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Ausgabe:

1983

Spalte:

335-336

Kategorie:

Allgemeines

Titel/Untertitel:

Das lebendige Wort 1983

Rezensent:

Nagel, William

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Seite 1

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335

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

336

Allgemeines, Festschriften

[Voigt, Gottfried:] Das lebendige Wort. Beiträge zur kirchlichen Verkündigung
. Festgabe für Gottfried Voigt zum 65. Geb. Hrsg. von H.
Seidel u. K.-H. Bieritz. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1982. 367 S.,
1 Porträt gr. 8°. Kart. DDR M 21,50; Ausland 25,-.

Die 22 Beiträge dieser Festschrift entsprechen in der Vielfalt ihrer
Autoren und Themen der theologischen Tiefe und Weite der Lebensarbeit
von Gottfried Voigt, langjähriger Praktischer Theologe am
Theologischen Seminar zu Leipzig, dessen Profil und Niveau als
Lutherische Kirchliche Ausbildungsstätte in der DDR er entscheidend
mitgeprägt hat. Dabei ist für G. Voigt der Ausgang von der Systematischen
Theologie, der sich auch in seiner Bibliographie mit über
213 Nummern (S. 350-360) zeigt, immer charakteristisch geblieben,
so daß man mit Fug und Recht von seiner systematisch-theologischen
und praktisch-theologischen Lebensarbeit sprechen kann, die immer
auch unmittelbar Kirche und Ökumene zugute gekommen ist. Die
Beiträge der Festschrift stammen sowohl von seinen Kollegen am
Theologischen Seminar (9) wie auch von Angehörigen anderer theologischer
Ausbildungsstätten in Halle, Jena, Naumburg, Leipzig, München
, Tübingen sowie von Inhabern kirchenleitender Ämter. Auch
ein katholischer Theologe ist vertreten.

Wenn ich auch alle Aufsätze wenigstens nennen möchte, ist es doch
unmöglich, ihrer Fülle inhaltlich gerecht zu werden. Mit einer
„Betrachtung über den 84. Psalm" „Erfreuliches über den Gottesdienst
" (11-25) eröffnet Werner Jetter den Reigen. Er zeigt dieses
„Erfreuliche" vor allem von der 2. Strophe her auf: Unsere Gottesdienste
werden sich nicht von ihrer Gestalt her durchgreifend
erneuern lassen. Die Christenheit muß sich in ihren zahllosen Einzelgruppierungen
wie Israels Jerusalem-Pilger wieder auf dem Weg zu
Gottes Zielen wissen, denen sie in konkretem Dienen wie feiernd entgegengeht
. Nur so wird auch ihr Gottesdienst als Selbstvergewisserung
des Glaubens wieder eine ihr unentbehrliche Lebensform werden. Der
Alttestamentler Hans Seidel befaßt sich unter der Überschrift „Wallfahrtslieder
" (26-40) mit den Psalmen 120-134, erfaßt das ihnen
Gemeinsame in der Gattung „Kurzandachten", wie sie dem Pilger
zwischen den Toren Jerusalems und dem Tempel göttlichen Segen
zusprechen wollen. Wolfram Herrmann gibt unter dem Stichwort
„Situationsanalogie" seinen „Beitrag zum Gespräch über das herme-
neutische Problem des AT" (41-51): Um alttestamentliches Glaubenszeugnis
für unseren Glauben fruchtbar werden zu lassen, gilt es
das Maß und die Einzelzüge aufzuspüren, in welchen Analogien zwischen
der Situation des Textes und unserer heutigen bestehen. Werner
Vogler entscheidet sich „zur Auslegung der vierten Bitte des Vaterunsers
" mit dem Aufsatz „Gib uns, was wir heute zum Leben brauchen
" (52-63) für die Matthäusfassung. Dem exegetisch wie theologisch
problemreichen Hebräerbrief wenden sich die Neutestamentier
Nikolaus Walter („Christologie und irdischer Jesus im Hebräerbrief",
64-82) und der Harald Hegermann zu („Das Wort Gottes als aufdeckende
Macht. Zur Theologie des Wortes Gottes im Hebräerbrief",
83-98). N. Walter will zum Verständnis dieser Christologie helfen,
indem er ihr Anliegen darin aufweist, „den Glauben der Gemeinde
durch eine Neuauslegung tradierter christologischer Sätze zu stärken
". Auf Grund umfänglicher religionsgeschichtlicher und neutesta-
mentlicher Bezüge wertet H. Hegermann die Gerichtsworte wie
Hebr4, 12f nach ihrer vorrangigen Absicht als „rettenden Ruf".
Johannes Hamel stellt „Theologische Erwägungen zur Botschaft vom
Jüngsten Gericht" (99-111) an, in deren Ergebnis die aus dem AT und
dem Judentum übernommenen Vorstellungen, radikal umgeprägt,
zur Freudenbotschaft vom kommenden Herrn werden. Wenn sich
Joachim Wiebering „Luther in der heutigen theologischen Ethik"
(112-125) zuwendet, wird der Reformator für ihn „ein Anreger zu
eigenem Denken, das sich in Widerspruch und Zustimmung an seinen
Gedanken entzünden kann". Martin Seils entfaltet „Luthers Auffassung
vom Menschen als Mitarbeiter Gottes" (126-138) im Blick auf

