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Ausgabe:

1983

Spalte:

296-300

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Greiner, Friedemann

Titel/Untertitel:

Die Menschlichkeit der Offenbarung 1983

Rezensent:

Hübner, Siegfried

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295

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 4

296

Nur beispielhaft sei auf einige dieser Vorträge besonders hingewiesen
.

G. Baumbach gibt eine schöne, übersichtliche „Untersuchung
der ,ekklesiologischen' Typen des Frühjudentums" (93-114). E.
Dinkler untersucht „Die ekklesiologischen Aussagen des Paulus"
(115-139). Er kennzeichnet seinen Beitrag ausdrücklich als „Korrektiv
" dessen, „was entweder in^Barmen zu einseitig betont oder sogar
übergangen war, und dessen, was in der Gegenwart übergangen bzw.
übersehen wird". Immer wieder betont er bei Paulus die Diastase der
Kirche zur Welt. Aufgabe der Kirche ist nicht das, „was man politische
oder/und soziale ,Weltverantwortung' zu nennen pflegt, ...
sondern ihre Aufgabe gegenüber der Welt liegt in dem .politischen'
Skandalon der Verkündigung des Heils in Christus". Dinkler warnt
davor, die Liebe aus dem Kairos der Begegnung herausnehmen und
programmieren zu wollen. „Eine programmierte ,Liebe* ist Wohlfahrt
'." K.M. Fischer wendet seine Aufmerksamkeit (140-148)
dem Schriftwort der 3. Barmer These zu: Eph 4,15f. Er stellt überraschende
Analogien in der äußeren Situation des Epheserbriefes und
der Barmer Erklärung heraus. Dies ist jedoch insofern eine gelehrte
Überinterpretation, als diese Einsichten sich erst durch die neuesten
exegetischen Fragestellungen eröffnen, also für die Wahl des Textes
im Jahre 1934 kaum maßgebend gewesen sein dürften. G. Ruhbach
gibt einen ebenso kenntnisreichen wie wohltuend nüchternen Überblick
über „Die Auseinandersetzung um das Kirchenverständnis zwischen
1918 und 1945 im Blick auf Barmen III" (149-169). R. W e t h
greift dann den Faden der Geschichte gewissermaßen da auf, wo ihn
Ruhbach hat fallen lassen: „Theologische Ekklesiologie nach 1945 im
kritischen Horizont des Barmer Bekenntnisses (Barmen III)"
(170-222). Er beschränkt sich jedoch nicht auf die kritische Vorstellung
ekklesiologischer Lehrentwürfe von Bonhoeffer über Eiert, Molt-
mann und andere bis zu Barth, sondern er liefert selbst eine engagierte
Auslegung von Barmen III unter der nicht ganz ungefährlichen her-
meneutischen Regel: „Insgesamt ist nicht nur danach zu fragen, was
die Verfasser von Barmen gemeint haben. Sondern es ist auch zu fragen
, was sie gesagt haben, ohne es vielleicht ausdrücklich gemeint zu
haben." Durch Weths Ausführungen zieht sich als polemisches
Grundmotiv die bedingungslose Kritik von „Volkskirche", was auch
immer darunter verstanden werden mag. H.-G. Geyer stellt „Betrachtungen
über die Möglichkeit der Wahrheit einer christlichen Kirche
" an (223-248). Das ist ein hinsichtlich Terminologie und Stil
äußerst anspruchsvoller und, wie es zunächst den Anschein hat, völlig
abstrakter Traktat. Aber voll Staunen erlebt man, wie es Geyer immer
wieder gelingt, von den grundsätzlichen Erwägungen über „Wesen
und Dasein", über „Wahrheit und Wirklichkeit", über „fundamentale
Einseitigkeit" und „funktionale Gegenseitigkeit" der Kirche her
zu konkreten Fragen kirchlicher Gestaltung und Aufgabe heute vorzustoßen
. So steht am Ende des Vortrags die kompromißlose Forderung
nach „Widerstand gegen die Verwüstung der Erde durch deren
Einrichtung zu einem interkontinentalen Depot von Todesmitteln".
Der entscheidende Begriff, der aus dem Grundsätzlichen ins Aktuell-
Alltägliche hinüberführt, ist „mimetische Praxis", durch den Botschaft
wie Ordnung der Kirche gemeinsam in den Dienst des Christuszeugnisses
gestellt werden. W. Huber beschreibt „Die wirkliche Kirche
" (249-277) als das notwendig spannungsvolle Kampfgeschehen
zwischen wahrer Kirche und Scheinkirche. Institutionalisierung ist
für die Kirche um ihrer zeitlichen Dauer und der räumlichen Ausbreitung
willen unaufgebbar, wenn sie nur als Antwort ständig bezogen
bleibt auf die vorgängige Stiftung der Kirche durch Christus.

Überblickt man die Reihe der Ausschuß-Vorträge, so fällt auf, daß
leider eine theologie- und rechtsgeschichtliche Exegese der Barmer
Thesen im Kontext der Präambel und der weiteren Erklärungen der
Synode fehlt. Nur bei Ruhbach gibt es einige Andeutungen in dieser
Richtung.

