Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1983

Spalte:

267-269

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Klauck, Hans-Josef

Titel/Untertitel:

Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten 1983

Rezensent:

Jörns, Klaus-Peter

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

267

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 4

268

von der „Leistung" als dem einzigen Weg zum Heil (76), und die Bemängelung
der „kultisch-dinghaften" Reinhertsvorstellungen (191).

Aufs Ganze gesehen bietet G. neben den Forschungsüberblicken
eine Fülle von Informationen historischer, religionsgeschichtlicher
und theologischer Art. Daß die Auslegung gelegentlich den Boden des
von Markus offenbar Gemeinten überschreitet und allgemeinere
bibeltheologische Gesichtspunkte zur Sprache bringt (z. B. 285 die Erwägungen
zu 10,27), wird der in praktischer Exegese engagierte Leser,
dem das Werk wohl in erster Linie zugedacht ist, nicht bemängeln,
sondern mit besonderer Dankbarkeit hinnehmen.

Helsinki Heikki Räisänen

Klauck, Hans-Josef: Allegorie und Allegorese in synoptischen Gleichnistexten
. Münster/W.: Aschendorff 1978. VIII, 410 S. gr. 8° =
Neutestamentliche Abhandlgn., N. F. 13. Lw. DM 110,-.

K. müht sich in seiner Dissertation (Kath.-theol. Fachbereich München
1977, Referent: Prof. Dr. Joachim Gnilka) darum, Allegorie
(s. u.), Allegorese (eine exegetische Methode, „die Technik des allegorischen
Kommentars", S. 145) und Allegorisierung (eine nachträgliche
Textbearbeitung, die seine allegorischen Elemente ausbaut) wieder
zu literarischem Ansehen und in der Exegese zu gleichrangiger
Beachtung neben anderen sprachlichen Elementen zu verhelfen. Es
geht also um einen gezielten Gegenentwurf zur „allgemeinen Verketzerung
" (H.-G. Gadamer) der Allegorie in der Ästhetik des 19. Jahrhunderts
(S. 355) und durch die Gleichnisauslegung vor allem A. Jülichers
.

Zentrale Thesen des Buches sehe ich in zwei Grundaussagen
Klaucks beschrieben, die beide mit Vorurteilen gegenüber Allegorien,
Allegoresen und Allegorisierungen aufräumen und den Vorwurf der
„Unechtheit" (was immer das auch sei!) überprüfen wollen. Die erste
Grundaussage lautet: „Die Allegorie ist eine rhetorische und poetische
Verfahrensweise... Sie konstituiert selbst keine eigene Gattung
, sondern geht mit den verschiedensten Gattungen, nicht zuletzt
mit parabolischen Kleinformen wie Gleichnis und Fabel, eine mehr
oder minder enge Verbindung ein. Ihr Effekt besteht darin, daß sie den
Texten eine symbolische Dimension verleiht." (S. 354, am Anfang
der ausführlichen, gelegentlich aber das Buch bereits überschreitenden
„Zusammenfassung"). „Das Allegorische" (dieser Begriff verun-
klart die oben zitierten Differenzierungen leider wieder) habe folgende
, in unterschiedlicher Verbindung auftretende „Aufbauelemente
": „Metaphern jeglicher Art, besonders konventionalisierte
Metaphern" (S. 354, vgl. 143; dem Nachweis solcher, sich in der
[alten] Weltliteratur durchhaltender Konventionen dient viel Raum;
ich finde da Ansätze zu einer semantischen Ontologie, werde auch an
C. G. Jungs Archetypen-Lehre erinnert), einen die Allegorie konstituierenden
situativen Kontext, einen „referentialen Außenbezug"
z. B. auf den Erzählenden, wobei es dann bei Jesus zu „einem indirekten
christologischen Anspruch" komme (S. 357), und „punktuelle
Identifizierbarkeit" auch von Realien, gelegentlich aufgrund bewußter
Verschlüsselung. Zum Erfassen des „Allegorieanteils" in den
Gleichnistexten schlägt K. ein von G. Hough übernommenes „Skalen
- oder Zirkelmodell" vor (S. 134ff. 354), das recht mechanisch
angewendet wird und die semio-ontologische Position des Autors
bezeugt. Mit anderen Worten: Einzig über das „Bildfeld" (nach
H. Weinrichs Theorie, vgl. S. 141 ff) einer Metapher im Gleichnistext
gewinnen nach K. Gleichnisse ihre symbolische Kraft und die Fähigkeit
, die Menschen heute verkündigend anzusprechen. Deshalb lassen
sich nach K. Allegorie und synoptische Gleichnisse nicht auseinanderrücken
, schon gar nicht qualitativ. Ja, der Autor geht im letzten
Satz seines Buches, den ich als die zweite Grundaussage auffasse, so
weit zu sagen: es gelte der hermeneutische „Leitsatz: ohne Interpretation
keine Tradition. Auf die Gleichnisüberlieferung angewandt
bedeutet dies: ohne die Allegorisierung besäßen wir die Gleichnisse

