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Ausgabe:

1983

Spalte:

207-208

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Gnilka, Joachim

Titel/Untertitel:

Der Kolosserbrief 1983

Rezensent:

Lohse, Eduard

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Seite 1

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207

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 3

208

Gnilka. Joachim: Der Koiosserbrief. Freiburg-Basel-Wien: Herder
(1980). XIII. 249 S. |T.8* = Herders Theologischer Kommentar
zum Neuen Testament. X/l. Lw. DM 74.-.

Herders Theologischer Kommentar zum Neuen Testament ist um
einen gehaltvollen Band bereichert worden. Nachdem der Vf. sich bereits
durch seine gelehrten Kommentare zum Philipperbrief (1968,
1976). zum Epheserbrief (1971) sowie zum Markusevangelium
(I 1978: II 1979) als höchst kundiger Exeget ausgewiesen hatte, der das
gesamte Feld der neutestamenllichen Wissenschaft mit eigenen
Untersuchungen bestellt hat. legt er nun seine Erklärung des Kolosser-
briefes vor. Da im Laufe der letzten Jahrzehnte mehrere wissenschaftliche
Kommentare zu dieser neutestamentlichen Schrift erschienen
sind, kann der Vf. auf den Ergebnissen der bisherigen Forschung aufbauen
und gleichsam ein Fazit ziehen, indem er dem recht breiten
Konsens Ausdruck gibt, der inzwischen unter den Exegeten in der
Beurteilung dieses Briefes gewonnen wurde.

Dieser Konsens betrifft sowohl die Verlässerfrage und religionsge-
schichtliche Einordnung der Auseinandersetzung mit der gegnerischen
Häresie als auch die Beurteilung der Theologie des Briefes -
Fragenkreise, die miteinander in engem Zusammenhang stehen. Was
die Entstehung des Briefes angeht, so stimmt Gnilka der Auffassung
zu, daß ihn nicht der Apostel selbst, sondern einer seiner Schüler
geschrieben habe. Da im Briefeingang Timotheus als Mitabsender
genannt wird (1.1), vermutet Gnilka, er sei auch der Verlässer des
Briefes gewesen, weil ihm am ehesten eine entsprechende ..Vertrautheit
mit Anliegen der paulinischen Theologie" zugeschrieben werden
könne (S. 22). Da jedoch auch in anderen Briefen des Corpus Pauli-
num Timotheus gleichfalls als Mitabsender aufgeführt wird, muß
diese Annahme eine unbeweisbare Vermutung bleiben. Wichtiger als
die Angabe eines bestimmten Namens ist jedoch die grundsätzliche
Feststellung, daß die Entstehung des Kolosserbriefes in die Frühzeit
der paulinischen Schule bzw. des Deuteropaulinismus gehört. Dabei
ist zu beachten, daß die Übernahme von Traditionen, die überwiegend
der hellenistischen Synagoge entlehnt sind, eben „auf eine
bereits in Gang gekommene Schultätigkeit" hinweist (S. 21).

Mit dieser Kennzeichnung ist zugleich zu den religionsgeschichtlichen
Problemen, wie sie der Brief aufgibt, Stellung bezogen. In den
drei Exkursen, die der Kommentar zur theologiegeschichtlichen Bedeutung
des Christusliedes, zur kolossischen Häresie und den Haustafeln
bietet, werden die diesbezüglichen Fragen eingehend erörtert.
Dabei wird für die Häresie vermutet. ..daß sie einen eigenen Kult
pflegte, der den hellenistischen Mysterien vergleichbar ist" (S. 168).
und ihre Eigenart näher bestimmt, indem sie religionssoziologisch als
Sekte eingestuft wird (S. 169). Lehre und Praxis dieser Sekte stellt der
Autor ad Colossenses die Botschaft des Christus solus entgegen, „der
das All umgreift und beherrscht" (S. 87). In diesem Sinne hebt der Autor
die Aussagen des Christushymnus in 1,15-20 durch pointierende
Glossen hervor, um der Häresie entgegenzuhalten, daß die Welt ihre
Einheit nicht gewinnt „durch sich selbst oder einen naturhaften, genetischen
Geschehensablauf, sondern durch ein Eingreifen Gottes"
(ebd.). Damit aber ist der theologische Standort, den der Koiosserbrief
bezieht, deutlich bezeichnet: „Für den Christen ist die Welt nicht
Norm und Gesetz, sondern der Raum, in dem ersieh zu bewähren hat.
Das macht ihn nicht zum schrankenlosen Herrn der Welt, die er nach
Belieben ausbeutet. Vielmehr soll er in verantworteter Freiheit mit ihr
umgehen" (S. 162). Christologie und Ethik. Zuspruch des Heils und
Anspruch auf einen des Evangeliums würdigen Wandel sind auf diese
Weise im Koiosserbrief eng miteinander verklammert.

Einige Fragen, die man gern an den Vf. richten möchte, seien kurz
genannt. Das Problem, ob man den Autor ad Colossenses wirklich als
Timotheus identifizieren kann, wurde schon erwähnt. Hin und wieder
möchte man wünschen, der Vf. hätte sich aus seiner vorsichtigen
Urteilsweise ein wenig weiter vorgewagt - so in den bedenkenswerten
Ansätzen, in denen der Versuch angedeutet wird, die Botschaft des
Kolosserbriefes zu aktualisieren (z. B. S. 86foderS. 1691). Zu erörtern

bleibt die Frage, wie am besten die Gliederung des Briefes zu bestimmen
ist. Vf. teilt in drei große Abschnitte: 1,9-29; 2,1-19 und
2.20^.6. wobei 1.1-8 als Eröffnung und 4.7-18 als Ausleitung mit
persönlichen Mitteilungen überschrieben werden. Aber 2,20-23 wird
man besser zum Vorhergehenden ziehen; und 2,1 läßt sich schlecht
als Neueinsatz fassen. Eher bietet es sich an, bei 2,6 den Anfang der
Auseinandersetzung mit der Häresie zu finden und diese bis zum Ende
des Kapitels reichen zu lassen. Schließlich wäre das Problem weiterer
Studien wert, an welchen Kennzeichen sich paulinische Schultradition
ausmachen läßt und wie in ihr genuin paulinische Elemente
fortentwickelt worden sind.

Doch diese und andere Fragen stellen weniger Einwände dar als
vielmehr Gesichtspunkte, die weitere theologische Bemühung um den
Koiosserbrief wie den gesamten Komplex der Deuteropaulinen lohnend
erscheinen lassen. Für diese Diskussion aber hat der Vf. mit seinem
Kommentar eine feste Ausgangsbasis beschrieben, die weitgehende
Anerkennung durch die Fachcxegeten verdient und sicherlich
auch finden wird.

Hannover Eduard Lohse

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