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Ausgabe:

1983

Spalte:

212-214

Kategorie:

Dogmen- und Theologiegeschichte

Titel/Untertitel:

Der byzantinische Bilderstreit 1983

Rezensent:

Winkelmann, Friedhelm

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 3

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man nicht die Tatsache, daß jetzt auch der Nachlaß Kardinal Ber-
trams in den Bischofsakten seinen Niederschlag gefunden hat, eigens
würdigen möchte. Neben einer Reihe von Briefen sowie anderen
Quellenstücken Breslauer Provenienz bietet Bd. IV auch das Audienzbuch
Bertrams für den fraglichen Dokumentationszeitraum.
Eine neue Bearbeitungsstufe für das Gesamtprojekt wird auch im
neuerlichen Durchgang durch die kirchlichen Archive sichtbar, so
daß sich Nachträge zu den bisher vorgelegten Bänden erforderlich
machen. Ein Ergänzungsband, der dann bis August 1936 reichen
würde, ist in Aussicht gestellt. Mit dem Ergänzungsband wird sich
vielleicht die bisherige Praxis fortlaufender Numerierung nicht aufrechterhalten
lassen, ein durchaus peripheres Moment angesichts der
Übersichtlichkeit, mit der das Dokumentarwerk sonst gestaltet ist.

Die literarischen Genera von Bd. III und IV sind bereits aus den beiden
vorangegangenen Bänden vertraut: die Protokolle der bischöflichen
Plenar- und Partikularkonferenzen. Noten, Rundschreiben,
Eingaben an Staats- und Parteiinstanzen, Hirtenworte, Kanzelabkün-
digungen, stenographische Aufzeichnungen. Bd. IV enthält außerdem
anhangsweise 30 Dokumente, vorwiegend Lageberichte ausländischer
Diplomaten zum katholischen Kirchenkampf und einschlägige
Dokumente aus dem Umkreis von NS-Partei und Staat. Die übergroße
Mehrzahl der Quellenstücke von Bd. III und IV kommt erstmals
zum Abdruck; einige von ihnen sind durch vorgängige monographische
Auswertung und durch Verweise in anderen Dokumentationen
der Kommission zumindest nicht gänzlich unbekannt.

Die thematischen Kristallisationszentren der in Bd. III vorgelegten
Dokumente bilden die kirchlichen Gegenstrategien und Abwehrmaßnahmen
gegen die nationalsozialistischen Entkonfessionalisierungs-
praktiken der Jahre 1935/36. Auf dem Erziehungs- und Bildungssektor
ging es u. a. um die Sicherung der katholischen Kindergärten,
konfessionellen Schulen, des katholischen Religionsunterrichts, der
katholischen Hochschulen für Lehrerbildung und der Existenz der
theologischen Fakultäten (z. B. der vorübergehend geschlossenen
Katholisch-Theologischen Fakultät Würzburg. - Nr. 252IT), aber
auch um tiefgreifende Probleme der Unterrichtsgestaltung. Katholischem
Normbewußtsein mußte der weltanschauliche Totalanspruch
des Regimes spürbar stärker ins Auge springen, als es zu diesem
Zeitpunkt noch auf protestantischer Seite der Fall war, sofern
man die Gesamtlage betrachtet. Die bischölliche Eingabenpolitik, vornehmlich
Bertrams, fand in diesem Bereich ein weites und mit großer
administrativer Präzision wahrgenommenes Betätigungsfeld, wobei
den Abwehrmaßnahmen gegen die nationalsozialistischen Gesetzes-,
Verordnungs- oder direkten Willkürpraktiken die Bemühungen um
Pastorale Stärkung des Kirchenvolkes korrespondierten, etwa durch
gezielten Ausbau der Katholischen Aktion. Ein weiterer großer thematischer
Komplex wird, wie schon in den Bänden I und II. durch die
katholischen Vereine und Verbände sowie durch den Weltanschauungskampf
, insbesondere gegen das Schrifttum Rosenbergs, gebildet
.