Jesu überhaupt nicht mehr" (S. 361). Abgesehen davon, daß diese
These einmal im Blick auf das Fehlen der (synoptischen) Gleichnisse
im Johannesevangelium überprüft werden müßte, - wollte ich im
Sinn klassischer kontroverstheologischer Dialoge urteilen, müßte ich
sagen: hier verbindet sich das literarisch-exegetische Interesse des
Autors an der Allegorie (das ich teile) mit dem „katholischen" Interesse
an der besonderen Wertschätzung der Tradition, die mit den Kriterien
dieser Arbeit betrachtet dann eben als erlaubte, ja notwendige
Allegorisierung des alten (biblischen) Stoffes erscheint. Wörtlich:
„Die Allegorisierung erlaubt es, die verklungene Stimme des irdischen
Jesus der glaubenden Gemeinde als viva vöx ihres erhöhten Herrn zu
Gehör zu bringen" (S. 361)! Der Christus praesens - Ergebnis alle-
gorisierender Ausschöpfung metaphorischer Textelemente? Unabsichtlich
legt K. damit ein sprach- bzw. genauer: semio-ontologisches
homiletisches Modell vor - Predigt als Allegorisierung biblischer
Texte, wobei an die in den Texten ./festliegenden Metaphern anzuknüpfen
wäre und die „Bildfelder" abgeschritten werden müßten, die
die heutigen Hörer/Leser durch ihre Assoziationen mitkonstituieren.
(Ich frage mich, warum K. im Titel des Buches die Allegorisierung, die
ihm besonders nah am Herzen liegt, nicht genannt hat.)

Meine Kritik möchte ich nun an einem Nebenzug des Buches festmachen
. Im Teil E, „Auswertung" genannt, S. 340ff (Teil A, S. 4ff,
handelt „Zur Forschungsgeschichte", Teil B, 32 ff, „Zur Allegorik im
antiken Schrifttum"; Teil C, S. 132ff, geht - viel zu kurz und angelesen
wirkend-auf „Literaturwissenschaftliche Aspekte" ein; Teil D,
S. 148 ff, bringt „Einzeluntersuchungen" zu metaphorischen Stücken
in Mk2; 3; 4; 7; 9; 12 und 13), geht K. Beobachtungen zu gewissen
Verwandtschaftsmerkmalen zwischen Gleichnissen und Wunderhandlungen
Jesu nach: „Auch in authentischen Jesusgleichnissen
werden Metaphern verwandt, und die Exorzismen und Heilungswunder
des Irdischen haben von Hause aus eine zeichenhafte Dimension.
Sie künden durch die Tat, was die Gleichnisse ins Wort fassen: den
Anbruch der Basileia ..." (S. 353, vgl. 359). Die Allegorisierung von
Gleichnissen und Wundern sei gleichermaßen als Chance zu „christo-
logischer Vertiefung und paränetischer Auswertung" genutzt worden
(S. 353)-und zu nutzen.

Da finde ich nun, daß der Autor in gewisser Weise zu kurz und
dadurch sachlich daneben greift. Auch sein schärfster Rezensent,
W.Harnisch (in: Verkündigung und Forschung, Heft 1/1979, 53ff,
hier: 71-76), begnügt sich an diesem Punkt mit kurzen, unkritischen
Strichen. Denn: Auch mir legen zwar die strukturellen Übereinstimmungen
zwischen beiden Textgattungen nahe, eine gemeinsame und
wesenhafte Beziehung zum Anbruch der Basileia anzunehmen. Aber
damit ist es nicht genug. Die Basileia ist kein Abstraktum, und darum
gehört zu der genannten Beziehung auch jene Beziehung zu Jesus als
Redendem und Handelndem hinzu. Und im Unterschied zu K.
möchte ich dann gerade nicht auf das tabellarische Ablesen des „Allegorieanteils
" der Texte abheben, wenn es um das Verstehen geht, sondern
mit P. Ricoeur als „das" zu Verstehende mich selbst im Anbruch
der Gottesherrschaft begreifen und-das ganze Gleichnis und die ganze
Wunderhandlung als Metapher, die mein Leben von Jesus her und
mit ihm zu einer neuen Existenz transzendieren will. Anders ausgedrückt
: Es sind nicht die Einzelzüge, um die es geht, und sie verweisen
auch nicht per Analogieschluß oder als Symbol auf etwas außerhalb
Liegendes, Geschehendes. Gleichnis und Wunder reden nicht über
Tertiäres (das dann im „tertium comparationis" komprimiert, als
„Skopos", homiletisch ausgeschlachtet werden müßte, als seien
Gleichnis und Wunder abstreifbare Hüllen für allgemeine Sätze, um
die es in Wahrheit gehe!); sie reden vielmehr, indem sie erzählen, von
dem neuen Leben in der Basileia. In den Erzählungen ist dieses Leben,
ist Jesus auch als der Christus, präsent. Also doch Sprachontologie,
nur anders? Nein, es geht um die Abwehr jeder auf dem Analogieschlußverfahren
basierenden Auslegungstechnik, die vordem Hörer/
Leser vorgenommen wird, gewissermaßen das neue Leben als „Kopfgeburt
" (G. Grass) zustandebringen will. Und es geht um das Festhalten
daran, daß alles Reden (und alles tradierende Reden umso mehr)