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Ausgabe:

1983

Spalte:

224-227

Kategorie:

Praktische Theologie

Autor/Hrsg.:

Wintzer, Friedrich

Titel/Untertitel:

Praktische Theologie 1983

Rezensent:

Winkler, Eberhard

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223

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 3

224

zip kritisiert (S. 107fT). Das alles hat den Graben zwischen der katholischen
Kirche und der modernen Kultur einmal mehr vertieft. Der
Modernismus als Bewegung ist dann verschwunden, seine kritischen
Anfragen sind geblieben.

Für den Weg zu einer neuen Fundamentaltheologie sind Karl
Adam, Karl Eschweiler, Gottlieb Söhngen und die „Nouvelle Theologie
*' in Frankreich wichtig (S. 149ff). Jetzt wird die Glaubensvorstellung
personalisiert, Glaube ist nicht mehr ein „Fürwahrhalten".
Menschliche Existenz ist latent auf Transzendenz angelegt. Der
ursprüngliche Thomas erfährt eine neue Wertung und wird zum Teil
gegen die traditionelle Fundamentaltheologie gestellt; Traditionstheologie
im neuen Sinn steht gegen die Konklusionstheologie. Söhngen
argumentiert heilsgeschichtlich, wobei er diese Argumentation als
Begrenzung der Metaphysik versteht. Wandlungen in Lehrbüchern
der Fundamentaltheologie gibt es erst nach dem Vatikanum II. Jetzt
wird auf die konfessionelle Polemik verzichtet, die Exegese wird
berücksichtigt, das Phänomen des Atheismus wird ernstgenommen.
Grundsätzlich geht es aber immer um das „intelligible am credibile".
Fundamentaltheologie nähert sich nun aber der hermencutischen
Fragestellung (S. 211).

Unumkehrbare Entwicklungen erfolgen zunächst durch die „Nouvelle
Theologie" (S. 221 ff). Apologetik soll zur Selbstdarstellung des
Glaubens werden. Im Offenbarungsproblem soll gleichsam von innen
her auch der Offenbarungsempfanger mitbedacht werden. Reflexionen
auf eine „natura pura" werden abgelehnt. Die Übernatur wird
personalisiert und vergeschichtlicht. Wunder- und Weissagungsbeweise
gehen auf Jesus über: er ist das entscheidende Zeichen! Die
„demonstratio catholica" wird zur Reflexion über die Christusverkündigung
in der Kirche. Die „Nouvelle Theologie" wurde zwar vom
Lehramt kritisiert („Humani generis" von 1950) - ihr Einfluß ist aber
beträchtlich. In ihrer Tradition steht beispielsweise Rahner, der allerdings
ein theologisches Denkprinzip der „natura pura" festhalten
möchte.

Mit Rahner wird der programmatische Begriff des „übernatürlichen
Existentials" wichtig, der das traditionelle Natur-Gnade-Schema ablöst
(S. 250f). Nach Rahner soll die Fundamentaltheologie zeigen,
warum sich der Mensch überhaupt mit der Offenbarung beschäftigt.
Nach Rahner ist der Mensch der in die Dimension der Geschichte
Verwiesene und auf eine Option hin Angelegte; das ist die Vorgestalt
der Gnade. Fundamentaltheologie reflektiert die Bedingungen der
Heilsgeschichte (dieses Programm ist in das großangelegte Werk
„Mysterium Salutis" eingegangen, S. 258). Rahner fordert zusätzlich
den sog. Grundkurs, der dem denkenden Menschen und vor allem
dem jungen Theologen hilft, ein sacrificium intellectus zu vermeiden
(S. 267).

Flurys Rückblick zeigt den Standort des Autors (S. 281 IT). Wichtig
ist ihm u. a. die kritische Frage, ob ein apologetisch geführter Dialog
zwischen Theologie und heutigem Denken nicht immerein „erschlichener
" Dialog ist (S. 294), der dann scheitern muß. Mit Pascal wäre
eine Apologetik zu finden, die nicht beweisen, sondern „verstehbar
machen" will. Zwar geht es der Fundamentaltheologie um Zeitgenossenschaft
, um eine Sprache der Zeit und um den Dialog mit der Wissenschaft
. Das Sich-Einlassen auf die Ratio schafft aber bis heute
leicht eine Selbstisolierung oder ruft den Verdacht hervor, Glaube
wolle die Welt vereinnahmen.

