Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1983

Spalte:

214-215

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Autor/Hrsg.:

Klum-Böhmer, Edith

Titel/Untertitel:

Das Trishagion als Versöhnungsformel der Christenheit 1983

Rezensent:

Nagel, William

Ansicht Scan:

Seite 1, Seite 2

Download Scan:

PDF

213

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 3

214

gesellschaftlichen Entwicklung nur mühsam erkennen. Ohne genügende
Kenntnis dieser ist aber weder eine gerechte Einordnung des
Bilderstreits in den byzantinischen Prozeß noch ein umfassendes und
angemessenes Gesamtbild dieser entscheidenden Etappe der byzantinischen
Geschichte recht möglich. Auf der weiteren Erschließung von
bislang mehr am Rande des Interesses gelegenen Quellengruppen und
neuen Materials muß deshalb der Nachdruck der Forschung liegen.
Deshalb richtet sich das Augenmerk als erstes auf solche Beiträge. Im
vorliegenden Band ist es die Hagiographie, die hier zu nennen wäre.
J. Dummer schließt aus einer Übersicht über den hagiographischen
Materialbestand, daß dieses Schrifttum die Hypothese widerlegt, der
Bilderstreit sei in der Sicht der Byzantiner das zentrale Ereignis der Innenpolitik
des 8./9.Jh. gewesen (S. 91-I03)."1 Deutlich wird aber
auch, wieviel editorische, quellenkritische und überlieferungsgeschichtliche
Arbeit noch zu leisten ist, bevor diese Quellcngattung in
angemessener Weise von den Historikern ausgeschöpft werden kann.
Wieviel neue Aspekte aus diesem Material zum Bilderstreit zu gewinnen
sind, hat z. B. neuerdings P. Speck gezeigt.5 Für die Aufarbeitung
orientalischer Quellen sollte man den Hinweis G. Strohmaicrs (S. 88
A.2) nicht übersehen, daß die breite Heranziehung dieser Quellen
durch St. Gero vom Blickpunkt des Arabisten aus nicht problemlos
ist."

Die Forschungssituation wird von H.-G. Thümmel unter politischen
und ideologischen Aspekten in kritischer Würdigung, die
allerdings an einigen Stellen zu pauschal ist. und Bemühung um eine
eigene Position umrissen (S. 9-40), wobei vor allem in den Bemerkungen
zu den Bildtheorien eigene langjährige Forschungsarbeit des
Autors zu Buche schlägt und des weiteren die angedeutete Hypothese
einer Schlüsselstellung des Photios für die weitere Entwicklung des
Bilderkultes (S. 26) besonderes Interesse beansprucht. Eine Ergänzung
bildet der wisscnschaftsgeschichtliche Vortrag.). Irmschcrs überdie
Darstellung des Bilderstreits in der Aufklärung (S. 170-192), die ihre
Auswirkung auch heute noch nicht ganz eingebüßt hat.7

Die Beschreibung der Forschungssituation auf sozial-ökonomischem
Gebiet /um 8./9.Jh. gibt ein nützlicher Überblick
(S. 41-57). der von einem Studententeam erarbeitet wurde." Probleme
, die hier angerührt werden, greift allein M. Springer in einer
Untersuchung der Beziehung zwischen dem Bilderstreit und dem
Kriegswesen auf(S. 160-169). wobei allerdings die Fragen nach Faktum
und Ausmaß der Enteignung von Kirchen- und Klostergut durch
die ikonoklastischen Kaiser wie auch von Entwicklung und gesellschaftlicher
Bedeutung der militärischen Aristokratie mit größerer
Zurückhaltung ZU behandeln wäre.

Die politischen Hintergründe und Auswirkungen des Bilderstreits
haben sich schon in der älteren Forschung des größten Interesses erfreut
. Sie werden im vorliegenden Band unter Aspekten aufgenommen
, die das Setzen einiger neuer und nicht unwichtiger Akzente
erlauben und größere Probleme von verschiedenen Seiten beleuchten
, zumal diese Beiträge von durch langjährige Forschungen auf diesen
Gebieten ausgewiesenen Forschern abgefaßt sind: M. Loos/Prag
geht den Fragen der Beziehungen der paulikianischen Bewegung und
«lern Ikonoklasmus in bewährter gründlicher Weise nach
(S. I 14-129). Besonders sei hier auf seine These einer Korruplel im
Text der Nouthesia gerontos (S. 123fT A. I I) hingewiesen. Vasilka
T ä p k o v a - Z a i m o v a/Sofia zeigt in den byzantinischbulgarischen
Beziehungen (S. 104-113) die Kontinuität der byzantinischen
Außenpolitik auf. G. Hacndler hebt die Bedeutung des
Bilderstreits für die okzidentale Entwicklung hervor (S, 130-148).