Das Votum selbst (Bd. II) besteht aus drei Teilen. I: „Fragen an die
Kirche" (330- Hier wird die Situation, 46 Jahre nach Barmen,
gekennzeichnet, in die hinein das Votum spricht. II: „Die Grundentscheidungen
von Barmen im Blick auf Wahrheit und Auftrag der Kirche
" (35-55). Ausgehend von der Spannung von geglaubter und erfahrener
Kirche wird der Text von Barmen III nach christologischer
Grundlegung und praktischem Vollzug in Zeugenschaft und Abwehr
aller Fremdbestimmung entfaltet. Der III. Teil schließlich heißt „Gemeinde
von Schwestern und Brüdern - Barmen als Weisung"
(57-128). Hier werden in 9 Kapiteln aktuelle ekklesiologische Probleme
nach den Maßgaben Barmens besprochen. Die Weite des Horizonts
wird nicht nur durch die Aufnahme von Themen wie Gottesdienstgestaltung
, Evangelisation und Diakonat, sondern vor allem
daran deutlich, daß auch zwei Themenkreise bedacht werden, die in
Barmen selbst nicht ausdrücklich zu Wort kamen: die Ökumene und
das Verhältnis zu Israel. Dieser umfangreichste Teil des Votums stellt
einen umfassenden Katalog aller gegenwärtigen ekklesiologischen
Fragen und derbrennenden Aufgaben dar. Und erbietet überall nachdenkensweite
, besonnene „Entscheidungshilfen" (wie es ursprünglich
weniger vollmundig statt „Weisungen" hatte heißen sollen). Der
Generalnenner aller Aussagen ist die Zusammengehörigkeit von Botschaft
und Ordnung der Kirche auf der Ebene des Zeugnisses bei ständig
festgehaltenem „Gefälle" von der Botschaft zur Ordnung.

Wer von den Vorträgen (Bd. I) her zum Votum kommt, dem wird es
vermutlich wie mirgehen, nämlich daß er überrascht ist, welche praktische
Relevanz das Ergebnis hat. Da ich an der Arbeit.des Ausschusses
während der ersten drei Sitzungen teilnehmen konnte (darum steht
mein Name - mit Schreibfehler - noch versehentlich im Mitgliederverzeichnis
), kann ich beurteilen, welche intensive, höchst spannungsreiche
Arbeit zwischen den ersten Sitzungen und diesem Ergebnis
geleistet worden ist.

Es ist im Rahmen dieser Anzeige nicht möglich und auch nicht
sinnvoll, auf Einzelheiten in Zustimmung und Widerspruch einzugehen
. Das Votum ist dazu gedacht, daß es überall in der Kirche, in den
Gemeinden und den Leitungen, studiert und besprochen wird. Dem
dienen eine Einführung, die H. Schröer (im Bd. II) beigesteuert hat,
und vor allem eine gesondert beigefügte methodische „Arbeitshilfe".
Bei solcher Arbeit mit dem Votum sollte man auch die „Fünfzehn
Fragen an Barmen III", die H. Schröer in Bd. I, 28-36 formuliert hat,
mit heranziehen.

Neben kleineren Druckfehlern sind folgende Stellen zu berichtigen:
Bd. I, S. 244, Z. 17 v. u. Gottes/ciWschaft
Bd. II, S. 67, Z. 17u. 14 v. u. Mißver/iä/Mii
Bd. II, S. 114, Z. 5/4 v. u. Theologie

Erfurt • Martin Henschel

Greiner, Friedemann: Die Menschlichkeit der Offenbarung. Die

transzendentale Grundlegung der Theologie bei Karl Rahner.
München: Kaiser 1978. IV, 307 S. 8' = Münchener Monographien
zur historischen und systematischen Theologie, 2. Kart.
DM 45,-.

In dieser im Fachbereich Evangelische Theologie der Universität
München unter Leitung von W. Pannenberg entstandenen Dissertation
stellt G. sich die Aufgabe, die von K. Rahner (R.) für das theologische
Denken reklamierte transzendentale (tr.e) Methode daraufhin
zu untersuchen, ob sie sich als geeignetes Instrument für die
Durchsetzung von dessen theologischen Intentionen erweist, eine Problematik
, die G. in den bisherigen Auseinandersetzungen mit der
Theologie R.s noch nicht genügend thematisiert findet. Er kommt zu
folgendem Ergebnis: „R. hat ... der Einsicht in die Menschlichkeit
der Offenbarung" unter mehrfachem Aspekt „zur Durchsetzung ver-
holfen" (295). Seinen Intentionen, die anthropologische Dimension
der Theologie zurGeltung zu bringen, ist uneingeschränkt zuzustimmen
. Es ist aber festzustellen, „daß die Art und Weise der von R. entwickelten
tr.en Methode theologisch aporetische Tendenzen provoziert
, die zu einer faktischen Verkehrung der ursprünglichen Absicht
führen" (2950- Vor allem vermag die „tr.e Begründung der religiösen