Die Brennpunkte von Bd. IV sind die Enzyklika ..Mit brennender
Sorge" von 1937 und der Ausbruch des 2. Weltkrieges, an politischen
Ereignissen zugleich die Annexion Österreichs und die Sudetenkrise.
Für Stellenwert und Wirkungsgeschichtc der Enzyklika sind die im
Anhang gedruckten Dokumente von Interesse. In diplomatischen
Kreisen wurde lebhaft die Frage einer eventuellen Konkordatsaufkündigung
ventiliert (vgl. z. B. im Anhang die Nummern 3.5.8.12).
Für die protestantische Kirchenkampfhistoriographie ist die Auffassung
Leibers hervorhebenswert, neben den ..treuen Söhnen der Kirche
" hätten auch „Millionen von christusgläubigen Protestanten" ein
solches Wort erwartet (Nr. 389; vgl. auch Nr. 398). Es wäre interessant
zu erkunden, welche historischen Anhaltspunkte sich namhaft
machen lassen, um diese gewiß nur sehr bedingt zutreffende Meinung
Leibers zu erklären. Zur Bewertung der Person und umstrittenen
Rolle Bertlings (im Vorfeld der Romreise vom Januar 1937) ist die Korrespondenz
Bertram - Paed Ii aufschlußreich (Nr. 341.342). - Für die politische
Geschichte unter dem Aspekt ihrer kirchenpolitischen Implikationen
ist Bd. IV Teil eines größeren Dokumentationszusammenhanges
(Faulhaber-Akten, die Dokumentationen D. Albrechts,
B. Schneiders usf.). In den Aufzeichnungen Bischof Sebastians gelegentlich
der Fuldaer Bischofskonferenz vom 12./13. Januar 1937 liest
man zur Lage Hitlerdeutschlands: „Außenpolitisch sind wir isoliert.
Der Krieg ist nahe" (Nr. 344/III, S. 145). Der Kriegsausbruch 1939
spiegelt sich in den bischöflichen Quellen in einem breiten Spektrum
von Problemen und Sorgen wider, beispielsweise im Briefwechsel
Gröber-Wacker (Nr. 513.515.517.520.522), in der Auswanderungs-
lürsorgc für nichtarische Katholiken (Nr. 527), in der Verwahrung
gegen Verbote und Auflösungen katholischer Vereine, in der pressepolitischen
Orientierung durch die Fachschaft der katholisch-kirchlichen
Presse (Nr. 516) und in der Feldseelsorge (Nr. 518).

Ergiebiges dokumentarisches Material findet sich in Bd. IV wiederum
auch zur Geschichte der Informationsstelle bzw. des Kommissariats
der Fuldaer Bischofskonferenz, zu der neuerdings die Passagen
in der kirchenpolitischen Biographie Heinrich Wienkens verglichen
werden können." Die seit dem Erscheinen von Bd. I an das Dokumentarwerk
geknüpften hohen Erwartungen werden durch das
dargebotene reichhaltige Material wie durch den technisch-
editorischen Standard der Bände, der sich im sorgfältig gearbeiteten
Anmerkungs- und Verweisapparat, dem chronologischen Register aller
gedruckten oder erwähnten Stücke und in dem ausführlichen Personen
-, Orts- und Sachregister manifestiert, wiederum vollauf erfüllt
.

Leipzig Kurt Nowak

1 B. Stasiewski [Bearb.]: Akten deutscher Bischöfe über die Lage der Kirche
1933-1945. I: 1933-1934. Matthias-Grüncwald-Verlag: Mainz 1968. Ders.:
Akten deutscher Bischöfe... II: 1934-1935. Matthias-Cirünewald-Vcrlag:
Mainz 1976 (VKZG A 5.20). Rez. in:ThLZ 104.1979 Sp. 205-207.

Martin Höllen: C'aritasbischof Wienken. der „unpolitische" Kirchenpolitiker
. Line Biographie aus drei Epochen des deutschen Katholizismus.
Matthias-Grüncwald-Verlag: Mainz 1981. 55IHVKZG B 33).

Dogmen- und Theologiegeschichte

Irmscher. Johannes [Hrsg.]: Der byzantinische Bilderstreit. Sozialökonomische
Voraussetzungen - ideologische Grundlagen - geschichtliche
Wirkungen. Eine Sammlung von Forschungsbeiträgen.
Leipzig: Koehlcr & Amelang 1980. 198 S.. I Zeittaf. 8- Lw.
M 18.50.

Die von der älteren Forschung erarbeiteten Vorstellungen über die
epoche- und gesellschaftsbestimmende Dimension des byzantinischen
Bilderstreits sind durch neue Konzeptionen und die Erschließung
neuen Quellcnmalerials ins Wanken geraten.' Die neuen
Ansätze sind jedoch noch nicht erschöpfend verarbeitet und in ihrer
Traglähigkeit allseitig geprüft. Von einer überzeugenden Einordnung
des Ikonoklasmus in die byzantinische Geschichte des 8. und
9. Jahrhunderts sind wir also noch weit entfernt. Aus diesem Grunde
können auch die zwei in jüngerer Zeit veröffentlichten Tagungsprotokolle
zu dieser Thematik, der von A. Brycr und Judith Herrin herausgegebene
Band ..Iconoclasm'" und die hier zu besprechende Sammlung
von Vorträgen, die auf einer Tagung der Historikergcsellschaft
der DDR im Jahre 1978 gehalten wurden, nicht mehr als Zwischenbilanz
ziehen, den derzeitigen Forschungsstand markieren und in einzelnen
Punkten die Forschung durch Materialinterpretationen oder
konzeptionelle Anregungen weiterführen.'

Die Schwierigkeiten der Erforschung des 8. und 9. Jahrhunderts in
Byzanz erwachsen aus Problemen der mangelnden Quantität wie
Qualität der Quellen. Für uns nur schwer oder gar nicht zu lässende
Tendenzen der historischen Schriften und der von ihnen ausgewerteten
Vorlagen wie auch ihre starke Herausstellung der Themen
des Bilderslreits und der Außenpolitik lassen die übrigen Aspekte der