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Ausgabe:

1983

Spalte:

323-334

Autor/Hrsg.:

Volp, Rainer

Titel/Untertitel:

Imagines Dei 1983

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 5

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Imagines Dei

Die Bilderfrage als Kriterium der Theologie*
Von Rainer Volp, Mainz

0. 1 Spätestens seit dem Streit um Bedeutung und Wirkung der
Massenmedien ist die Bilderfrage ins Zentrum kirchlicher Auseinandersetzung
gerückt. „Noch niemals", schrieb Karl Pawek schon vor
zwanzig Jahren in seinem Buch „Das optische Zeitalter"1, „hat die
bildliche Darstellung im Haushalt unserer Wahrnehmungen, Eindrücke
, Vorstellungen, Erkenntnisse eine so große Rolle gespielt wie
heute." Masse und Magie von Bildern verändern die Seh- und Hörgewohnheiten
der gegenwärtigen Kulturen so durchgreifend, daß die
Auswirkungen für eine Kirche des Wortes noch unabsehbar sind. Es
überrascht daher nicht, daß die theologischen Erörterungen zur Bilderfrage
in den letzten Jahrzehnten sowohl quantitativ wie qualitativ
zugenommen haben. Sie stellen Grundlagen bereit, welche nicht nur
die theologische Ästhetik und Publizistik, sondern auch die Dogmatik
und Theoriebildung aller praktisch-theologischen Felder, insbesondere
Liturgik und Katechetik (Religionspädagogik) berühren.

0. 2. Was die Ästhetik betrifft, erinnere ich nur an die Anstöße Gerhard
van der Leeuws und Paul Tillichs: van der Leeuw lehrte, das Bild
als religiös zentrale Kategorie aus dem interreligiösen Horizont heraus
zu begreifen und stellte es im Interesse der Ganzheit des Menschen
dem „reinen Begriff' gegenüber2; sein christologischer Ansatz einer
Ästhetik ist bis heute noch kaum ausgewertet3. Paul Tillich nahm der
protestantischen Theologie die mitunter pathologische Angst vor dem
Analogiedenken4, ohne das die Erfahrung letzten Sinns und letzten
Seins für die Kultur unausgewertet bliebe5. Auch wenn Tillichs Symbolbegriff
ontologisch belastet blieb und sein Interesse am expressionistischen
Stil die kirchliche Kunstpraxis nicht nur positiv bestimmte6
, sind seine Anregungen bis hin zur Papstrede über die
Künste am 19. 11. 19807 immer noch von grundlegender Bedeutung.
Auch an andere wichtige Bücher, die ich hier nicht mehr besprechen
brauche, sei im Vorübergehen erinnert: Oskar Söhngens „Theologie
der Musik"8, Hans Ekkehard Bahrs „Poiesis"' und Hans Dieter

* Es werden folgende Arbeiten besprochen:

Baum, Peter, u. Günter Rombold: Christusbild im 20. Jahrhundert. Neue
Galerie der Stadt Linz und Katholischer Akademikerverband der Diözese Linz.
Linz 1981. 176 S. m. zahlr., z. T. färb. Abb.

Hinz, Paulus: Deus Homo. Das Christusbild von seinen Ursprüngen bis zur
Gegenwart. II: Von der Romanik bis zum Ausgang der Renaissance. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt 1981. 412 S. m. 248 Abb. auf Taf. 4 Lw. M 36,-; Ausland
46,-.

Krairiksh, P. u. a.: Das Heilige Bildnis - Skulpturen aus Thailand. Museen
der Stadt Köln 1980. Deutsch und englisch. Ausstellungskatalog 1979-1980.
Museen der Stadt Köln 1980.247 S., m. zahlr. Abb.

Kunstamt Berlin-Tempelhof [Hrsg.]: Tantrische Kunst des Buddhismus. Berlin
1981.316 S., m. zahlr., z. T. färb. Abb.

Rombold, Günter, u. Rainer Volp [Hrsg.]: Christusbilder unserer Zeit. Kunst
und Kirche 1981, H. 1,S. 1-37.

- : Zeichen von Religion in der modernen Kunst. Kunst und Kirche 1982,
H. 2,S. 57-95.

Schmied, Wieland [Hrsg.]: Zeichen des Glaubens - Geist der Avantgarde.

Religiöse Tendenzen in der Kunst des 20. Jahrhunderts. Stuttgart: Electa/
Klett-Cotta 1980.304 S., m. zahlr. Abb., z. T. färb. Geb. DM 55,-.

Schwebel, Horst: Das Christusbild in der bildenden Kunst der Gegenwart.
Textband. Gießen: Schmitz 1980. XIII, 180S.gr. 8* = Bild und Raum, [. Kart.
DM 29,80.

Uhlig, Helmut: Das Bild des Buddha. Buddha - Leben, Lehre und Legende.
Vorwort von H. Härtel. Berlin (West): Safari bei Ullstein 1979. 252 S., 152
Abb.,dav. 40 färb. 8 DM48,-.

