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Ausgabe:

1983

Spalte:

203-205

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Sabugal, Santos

Titel/Untertitel:

La embajada mesianica de Juan Bautista (Mt 11,2-6 = Lc 7,18-23) 1983

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 3

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(S. 171 ff) bis hin zur Frage nach «l'origine du message de la mort
expiatoire du Messie Jesus» zurückführen (S. 193 ff), lassen seine Antwort
in dieser Hinsicht zunehmend deutlicher in den Blick treten:
«L'interpretation redemptrice de la mort de Jesus» läßt sich in der Tat
«ä l'initiative de Jesus lui-meme» zurückfuhren (vgl. bereits S. 172),
hat also ihren Ursprung nicht erst in einer sekundären Interpretation
des Todes Jesu etwa im Bereich eines „hellenistischen Judenchristentums
" (dazu S. 186fr, bes. S. 192).

Daß in diesem Zusammenhang die umstrittene Frage nach einem
„messianischen" Selbstverständnis Jesu eine ebenso entscheidende
Rolle spielt (vgl. z. B. S. 165) wie die Frage nach dem Einfluß von Jes
53 auf die urchristliche Traditionsbildung (dazu S. 182ff), versteht
sich von selbst - ebenso wie es sich von selbst versteht, daß im Verlauf
der Analysen im zweiten Kapitel des zweiten Teiles zunehmend die
beiden (einzigen!) „dicta probantia" für eine eindeutige Aussage einer
Heilsbedeutung des Todes Jesu im Munde Jesu selbst innerhalb der
synoptischen Evangelien ins Zentrum rücken: Mk 10,45 und
Mk 14,24. Wenn nun freilich - um an dieser Stelle nur eines der Argumente
des Autors zu nennen - aus dem Vergleich von Mk 10,45 und
14, 24 mit 1 Tim 2,6 und 1 Kor 11,24 die Schlußfolgerung gezogen
wird, daß die beiden letzteren Stellen jeweils symptomatisch seien für
eine Reduktion des ursprünglich universal ausgerichteten „für viele"
(= für alle) im Munde Jesu selbst auf die Gemeinde (S. 199), so zeigt
sich hier erneut die Grenze solcher Antwort auf die Frage nach dem
Ursprung der «interpretation redemptrice» des Todes Jesu. Und zugleich
stellt sich damit - ganz abgesehen von der Tatsache, daß zumal
bei Paulus (als auch in der nachpaulinischen Überlieferung:
1 Tim 2,6!) der ursprüngliche universale Aspekt des „für uns" = „für
alle" durchaus erhalten geblieben ist! - erneut die Frage, ob der Ursprung
der «interpretation redemptrice» des Todes Jesu methodisch
und sachlich überhaupt von einzelnen Belegstellen (wie Mk 10.45
oder Mk 14,24) her bestimmbar ist oder ob in dieser Hinsicht am Ende
nicht doch jene Fragerichtung mehr für sich hat, die vom Gesamtverhalten
Jesu her - im Sinne etwa der „Proexistenz" Jesu (H. Schürmann
)- eine Brücke zwischen „Jesus selbst" und dem „pro nobis" der
«interpretation redemptrice» des Todes Jesu in der nachösterlichen
Gemeinde zu schlagen versucht? Mit „radikaler Skepsis" (so M. Hen-
gel, S. 200) hat jedenfalls diese Fragerichtung nichts gemein. Sie wird
sich aber - und nicht zuletzt darin liegt über alle historische und exegetische
Belehrung hinaus die Herausforderung dieses zweiten Teiles
der französischen Ausgabe an die gegenwärtige neutestamentliche
Forschung - erneut von den Darlegungen M. Hengeis fragen lassen
müssen, wieweit ihre Konstruktionen zu tragen vermögen. In diesem
Sinne ist mit diesen Darlegungen gewiß nicht das letzte Wort zur
Sache gesagt. Recht verstanden schließt aber solche Feststellung zugleich
den Dank ein für das alle weitere Forschung in dieser Hinsicht
stimulierende entschiedene und eindeutige Votum des Autors.

Rostock Hans-Friedrich Weiß

Sabugal, S.: La embajada mesianica de Juan Bautista (Mt I 1,2-6 = Lc
7,18-23). Historia, Exegesis teolögica, Hermeneutica. Madrid
1980. XVI, 274 S„ !8Taf.8

Der spanische Neutestamentier Santos Sabugal. der bereits mit zwei
großen Monographien zur johanneischen Theologie (vgl. ThLZ 100,
1975 Sp. 266-270) und zur Bekehrung des Paulus (vgl. ThLZ 103,
1978 Sp. 185-188) hervorgetreten ist, legt nun eine Untersuchung zu
einer synoptischen Perikope vor, die seinen Rang als führender Exeget
spanischer Zunge bestätigt. Der Vf. hat einen Gegenstand gewählt, bei
dem eine Vielzahl exegetischer, historischer und theologischer Probleme
der (synoptischen) Jesusüberlieferung gebündelt erscheint.
Ebenso sicher wie der Griff zum Thema ist dessen methodische Bewältigung
. Der eigenen Positionsfindung geht ein Überblick über die
Geschichte der Exegese dieses Stückes voraus, der von der patri-

stischen und mittelalterlichen (einschließlich der reformatorischen)
Auslegung zur Erforschung der Perikope im 20. Jahrhundert führt
(S. 3-28). Die Leitworte Literarkritik, Formgeschichte, Redaktionsund
Traditionsgeschichte bezeichnen jene Orientierungspunkte, die
dann auch den zweiten, ausführlichsten Teil, die „Exegesis teolögica
" - ausdrücklich mit dem Untertitel Anälisis histörico-tradi-
cional versehen - bestimmen (S. 29-202).

