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Ausgabe:

1983

Spalte:

220-221

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Wölfel, Eberhard

Titel/Untertitel:

Welt als Schöpfung 1983

Rezensent:

Fischer, Hermann

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219

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 3

220

Für den Kenner der Jaspersschen Philosophie verbinden sich mit diesen
Kapitelüberschriften ja durchaus konkrete Assoziationen. Besonders
umfangreich sind die Kapitel 7,4 und 8.

Der kritische Vergleich vor allem zwischen Jaspers und Buber, aber
auch mit Karl Barth in der zweiten Hälfte des vierten Kapitels, ist
gewiß für jeden Theologen von großem Interesse, ebenso die detaillierte
Untersuchung des Jaspersschen Chiffernbegriffs in Kapitel sieben
, die u. a. auch Jaspers Verhältnis zur Tradition der theologia
negativa näher untersucht, wobei ja nach Jaspers Selbstverständnis
eine Nähe zu dem biblischen Gebot „Du sollst Dir kein Bildnis noch
irgendein Abbild machen" unverkennbar ist.

Von besonderem Interesse ist für uns Theologen m. E. die Behandlung
des Problems des Bösen in der Jaspersschen Philosophie, weil ja
spätestens an diesem Punkte der spontanen, negativen „natürlichen
Theologie", die das Leiden vielfach hervortreibt, alle künstlichen
Abgrenzungsversuche der Theologie gegenüber der Philosophie zusammenzubrechen
pflegen. Und außerdem hat Ehrlich auch recht,
wenn er zwar einerseits bemerkt, daß die Überzeugungskraft von Jaspers
Erläuterung des Inhalts des Glaubens, unter dem Gesichtspunkt
der Chiffer betrachtet, im Falle des Bösen nicht größer sei als im Falle
jeglicher anderen Vorstellung, andererseits aber doch feststellt: „Die
Erforschung des Bösen als eine fundamentale Erscheinung der
menschlichen Beschaffenheit (condition) ist ein roter Faden, der sich
von Anfang bis zum Ende durch das Gewebe von Jaspers philosophischem
Denken zieht" (S. 172). „So verschafft uns die Untersuchung
von Jaspers Beurteilung des Bösen Zugang zu den Kammern
seiner zentralsten philosophischen Motive" (S. 178).

Zunächst einmal ist hier wesentlich, daß „Jaspers jede Konzeption
des Bösen zurückweist, die das Böse als unabhängig von und vor der
Freiheit existent betrachtet. Das Böse kann es nur geben, wo es Verantwortlichkeit
und Freiheit gibt" (S. 179). Konsequenterweise folgt
Tür den Bereich des Außermenschlichen daraus: „Das .natürliche
Böse (Übel)' der Natur wird ein Aspekt des Problems des Bösen nur
dann, wenn wir betrachten, ob sein Vorkommen, gewollt ist" (S. 187).
M. a. W. das Naturübel bekommt seine eigentliche dramatische Zuspitzung
immer erst auf dem Hintergrund der Chiffer des persönlichen
Gottes. Aber wie Jaspers sagt: „Wir haben kein Recht, über die Welt
zu richten, weil wir sie im ganzen nicht kennen." Entscheidend ist für
uns Menschen die Frage, wie es uns möglich ist, mit dem Bösen in der
Welt und in uns zu leben. „Ist es möglich, die Wirklichkeiten des
Bösen zu tragen, ohne in die Destruktion des Nihilismus oder die
Paralyse des Zynismus zu sinken? Ist es möglich, den Glauben zu
behaupten, ohne" gleichzeitig die „Schau der Wirklichkeiten des
Bösen zu verdunkeln?" (S. 189) In dieser Situation trägt uns nur der
letzte, große Aufschwung philosophischen Glaubens, in dem wir uns
von der Transzendenz, von Gott her getragen wissen, obwohl alle
Chiffern der Deutung des Bösen versagen.

Im Schlußkapitel erzählt Ehrlich, daß Professor Salmony geäußert
habe, wenn er jemals ein Buch über Jaspers schreiben würde, würde er
ihm den Titel geben: „Karl Jaspers: Der erste und letzte Kantianer"
(S. 211). In der Tat ist mir gerade auch wieder angesichts der Ehr-
lichschen Darstellung ganz außerordentlich stark bewußt geworden,
wie viele tiefe Parallelen es zwischen Kant und Jaspers gibt. Damit ist
aber auch sicher Entscheidendes über den bleibenden Stellenwert von
Jaspers, um dessen Bestimmung sich Ehrlich im Kapitel neun so eindringlich
bemüht, gesagt. Denn einerseits gibt es eine starke Tendenz,
den Kantschen Phänomenalismus, der für Jaspers so entscheidend ist,
im Hinblick auf das Verständnis wissenschaftlicher Forschung begründet
zu überwinden, andererseits kann man nicht sagen, daß uns
die moderne evolutionäre Erkenntnistheorie im allerletzten schon
wirklich über Kant hinausgeführt hätte. Das Jasperssche „Das Weltsein
im Ganzen ist kein Gegenstand des Erkennens" wird wohl noch
lange auf seine Widerlegung warten.

Der Wert des Buches, das in einem sehr klaren, verständlichen Englisch
geschrieben ist, in das man sich relativ schnell einliest, wird ganz
außerordentlich erhöht durch ein glänzend erarbeitetes kombiniertes

Sach- und Personenregister, bei dem die wesentlichen Begriffe in einer
sehr hilfreichen Weise untergliedert sind: Faith 86, Ciphers 71, God
48, Evil 42, Truth 42 mal. Auch diese Statistik sagt etwas über Jaspers
Philosophie aus. Ein für den mit deutscher Theologie möglicherweise
nicht vertrauten englischsprachigen Leser vielleicht nicht gleich
erkennbarer Druckfehler findet sich auf S. 173, wo es Pennenberg
statt Pannenberg heißt.

Verwiesen sei auf die Besprechungen in ThLZ 90, 1965
Sp. 929-932 und 103, 1978 Sp. 891 f.

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Die Schöpfungstheologie gehört nicht zu den beherrschenden Themen
der evangelischen Theologie im 20. Jahrhundert. Untei dem