das Gotteswerk wie den Lebensstand und zeigt, wie Luther „das Ausgeliefertsein
des Menschen an Gott zusammenzudenken versucht mit
dem Einbezogensein des Menschen in Gottes Werk". Für Ulrich
Kühn geht es bei seiner Untersuchung „Das Abendmahl - Eucharistie
der Gemeinde Jesu" (139-152) um „den ekklesiologischen Ansatz des
Abendmahlsverständnisses", worin er ein Defizit erkennt, dessen
Überwindung für gewisse „Aporien der Abendmahlstheologie weiterführende
Verstehensmöglichkeiten eröffnen" könnte. „Wo fordert
uns heute der Heilige Geist?" (153-168) fragt Christoph-Michael
Haufe und begegnet mit seiner Antwort der Gefahr, auch künftig den
III. Artikel zu vernachlässigen. „Zur Lehre vom Heiligen Geist"
(169-181) formuliert August Kimme „eine pneumatologische
Anfrage an die Ökumene", in der es um das Verhalten zu „vom Hl.
Geist wirklich beeinflußten Menschen" geht, die „die Eingliederung
in die Kirche durch Taufe und Abendmahl ablehnen oder auch entbehren
". Günter Krusche kennzeichnet mit dem Titel „Lutherische
Identität und Weltverantwortung" (182-203) die sachliche Spannung,
der man sich stellen muß, „wenn die Wahrnehmung von .Weltverantwortung
' nicht zum Verlust der eigenen Identität führen soll". In dem
Aufsatz „Schriftauslegung und Bekenntnisbindung. Zur Funktion des
Bekenntnisses für den Verkündigungsauftrag" (204-217) wertet Helmut
Zeddies Bekenntnisbindung „als Ausdruck der erfahrenen und
ihr nachdenkenden Zuwendung Gottes in Jesus Christus, die immer
wieder sich ereignen will und als für Zeugnis und Dienst bestimmend
anerkannt sein will". Ernst Koch macht uns mit seinem Beitrag „Der
Prediger als Problem der Predigt in der Homiletik des 19. und 20.
Jahrhunderts" (218-240) eine Komponente des Predigtgeschehens
wichtig, die immer wieder aufs neue bedacht werden will. Drei Berührungspunkte
zwischen Luther und der heutigen Homiletik greift der
Praktische Theologe Eberhard Winkler aus der Fülle weiterer heraus,
wenn er „Homiletische Erkenntnisse Luthers in der gegenwärtigen
evangelischen Predigtlehre" (241-254) aufzeigt. Der sächsische Landesbischof
Johannes Hempel schildert, wie auf dem Pfarrertag der
Landeskirche 1977 eine Predigt über „Luk. 14,25-33. Eine ,Fall-Stu-
die'" (255-269) kritisch durchgearbeitet wurde und zu welchen homiletischen
Erkenntnissen und - wichtiger noch - seelsorgerlichen Wirkungen
das geführt hat. Der em. Praktische Theologe Heinz Wagner
sichtet kritisch „Seelsorgerliche Aktivitäten in der Evangelisch-
Lutherischen Landeskirche Sachsens" (270-279), nämlich die keryg-
matische, die therapeutische und die charismatische Seelsorge.
„Erfahrungen mit dem Erzählen eigener und fremder Geschichten",
wie sie Karl-Heinz Bieritz unter den Stichworten „Vergegenwärtigen
- Übersetzen - Verkünden" (280-299) darstellt, können zu einer
unmittelbaren Hilfe für den Katecheten werden. Siegfried Schmutzlers
Arbeit „Zur Beziehung zwischen nichtbiblischen und biblischen
Geschichten in der situationsorientierten kirchlichen Arbeit mit Heranwachsenden
und Erwachsenen" (300-323) wird sich ohne Frage
positiv gegenüber Bedenken auswirken, die gegen den „Rahmenplan
für kirchliche Arbeit mit Kindern und Jugendlichen" (1977) einwenden
, hier werde „verbindlicher biblischer Unterricht aufgegeben
zugunsten einer mehr oder weniger unverbindlichen Lebenskunde,
die interessante Themen diskutiert". In seinem hymnologischen quellenkundlichen
Beitrag „Zu Georg Neumarks Königsberger Liedern"
(324-335) wertet Jürgen Henkys drei Sammelbände mit Gedichten,
auch Noten, aus der Mitte des 17. Jahrhunderts in der Kirchenbibliothek
Seehausen (Altmark) in Hinsicht auf den Schöpfer von „Wer nur
den lieben Gott läßt walten" aus. „Der Entwurf des Einheitssekretariats
,De Verbo Dei' aus der Vorbereitungszeit des II. Vatikanischen
Konzils" (336-349) wird aus der Feder eines der Konsultoren des
Konzils, Werner Becker, zur spannenden methodischen Skizze eines
Ausschnitts aus den Konzilsvorbereitungen-

Diese mit zentralen Themen befaßte Geburtstagsgabe überragt das
Niveau vieler „Festschriften" und der Gefeierte wird an der gewichtigen
Gabe seine Freude haben.

Bad Homburg v. d. H. William Nagel