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Ausgabe:

1983

Spalte:

307-309

Kategorie:

Ökumenik, Konfessionskunde

Titel/Untertitel:

... und wehret ihnen nicht! 1983

Rezensent:

Degen, Roland

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 4

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ständlich geduldet wurde und wird, als wenn einer dieses Leben angewidert
von eigener Hand verläßt" (91). Sein „Verständnisangebot"
läuft zuletzt darauf hinaus, „Suizidalität gleichermaßen als Ausdruck
einer psychotherapiebedürftigen psychischen Störung wie einer
freien, befreienden, persönlichen Entscheidung anzuerkennen" (111).
Ohne die kirchliche Praxis zurückliegender Jahrhunderte gegenüber
Selbstmördern (trotz allem!) etwa verteidigen zu wollen, wird m. E.
durch Scobel die Dammfunktion christlicher Ethik gegen die Suizidalität
zu wenig gewürdigt, ja ignoriert, wobei es darum geht, daß die
prinzipiell-ethische Negierung des Suizids keinesfalls auf den Suizidanten
übergreift. Diese Dammfunktion stellt nicht nur eine Behauptung
dar, sondern darf als zureichend empirisch belegt gelten. (Etwa
Sonneck 1982) Der Christliche Glaube mit seiner spezifischen
Lebenssicht steht dem Suizid entgegen und wirkt hier zweifellos aufhaltend
, was keineswegs ausschließt, daß in bestimmten Drucksituationen
, unter extremen Bedingungen Durchbrüche erfolgen.

Ein besonderer Hinweis gilt dem Beitrag Heinz Hensclcrs: „Psychoanalytische
Theorien zur Suizidalität" (113-135), in dem er auf
dem Hintergrund der Forschungen Freuds, Abrahams u. a. in geraffter
Form seine vielbeachtete Erweiterung, Differenzierung und Vertiefung
der psychoanalytischen Deutung suizidaler Entwicklungen (vgl.
dazu Henseler H.: Narzißtische Krisen. Zur Psychodynamik des
Selbstmords. Reinbek: Rowohlt 1974) abermals darstellt. Henseler,
der auf eine langjährige Praxiserfahrung in der Suizidantentherapie
zurückgreifen kann, sieht den Kernkonflikt der meisten Selbstmordgefährdeten
in ihrer ausgeprägten narzißtischen Problematik und
gewinnt von daher den Schlüssel kausaler Behandlung.

Der Band wird mit einem recht ungewöhnlichen Gemeinschaftsbeitrag
von Christian Reimer und Heinz Henseler „Mißglückte Interventionen
bei Suizidanten" (171-187) beschlossen. Als Fallberichte dargestellte
Mißerfolge sind in der Literatur tatsächlich ziemlich exzeptionell
, obwohl reflektierte Fehler wie kaum etwas anderes den Lernprozeß
voranbringen. Leider läßt es die Eitelkeit ganz selten zu,
andere darin einzubeziehen. Daß es hier geschieht, sei darum mit
besonderer Sympathie vermerkt.

Leipzig Manfred Haustein

Ökumenik: Allgemeines

MOller-Fahrenholz, Geiko [Hrsg.]: . . . und wehret ihnen nicht! Ein

ökumenisches Plädoyer für die Zulassung von Kindern zum
Abendmahl. Frankfurt/M.: Lembeck 1981. 115 S. 8*. Kart. DM
12,80.

Im April 1980 folgten etwa fünfzig Theologen und Pädagogen aus
aller Welt einer Einladung der Kommission für Glauben und Kirchenverfassung
und des Erziehungsbüros des Ökumenischen Rates
der Kirchen, um in der Ev. Akademie Bad Segeberg (BRD) über
„Abendmahl mit Kindern" nachzudenken. Die Abeitsergebnisse
dieser einwöchigen Konsultation einschließlich dort gehaltener Vorträge
liegen in diesem Band vor. Wenn es sich dabei auch weniger um
„ein ausgeglichenes Angebot von Argumenten und Gegenargumenten
" handelt, sondern in erster Linie eine ökumenische Diskussion
provoziert werden soll - wie U. Becker und W. H. Lazareth im Vorwort
betonen - ist diese Veröffentlichung zu begrüßen, weil sie die in
den meisten Kirchen der Welt aufgebrochene Frage nach der Teilnahme
von Kindern am Abendmahl mit stimulierenden Antworten
versieht.

Den Vorträgen ist der 22 Seiten umfassende Ergebnisbericht der
Konsultation vorangestellt. Nach einer knappen Einführung durch
den Herausgeber äußern sich die Teilnehmer in ihrem Bericht zur
Entstehung des Problems und zum Verhältnis von Taufe und Abendmahl
, teilen wichtige biblisch-theologische und psychologischpädagogische
Erwägungen mit und entwickeln Konsequenzen für
Gottesdienst und Gemeindeleben. Anhangsweise erscheint der Diskussionsbericht
einer BRD-Arbeitsgruppe, der sich auf die Situation
in den EKD-Kirchen konzentriert.