-: Tantrische Kunst des Buddhismus. Berlin (West): Safari bei Ullstein 1981.
316S., 178 Abb., dav. 61 färb.

Wichelhaus, Manfred, u. Alex Stock: Bildtheologie und Bilddidaktik. Studien
zur religiösen Bildwelt. Düsseldorf: Patmos 1981. 144 S., m. zahlr. Abb. Kart.
DM 19,80.

Bastians „Theologie der Frage" . Wenn ich recht sehe, suchten sie
alle nach dem „Strukturgesetz der Inkarnation" (Bahr): Söhngen fand
dies in der kultisch evidenten Eschatologie, Bahr in der „Wahrhaftigkeit
als Stilprinzip"," welche Bastian seinerseits der Fragestruktur
zuordnete. Während ich in meinem Buch „Das Kunstwerk als Symbol
"12 Kriterien für eine Hermeneutik des Bildes vorschlug, hat Henning
Schröer den Aspekt der Wahrnehmungs-Anthropologie für künftige
Ästhetica in den Mittelpunkt gestellt und mit Recht betont, daß
ein Einzelner 'die Kriterien allein kaum mehr erarbeiten könne".
Damit trifft sich Rudolf Bohrens Tendenz, die Ästhetik nicht mehr
nur als einzelnes Element der Theologie, sondern als deren Grundlage
, noch vor der Ethik (!) in Gestalt praktischer Theologie zu etablieren14
. Auch wenn man bezweifeln kann, daß dies durch eine neue
Gewichtung der Lehre vom Heiligen Geist geschehen könne, wie Bohren
meint15, rückt damit die Kunst und mit ihr die Bilderfrage aus dem
Bannkreis einer spezialisierten Applikation heraus und gewinnt
zunehmend Bedeutung zur Fundierung theologischer bzw. wissenschaftstheoretischer
Fragen überhaupt16.

0. 3 Die neuerliche Gewichtung der Kunst und hier besonders der
Bilderfrage zeigt sich in einer Reihe von Neuerscheinungen zum
Thema Bild, insbesondere zum „Christusbild". Wenn es stimmen
sollte, daß schon die Frage nach dem Gottes- bzw. Christusbild zur
Fundierung theologischer Aussagen überhaupt gehört, weil darin das
Telos der Geschichte als vorweggenommen angesehen wird (Pannenberg
, Jüngel)", müßte das für alle Probleme der Gottesbeziehung über
rein ikonographische Fragen hinweg von Bedeutung sein. Die im folgenden
vorgestellten Bücher können naturgemäß nur einen kleinen
Ausschnitt aus einer sehr vie.l breiteren Debatte belegen.

1. Zur Geschichte des Christusbildes

1. 1 Unter dem Titel „Deus homo - Das Christusbild von seinen
Ursprüngen bis zur Gegenwart" legte Paulus Hinz bislang zwei von
drei geplanten Bänden vor, um die Problematik des Gottesbildes
historisch aufzuarbeiten18. Schon im ersten Band, den ich unberücksichtigt
lasse, weil ihn Klaus Wessel in der ThLZ (100, 1975
Sp. 376-381) besprach, widerspricht Hinz dem Vorurteil, Luther
habe das Gehör für wichtiger gehalten als das Gesicht: „Das Gehör ist
nach dem Gesicht (post visum) der feinste Sinn", 1532. Daraus ergibt
sich für Hinz die Aufgabe, die Spuren des Christusbildes als elementare
Belege bzw. Bekenntnisse des Christusglaubens nachzuzeichnen
.

Er folgt einem Prinzip von Topoi und Themen, innerhalb derer
chronologisch und topografisch sortiert wird. Nach der Behandlung
der „Majestas domini" in Werken des 12. Jh. wird der romanische
Kruzifixus im 2. Kapitel insbesondere am Beispiel der katalanischen
Form des „Cruzifijo en Majestad" erläutert und als Grundlage des
gekrönten Christus am Kreuz (Kap. 3) ausgewertet. Die Tendenz zur
Dramatisierung und Personalisierung deutet sich nach Hinz in den
Darstellungen der Kreuzabnahme an (Kap. 4). Bilder der Auferstehung
, welche gewöhnlich die Rückkehr ins Leben suggerieren, sieht
Hinz in frühchristlichen Symbolen präludiert und in Sarkophagbildern
präfiguriert (die Ostkirchen lehnen das Motiv bis heute ab).
Lebendig wird die Entwicklung des Weltenrichter-Tympanons beschrieben
, dessen Ausgang im dramatischen Weltgericht Michelangelos
allerdings dem 14. Kapitel vorbehalten bleibt. Denn der Renaissance
wendet sich Vf. erst zu, nachdem „Der gotische Menschenbruder
" (Kap. 7), „Der Passionschristus der Gotik" (Kap. 8), „Das
Vesperbild der Cömpassio-Mystik" (Kap. 8), „Der Seelenbräutigam
der gotischen Jesusminne" (Kap. 9) und der Logos als Schöpfer
(Kap. 11) abgehandelt worden ist. Es befremdet freilich, wenn, dem