Die Beiträge über die ideologischen Aspekte bieten interessante
Positionen, doch hätte man zumindest ansatzweise gegenseitige kritische
Bezugnahmen erwartet. Auch die Diskussionsbeiträge zu den
einzelnen Vorträgen sind leider nicht abgedruckt. So muß der Leser
selbst eine Balance /wischen der lörschungsgcschichllichcn Einführung
Thümmcls. den Ausführungen des Philosophen V. V.
Byckov Moskau über die philosophisch-ästhetischen Aspekte
(S. 58-72)''. wie sie aus den Argumenten der streitenden Parteien zu

erheben sind, und dem kunsthistorischen Beitrag von Gerlinde W i e-
deranders zu Problemen der karolingischen Kunst (S. 149-159). in
dem der Eigencharakter der Kunst im Vergleich mit den übrigen Elementen
der Entwicklung deutlich wird, suchen. Für den Byzantinisten
sind die Vorträge von K.-H. Bernhardt über das alttestamcntlichc
und von G. Strohmaier über das jüdische und islamische Verhalten
zu den Bildern als nüchterne Klärung sehr nützlich (S. 73-82.83-90).
Die Beiträge zu den ideologischen Hintergründen deuten den für den
Bilderstreit grundsätzlichen Tatbestand von geistes- wie frömmig-
kcitsgcschichtlichen Höhenlagen einerseits in ihrer Diskrepanz,
andererseits in ihrer Kausalität an. der aber in seiner Komplexität in
dem Band wohl doch nicht genügend herausgearbeitet wird.

Es ist zu begrüßen, daß mit vorliegendem Buch, von einem renommierten
Verlag ausgestattet, der Versuch unternommen wird, den an
der Byzantinistik Interessierten ein wichtiges Forschungsobjekt dieser
Disziplin unter unterschiedlichen Aspekten näherzubringen.

Berlin Friedhelm Winkclmann

1 Es sei nur hervorgehoben M.Ja. Sjuzjumov, Ucenyc zapinski Sverdlov-
skogo gos. ped. inst. 4 (1948) 48-110; St. Gero. C'SCO 346. 384 Subs. 41. 52.
Löwen 1973. 1977; H.-G. Beck. Sb München 1975 H. 7; P. Speck. Konstantin
VI. München 1978.

! Birmingham 1977 (Ninth Spring Symposium ofByz. Studics vom März
1975).

' An Forsehungsberiehten vgl. besonders M. Ja. Sjuzjumov. Viz. Vrem. 22
(1963) 199-226; P. Schreiner. Saeculum 27 (1976) 165-179; K.Wessel. Lexikon
zur byz. Kunst 1(1966)616-622.

' Im Band „leonoelasm" hatte kein geringerer als I. Scvccnko diese Thematik
behandelt (S. 113-131). Beide Beiträge gehen methodisch unterschiedlich an
das Thema heran und ergänzen sieh aus diesem Grunde wie im Blick auf das
herangezogene Material.

* Siehe oben Anm. I.

" Vgl.G. Strohmaier. Jb. f.Gesch.d. Feudalismus 3(1979) 11-17.
Z. B. bekannte sieh auch I. B. Bury. von dem die ausführlichste Darstellung
des8. 9. Jh. in Byzanz stammt (History ofthe Later Roman Empire. II. London
1889. Repr. Amsterdam 1966 und History ofthe Eastern Roman Empire. London
1912). zu dieser Tradition.

* W. Brandes unter Mitarbeit von C'h. MilelaundS. Riedel.

Sie sind erwachsen aus einer umfassenden Publikation Byekovs: Vizantij-
skaja estetika, Tcoretieeskie prohlemy. Moskau 1977.

klum-Böhmer. Edith; Das Irishagion als Versühnungsformel der
Christenheit. Kontroverstheologie im V. und VI. Jahrhundert.
München-Wien: Oldenbourg 1979. IX. 83 S. gr. 8

Diese philosophische Promotionsarbeit, angeregt und gelördert
durch den Münchener Philosophen Professor Dr. A. Dempf. macht
uns dessen bewußt, wie heute in der evangelischen Theologie dogmengeschichtliche
Forschung, einst durch A. von Harnack und
F. Loofs so hervorragend vertreten, zurücksteht. Und doch hat Luther
den Weg zu seiner Rechtfertigungserfahrung nicht ohne Auswirkung
jener christologischen Kämpfe gefunden, wie sie im Chalkcdonensc
zum Abschluß kamen, weil in ihm sowohl Für das OlTenbarungs-
geheimnis Christi wie für das Erlösungsgcheimnis des Menschen der
freie Raum blieb.

In diesem größeren Rahmen zeigt Vfn. auf. wie ..der einstmals als
Häresie geltende - dem dreifachen Sanctus . . . hinzugefügte - Anruf
.der Für uns gekreuzigt worden ist" von allen christlichen Kirchen aufgenommen
wurde und bis heute gültig geblieben ist". Dieses im 5. Jh.
beginnende Bestreben hat erst im 6. Jh. die offizielle Anerkennung
Konstanlinopcls und Roms finden können. Innerhalb welch harter
chrislologischer Auseinandersetzungen dieses Ergebnis errungen
wurde, zeigt Vfn.. ausgehend von einem Zeitbild Antiochiens in den
Jahren 460-540 (I.). AufdieserGrundlage wird das Ringen der Orthodoxie
mit dem Monophysitismus nach einem Seitenblick auf den
Ncslorianismus (11.) in folgenden Kapiteln dargestellt: III. Eutychia-