Wie schon bei den früheren Arbeiten besticht die einzigartige Literaturkenntnis
, die vor allem in den weit über 1000 Anmerkungen vor
uns ausgebreitet wird, von denen manche den Charakter kleiner
Bibliographien haben. Man wird jedoch einem Autor dieser Bedeutung
schwerlich gerecht, wenn man sich damit begnügt, ihm die umfassende
Rezeption des aktuellen Diskussionsstands zu bescheinigen.
Vielmehr ist darauf zu achten, wo über den von ihm mitgetragenen
Konsens hinaus die spezifischen Anliegen des Vf. zu erkennen sind.
Diese treten an zwei Punkten mit besonderer Deutlichkeit hervor. Es
ist einmal die Insistenz, mit der der Theologe Sabugal die Exegese des
Textes in den Dienst der Rückfrage nach dem historischen Jesus stellt.
In nicht geringerem Maße ist es die Horizonterweiterung, mit der der
Vf. (anders als in seinen früheren exegetisch-historischen Monographien
) neutestamentliche Arbeit zur Aktualität hin öffnet. Solcher
vergegenwärtigender Hermeneutik ist ein eigener profilbestimmender
Teil des Buches (S. 205-262) gewidmet.

Wer den Weg mitgeht, den ihn der Vf. von der Behandlung der Perikope
im redaktionellen Zusammenhang des Matthäus und des Lukas
über die Rekonstruktion von Q bis zur angenommenen vorösterlichen
Gestalt der Überlieferung führt, wird bemerken, wie sich der argumentative
Einsatz des Autors mit jeder Stufe steigert. Die von ihm
konstatierte feste Verbindung von Situationsangabe und Logion in der
durch Q repräsentierten Überlieferungsphase ist ihm Voraussetzung
für den Versuch, die tragenden Züge der Perikope auf eine frühe
(vorösterliche) Traditionsstufe zurückzuführen. Nicht der nachösterliche
Gegensatz von Täufergemeinde und Urgemeinde, sondern das
Gegenüber von Jesus und Johannes bestimmen ihren Stellenwert. Das
gilt für die Betonung der Haftsituation des Täufers; den Titel 6
ipXonEvoc;, der in den messianischen Kontroversen keine Rolle
spiele; für die Antwort Jesu, die durch die bibelgriechische Stilisierung
hindurch deutliche Charakteristiken der Sprache Jesu aufweist;
für die genannten Wunder als ipsissima facta und die singuläre Gestalt
des Makarismus. Traditionsgeschichtlichc Methode fuhrt hier nicht
zum Skeptizismus, sondern will einer präziseren historischen Rückfrage
den Weg bahnen. Kritiker werden nicht jeden Rückschluß als
gelungen ansehen. Die originäre Zusammengehörigkeit aller genannten
Züge wird vielleicht nur den überzeugen, der schon zuvor von
einer ähnlichen Sicht überzeugt war.

Die Neigung des Vf., gewagten Vermutungen nachzugehen, die
man schon von früher kennt („Damaskus" bei Qumran!), spielt ihm
auch jetzt einen Streich, wenn er den Menachem von Act 13.1 und
den Chusa von Lk 8,3 als Vermittler bei Herodcs zugunsten des Täufers
in Erwägung zieht (S. 162t). Eher hätte man in diesem Zusammenhang
eine eingehende Wertung der topographischen Notiz des
Josephus (Ant. XVII, 5,2) über die Feste Machärus als Ort der Gefangenschaft
des Täufers erwartet.

Daß der Autor sich mit dem exegetischen Befund nicht bescheiden
möchte, sondern seine Schriftauslegung in den Dienst kirchlicher
Selbstinterpretation im Horizont der gegenwärtigen Welt stellt, zeigt
der abschließende Teil. Die dem Text entnommene Gegenüberstellung
zwischen dem gefangenen Vorläufer und dem durch seine Zeichen
als Befreier ausgewiesenen Messias bietet hier einen effektvollen
Ansatz. Die unter dem Aspekt der drei heutigen Weltbcreiche behandelte
und verneinte Frage, ob der gegenwärtige Mensch ein freier
Mensch ist, führt auf die Gestalt des Befreiers Jesus. Unter diesem
Vorzeichen sei Jesus in den beiden letzten Jahrzehnten zum zentralen
Thema der Theologie (und darüber hinaus der weltanschaulichen
Diskussion) geworden. Dabei wird die Zusammengehörigkeit von
Evangelisation und Befreiung mit kräftigen Strichen gezeichnet Ohne