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Ausgabe:

1983

Spalte:

285

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Schleiermacher, Friedrich

Titel/Untertitel:

Brouillon zur Ethik 1983

Rezensent:

Petzold, Martin

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285

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 4

286

1 Jeder der Einzclbände dieser Ausgabe enthält Literaturhinweise. Eine ausführliche
bibliographische Übersicht über Textausgaben, Gesamtdarstellungen
und Einzelstudien ist enthalten in: G. Wehr, J. Böhme, der Geisterlehrer und
Seelenführer, Freiburg 1979; s. auch Ders., Alle Weisheit ist von Gott. Gestalten
und Wirkungen christlicher Theosophie: V. Weigel - J. Böhme - J. V. An-'
dreae - F. Chr. Oetinger - M. Hahn, Gütersloh 1980. Weitere bibliogr. Angaben
enthalten auch die gesonderten Publikationen von Wehr über
F. Chr. Oetinger (Freiburg 1978) und F. v. Baader (ebd. 1980). Über Böhme als
Gestalt der evangelischen Kirchengeschichte s. auch den Beitrag des Rez. im
Sammelwerk „Gestalten der Kirchengeschichte", hrsg. von M. Greschat,
Bd. VII, Stuttgart 1982, S. 79-98. Über die neueren Veröffentlichungen, u. a. in
den USA und Frankreich, orientiert die Pietismus-Bibliographie des Jahrbuchs
fiir die Geschichte des neueren Protestantismus (JGP).

4 Vgl. die Angaben bei W. Buddecke, Die J. Böhme-Ausgaben I: Die Ausgaben
in dt. Sprache, Göttingen 1937 (Hainbergschriften 5); jetzt: G. Dünnhaupt,
Bibliographisches Handbuch der Barockliteratur. Teil 1 A-G, Stuttgart 1980,
389 ff.

5 S. die Besprechung von W. Buddecke in ThLZ 85, 1960 Sp. 450-454; 89,
1964 Sp. 51-54. Zur Chronologie der Schriften sind auch zu beachten:
H. Grunsky, J.Böhme, 1956, 309ff; Buddecke, Die J.Böhme-Ausgaben II,
S. XVI11.

* S. den Bericht des Rez. in DLZ 90, 1969 Sp. 684-688. Vgl. auch die Kurz-
charaktcristik im Hdb. der Editionen, 68. -
Hdb. d. Editionen, 67.

" Über die Mängel der Ausgabe von K. W. Schiebler (1831-47 und spätere
Neudrucke) s. Hdb. der Editionen, 67.

Schleiermacher, Friedrich Daniel Ernst: Brouillon zur Ethik
(1805/06). Auf der Grundlage der Ausgabe von Otto Braun, hrsg.
u. eingel. v. H.-J. Birkner. Hamburg: Meiner 1981. XXXIV, 163 S.
8' = Philosophische Bibliothek, 334. Kart. DM 28,-.

-: Ethik (1812/13). Mit späteren Fassungen der Einleitung, Güterlehre
und Pflichtenlehre. Auf der Grundlage der Ausgabe von
O. Braun, hrsg. u. eingel. v. H.-J. Birkner. Hamburg: Meiner 1981.
XL, 324 S. 8- = Philosophische Bibliothek, 335. Kart. DM 38,-.

Beide Texte wurden vollständig erstmals in einer vierbändigen
Werkauswahl Schleiermachers von Otto Braun 1913 (2. Aufl. 1927)
herausgegeben. Jetzt hat H.-J. Birkner beide Werke auf der Grundlage
der Edition Brauns und mit dem originalen Seitenspiegel wieder vorgelegt
. Dabei gibt der Hrsg. neben der eigenen Seitenzählung auch die
Brauns (am oberen inneren Rand in Klammern) und daneben die des
Originalmanuskripts an. Der Neudruck erscheint insofern gerechtfertigt
, „als die seit 1980 erscheinende Kritische Gesamtausgabe
die Edition der Vorlesungen Schleiermachers erst für eine spätere Arbeitsphase
vorsieht" (334, XXIII). Von insgesamt 9 Manuskripten zu
Schleicrmachers System der Ethik (i. e. philosophische Ethik) sind in
diesen beiden Bänden der Philosophischen Bibliothek sechs veröffent-
•'cht (vgl. die Übersicht 334, XXII).

PhB 334 enthält das in Halle entstandene „Brouillon zur Ethik", der erste der
beiden Gesamtentwürfe. Charakteristisch sind die skizzenhafte Fixierung des
Gedankengangs und die wenig ausgeführte Einleitung; typisch ist hier bereits
der „Grundriß der Ethik, der von da an für Schleiermachers Entwürfe bestimmend
geblieben ist" (334, XXVI): Einleitung, Güterlehre, Tugendlehre, Pflich-
•enlehre. Mitten in der Pflichtcnlchre bricht der Entwurf ab, da das Semester zu
Ende war.

phB 335 enthält den zweiten Gesamtentwurf: die Ethik von 1812/13. die in
zwei Manuskripten überliefert ist. Das eine faßt Einleitung und Güterlehre in
s'ch, das zweite Tugendlehre und Pflichtcnlchre. Dazu kommen die letzten Bearbeitungen
der Einleitung, der Güterlchre (beide vermutlich 1816/17) und der
p1ichtenlehre (vermutlich 1814/17). Schon im Brouillon, aber noch viel stärker
in der Ethik, zeigt sich der Schwerpunkt in der Güterlehre.