Gelegentliche Unausgeglichenheiten und Überschneidungen sind
beim Ergebnisbericht einer multikulturell und multikonfessionell
zusammengesetzten Tagung nicht verwunderlich. Umso erstaunlicher
, mit welcher Einmütigkeit Veränderungsabsichten für die Kirchen
benannt werden: „Die Kirchen sind zu einer Erneuerung ihrer
Theologien, Liturgien und Verhaltensweisen gerufen. Diese Erneuerung
sollte zusammen mit den Kindern beginnen" (26). „Die Teilnahme
von Kindern am Abendmahl ist ein notwendiger Schritt auf
dem Wege zu einem Gottesdienst, in dem Erwachsene und Kinder
miteinander und voneinander lernen, einander dienen und miteinander
die Gegenwart der Liebe Gottes in Christus feiern" (31). Wenn
die Taufe generell als Voraussetzung für die Abendmahlszulassung
gilt - von seelsorgerlich zu verantwortenden Ausnahmen abgesehen -
sollten sich die Kirchen weniger auf kaum überzeugende Altersgrenzenfixierungen
für die Zulassung konzentrieren, sondern sich im
Sinne des „Oikos Gottes" stärker um kindfreundliche Feierformen
mühen. Altersgemäße Vorbereitung auf das Abendmahl wird durchaus
empfohlen,'doch „die Teilnahme am Abendmahl könnte selber
ein wertvoller Teil solcher Unterweisung sein" (27). Der Bericht setzt
sich dabei ansatzweise gegen die naheliegende Gefahr zur Wehr,
wegen harter Unrechtssituationen in der gegenwärtigen Welt in ein
gesellschaftsfernes Kultghetto zu fliehen. Angesichts heutiger Unterdrückungsrealitäten
, unter denen besonders Kinder zu leiden haben,
„kann das Lernen von Kindern und ihre Annahme beim Abendmahl
auch als ein Hoffnungszeichen betrachtet werden, das durch andere
Aktionen der Kirche ergänzt werden sollte" (24).

Die dem Konsultationsbericht folgenden Vorträge werden durch
einen Beitrag von J. Sutcliffe (London) eingeleitet (35ff), der
„Ergebnisse einer Rundfrage" mitteilt. S. hatte u. a. über Kirchenzeitungen
von Kindern und Eltern in vielen Teilen der Welt Antworten
zum Thema erbeten. Wenn auch die aus einer großen Zahl von Zusendungen
mitgeteilten Zitate nicht den wissenschaftlichen Anspruch
einer Umfrageuntersuchung erheben können, zeigen sie doch eindrücklich
, welche Verstehensmöglichkeiten Kinder besitzen und was
ihr Ausschluß vom Abendmahl bewirkt.

In „Das Abendmahl als Sakrament der Gemeinschaft" (52ff) zeigt
K. H. Bieritz (Leipzig) „Konsequenzen für die Abendmahlsunterweisung
und -Zulassung". Wie auch andere Stimmen in dieser Veröffentlichung
setzt er sich kritisch mit dem traditionellen (Miß-)Ver-
ständnis von 1 Kor 11,27 ff auseinander und fragt, „ob nicht der Ausschluß
von Kindern vom Abendmahl in gleicher Weise die Achtung
gegenüber dem Leib des Herrn verletzt und damit die Abendmahlswirklichkeit
gefährdet wie das unbrüderliche Verhalten der Korinther
" (61). Er betont den Primat der Erfahrung gegenüber nur kognitiver
Belehrung („Abendmahlsunterweisung setzt Abendmahlserfahrung
voraus"; 62) und die Bedeutung von familienähnlichen Basisgruppen
für die Erneuerung der Abendmahlspraxis.

Der mit Leidenschaft formulierte orthodoxe Beitrag von

C. Argenti (Marseille) „Kinder und Abendmahl" (67ff) nennt den
Ausschluß der Kinder von der Eucharistie „eine aufs Alter fußende
rassische Trennung", die der orthodoxen Tradition zutiefst widerspricht
. A. verweist auf Theologie und Praxis der Alten Kirche und
betont die sachliche und zeitliche Zusammengehörigkeit von Taufe
und Abendmahl: „Da die eucharist. Versammlung die Kirche ist, wie
kann jemand getauft sein und doch nicht zur eucharist. Versammlung
zugelassen werden (74)?"

Auf diesen besonders die Protestant. Traditionen provozierenden
Beitrag folgt eine kirchengeschichtliche Themaskizze von

D. R. Holeton (z. Zt. Paris), „Das Säuglings- und Kinderabend-
mahl" (79 ff). Dieses an Detailinformationen reiche Referat resümiert
für die frühe Kirche: „In der Frühzeit des christlichen Westens waren