Könnte es eine evangelische Fundamentaltheologie geben? Hier
schließt sich der Autor Ebeling an, der darauf insistiert, daß es für eine
Fundamentaltheologie eine innere Nötigung der Theologie geben
müsse. Flury postuliert für die neue Aufgabe zwei Gesichtspunkte:
Berücksichtigung der Anfechtung des Glaubenden, und: es soll nicht
von Gott gesprochen werden, ohne das „mein Gott" zu reflektieren
(S. 297). Schließlich wäre mit Theunissen („Das Denken im Widerstreit
von Glauben und Vernunft", Herder-Korrespondenz 1976,
S. 449ff) festzuhalten, daß es eine durch das Faktum der Offenbarung
bestimmte Vernunft gibt. Und: der Glaube glaubt dann an seine Vernünftigkeit
(S. 298).

Man müßte m. E. den Weg, den Flury andeutet, umfassend bedenken
. Ich halte dafür auch Konsequenzen der personalen Philosophie
für wichtig. Das heißt: die „Andersheit des Andern" müßte fundamentale
Kategorie der dogmatischen Prolegomena werden (vgl.
M. Theunissen: Der Andere. Studien zur Sozialontologie der Gegenwart
, Berlin 1965 und mein Buch: Theologie als Dialog mit der Welt
von heute, Freiburg 1971). Das Bedenken der „Andersheit des
Andern" führt m. E. zu einem selbstkritischen und bußfertigen Christentum
. Die „Andersheit des Andern" stellt sinnstiftende Aufgaben
und fordert Lernprozesse. Wandlungssituationen der Neuzeit können
dann weder bloß negativ qualifiziert werden, noch triumphalistisch
vereinnahmt werden. Christliches Handeln beruht dann auf Optionen
in einer Welt, die nicht mehr christlich geprägt ist. Diese Optionen
müssen sich auf Grund der biblischen Botschaft vorrangig am Stichwort
„Befreiung" orientieren.

Wien KurtLülhi

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Praktische Theologie:
Allgemeines

Wintzer, Friedrich: Praktische Theologie. Unter Mitarb. von
M. Josuttis, D. Rössler, W. Steck. Neukirchen-Vluyn: Neukirche-
ner Verlag des Erziehungsvereins 1982. V, 21 1 S. 8" = Neukirchencr
Arbeitsbücher. Kart. DM 28,-.

In diesem Buch wird keine Gesamtdarstellung angestrebt, sondern
das exemplarische Verfahren praktiziert: Anhand von 17 ausgewählten
Themen behandeln die Autoren praktisch-theologische Grundprobleme
mit Hilfe von Arbeitsschritten, „die auch bei der Bearbeitung
anderer Themen angewandt werden können". Auf eine einführende
Problemskizze folgt jeweils als Hauptteil die Entfaltung des
Themas, an die sich ein kurzer vertiefender Teil mit Fragen zur Weiterarbeit
und Literaturangaben anschließt. Für das Selbststudium und
für die seminaristische Arbeit mit dem Buch ist dieser Aulbau sicher
eine Hilfe. Außerdem gibt die exemplarische Methode Raum für die
in den neueren lehrbuchartigen praktisch-theologischen Werken
meist fehlende geschichtliche Dimension frei. Die fünf Kapitel entsprechen
den herkömmlichen Disziplinen der Praktischen Theologie
(leider noch ohne die Diakonik), was m. E. nach wie vor die übersichtlichste
und plausibelste Einteilung ergibt.

Begriff und Aufgabe der Praktischen Theologie (§ I), Amt und Beruf
des Pfarrers (§ 2), Kirche - Christentum - Gesellschaft (§ 3) sind die
von Dietrich Rössler dargestellten Grundprobleme. Das 1. Kapitel
ist sehr knapp gehalten. Die eigene Meinung des Autors könnte deutlicher
hervortreten. Mit Recht hält er sich nicht lange beim Selbstvcr-
ständnis der Praktischen Theologie auf. Der § 2 bringt geschichtliche