M.P.

Christliche Kunst und Literatur

Kaiser-Minn, Helga: Die Erschaffung des Menschen auf den spätantiken
Monumenten des 3. und 4. Jahrhunderts. Münster/Westf.
AschendorfT 1981. VIII, 138 S., 4 Anhänge mit Zeichnungen, 52
Tafeln. 4" = Jahrbuch für Antike und Christentum, Erg.-Bd. 6. Kart.
DM 92,-; Lw. 98,-.

Daß eine frühe Schicht christlicher Kunst in engem formalen Zusammenhang
mit Heidnischem steht, ist seit langem bekannt. So sind
auch Szenen der Urgeschichte in der christlichen Sarkophagplastik
entsprechenden Prometheus-Szenen nachgestaltet. Diesem Thema ist
die vorliegende Heidelberger Dissertation gewidmet. Die Vfn. untersucht
speziell das Thema der Erschaffung des Menschen, bezieht aber
auch die Darstellung des Sündenfalles ein, die ebenfalls eine gewisse
Entsprechung auf heidnischen Denkmälern hat. Ausgangspunkt sind
sieben christliche Darstellungen, die allesamt der 1. Hälfte des 4. Jh.
angehören, und die - soweit der oft fragmentarische Zustand ein U rtei I
erlaubt - in verschiedener Weise die Erschaffung des Menschen
wiedergeben: Evas oder/und Adams durch Christus oder durch Gottvater
, evtl. mit assistierendem Christus oder einer anderen Gestalt.
(Schwierig bleibt die Deutung der Gestalt des Lat. 104, die Eva die
Hand auflegt, als Christus). Oft ist der Sündenfall angefügt. Vorbild
dieser Szenen war die besonders in der Grabeskunst beheimatete Darstellung
des Menschen schaffenden Prometheus, zu dem Athena treten
kann, die zumeist dem Geschöpf die Psyche in Gestalt eines
Schmetterlings einsetzt. Die Szene tendiert zur Ausweitung zum Zyklus
, zu dem vor allem die Fortführung der wieder vom Körper gelösten
Seele durch Hermes Psychopompos gehört, aber auch eine Szene,
die ein nacktes Menschenpaar mit Baum und gelegentlich mit
Schlange zeigt.

Da zunächst die formale Abhängigkeit im Blick ist, ergibt sich eine
gewisse Inkonsequenz. Auf den heidnischen Denkmälern ist die Erschaffung
des Menschen durch Prometheus die dominierende Szene,
der andere angeschlossen werden können. Auf den christlichen Sarkophagen
dagegen ist der Sündenfall die häufigere Szene, und die Schöpfungsszene
kann eher als gelegentliche Erweiterung angesehen werden
. Der Sündenfall aber steht in der Sarkophagplastik in engstem Zusammenhang
mit der Arbeitszuweisung an die Ureltern durch Christus
. Da diese kein heidnisches Vorbild hat, ist sie aus der Betrachtung
ausgeschlossen. Doch bleibt zu fragen, ob nicht gerade von hier der-
verchristlichte - Sinn des ganzen Themenkreises zu erschließen ist.
Dagegen behandelt Vfn. wegen der formalen Verwandtschaft die
Erweckung der Totengebeine (Ez 37) durch Christus. Diese ist jedoch
eine eigene, unabhängige Szene.

Obwohl die Vfn. eine Menge literarischer und monumentaler Quellen
heranzieht, entbehren ihre Deutungen letzter Sicherheit (was am
Stoff liegt). Jedoch wird man ihr gern zustimmen, wenn sie die Aussage
der späten Prometheussarkophage in der Befreiung der Seele
erblickt: „der irdische Körper ist vergänglich, ... nicht irdisch, sondern
unvergänglich ist die Seele des Menschen". Die christlichen Szenen
dagegen zeigen sich nicht „an dieser dualistischen Sicht interessiert
". Vielmehr spricht sich in ihnen die Hoffnung aus, „daß der,
der den Menschen aus Erde geformt hat, auch die Macht hat, zum
Leben zu erwecken" (S. 115). Der Rezensent (der 1966 als Deutung
der Szene die Bitte ,Nimm dich deines Geschöpfes an' vorgeschlagen
hatte) kann dem nur zustimmen. - Freilich muß auch die Frage offengehalten
werden, ob nicht hinter der Wahl dieser Szenen und ihrer
Sinngebung manches stecken könnte, was aus dem Heidentum mitgebracht
wurde und eben nicht orthodox-kirchlich interpretiert
werden kann. Schon die Darstellung Gottvaters an den Anfängen
christlicher Kunstübung muß ja befremden.

Die Arbeit stellt einen Schritt zur weiteren Erschließung der frühchristlichen
Grabeskunst dar, die immer noch eine große Zahl ungelöster
Probleme bereithält.

Greifswald

Hans Georg Thümmcl