenswerten Übereinstimmung die Grundlinie dieses Bandes
ausmacht: Das Eingebundensein der je unterschiedlichen Friedenskonzeptionen
der Bibel in ihren jeweiligen historisch-sozialen
Kontext (dazu programmatisch U. Luz in seiner „Einführung":
S. 120 und damit die Unmöglichkeit, einzelne biblische Modelle
unmittelbar in den veränderten historischen Kontext des 20. Jahrhunderts
zu übertragen; weiter: der von allen Autoren des Bandes betont
herausgestellte „Prozeßcharakter" biblischen Verständnisses von
„Frieden" (S. 9f.38.54f u. ö.), vor allem aber die für das biblische
Zeugnis grundlegende Zueinanderordnung von „Eschatologie und
Friedenshandeln", der Sachverhalt also, daß alles christlich-kirchliche
Engagement für den Frieden in dieser Welt unter einem „escha-
tologischen Vorbehalt" steht. Es gehört zu den unbestreitbaren Vorzügen
dieses Buches, daß damit keineswegs - wie U. Luz zu Beginn
bereits entsprechend betont (S. 100 - nur die kritisch-relativierende
Funktion der Eschatologie gegenüber menschlichem Friedenshandeln