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Ausgabe:

1983

Spalte:

195-196

Kategorie:

Judaistik

Titel/Untertitel:

Tanna d??e Eliyyahu 1983

Rezensent:

Schreiner, Stefan

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195

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 3

196

Judaica

Tanna debe Eliyyahu. The Lore of the School of Elijah. Transl. from
the Hebrew by William G. Braude and Israel J. Kapstein. Philadelphia
: The Jewish Publication Society of America 5741/1981, XIII,
609S.gr. 8°. Lw.$ 27.50.

Es ist eine verdienstvolle Aufgabe, die die beiden Übersetzer mit
ihrer hier anzuzeigenden Arbeit in Angriff genommen und, um es
gleich am Anfang zu sagen, in einer Weise bewältigt haben, für die
man ihnen nur dankbar sein kann. Ist diese Arbeit auch nicht die erste
Übersetzung, die im Ergebnis der Gemeinschaftsarbeit des durch seine
Übersetzungen rabbinischer Literatur bekannten Rabb. em.
W. G. Braude und des Prof. em. für Englisch J. Kapstein entstanden
ist (1975 erschien ihre Übersetzung der Pesiqta de-R. Kahana), so ist
sie doch die erste Übersetzung, dieje vom Tanna dehe Eliyyahu (ferner
: T) erarbeitet wurde. Denn abgesehen von einer gekürzten jiddischen
Fassung (Wilno 1880; letzter Nachdruck Jerusalem 1956) ist
diese ,,Perle der haggadischen Literatur", wie sie Meir Friedmann, der
die bis heute maßgebende textkritische Edition des T besorgt hat,1
genannt hat, nie in einer anderen als der Sprache des Originals herausgegeben
worden; in dieser freilich außerordentlich häufig: seit der
edilio prineeps (Venedig 1598) in fünfzehn verschiedenen Editionen,
von denen alle einige, manche sogar viele Male nachgedruckt worden
sind.

Die vorliegende Übersetzung basiert auf Friedmanns Edition. Von
ihr ist auch die Kapiteleinteilung übernommen. Ebenso ist die Paginierung
der Friedmannschen Ausgabe auf dem Seiten rand vermerkt,
so daß ein Vergleich von Text und Übersetzung ohne langes Blättern
und Seitenzählen vorgenommen werden kann. Erforderliche Sacherklärungen
, einschließlich Verweise auf Parallclüberlicferungen.
sind in den Anmerkungen untergebracht, Zitate durch Kursivdruck
im Text hervorgehoben. Da T nicht zu jenen Midraschim gehört, die
am Bibeltext entlanggehen und Perikope für Perikope „auslegen",
sondern thematisch gegliedert ist (s. u.), haben die Übersetzer jedem
Kapitel eine Überschrift, die seinen Inhalt charakterisiert, sowie ein
Summary gegeben, "a map, so to speak, to make easy his (des Lesers)
journey along Elijah's way" (S. 34).

Der Übersetzung vorangestellt ist eine lntroduction (S. 3-37). in der
die Übersetzer die Forschungsgeschichte, die Mühen, die Generationen
von Gelehrten auf die Erforschung von T gewandt haben,
zusammengefaßt und, in aller Behutsamkeit, ihre Meinung bezüglich
Entstehung, Abfassungszeit, Autorschaft und Bedeutung des Werkes
vorgetragen haben. Doch trotz aller Bemühungen, die Entstehung des
T zu klären, ist es bis heute nicht gelungen, eine überzeugende Antwort
auf die Fragen nach Entstehungszeit, Entstehungsort und Identität
des Autors zu geben. Als Entstehungszeit ist etwa jedes halbe Jahrhundert
zwischen dem 3. und dem 10. Jh. vorgeschlagen worden. Als
Entstehungsort konkurrieren Babylon, Palästina und Süditalien miteinander
. Nicht geklärt ist, wer sich hinter dem Namen Elijah verbirgt
. Nach einer talmudischen Legende (bKet!05b-l06a) soll es der
Prophet Elijah sein, der, als Gelehrter verkleidet, dem R. Anan, der
im 3. Jh. in Babylon wirkte, die „Lehre" in zwei Teilen, zuerst den
„größeren Teil" (daher Seder Elijahu rabbah = SER, Kap. 1-29),
einige Zeit später den „kleineren Teil" (daher Seder Elijahu zuta =
SEZ, Kap. 1-15) übermittelt habe. Dieser R. Anan habe deswegen die
Lehre seiner Schule die „Lehre der Schule Elijahs" genannt. Nach
anderer Meinung sei Elijah mit einem gewissen Abba Elijahu identisch
, der, aus Javneh gebürtig, in Jerusalem und dann als „Wanderlehrer
" in Babylon und Persien gewirkt habe.

Angesichts der Vielfalt der Meinungen, die hier nicht alle aufgeführt
werden können, möchte man denn den Übersetzern zustimmen,
wenn sie zu dem Schluß kommen: "The fact is that Tanna dehe
Eliyyahu refuses to yield the secret of its origin - it is'almost as though
it were deliberatcly concealing its supernatural origin from mortal
eyes. We may surmise. indeed, that the legendary aecount ol the

work's origin is closer to the truth than the common sense of scholars
is Willing to aeeept" (S. 10). Als literarisches Werk zeichnet es sich
durch "a unity of thought and feeling, of style and strueture" aus,
"that makes it seem the work ofa Single individual" (S. 3).

Nach Friedmanns Edition besteht T aus drei Teilen: dem Seder
Elijahu rabbah (29 Kap.), dem Seder Elijahu zuta (15 Kap.) sowie den
Supplementen (13 Kap.), die er „Pseudo-Seder Elijahu zuta" nannte.
Als Supplemente erkannte er die Kap. 16-25 des SEZ der editio prineeps
. Hier unterschied er Kap. 16-18, die er „Pirqe Derekh Erets"
(Kapitel über den Lebenswandel) überschrieb, und Kap. 19-25, die er
nach Vorbild von R. Eleazar b. Jehudah von Worms (gest. 1234)
„Pirqe R. Eliezer" nannte. Die letzten drei Supplementkapitel, „Pirqe
ha-Jeridot" (Kapitel über Gottes „vierten, fünften und sechsten Des-
census") übernahm Friedmann aus MS Parma, Kodex de Rossi 1240,
wo sie einen Anhang zu den „Pirqe R. Eliezer" bilden. Diese drei
Kapitel sind identisch mit den Kap. 39-41 der Pirqe de-R. Eliezer, ed.
G. Friedlander (London 1916).

Seinem Inhalt nach gehört T nicht - wie schon bemerkt - zu den
Midraschim, die einen Bibeltext Perikope für Perikope auslegen; eher
möchte man ihn eine Auslegung der Hauptlehren des Judentums nennen
, der Lehren von Gott und Seinem Wirken als Schöpfer und Erhalter
der Welt, von der Torah und ihrer Bedeutung als der Wegweisung
Gottes auf dem Wege zur messianischen Zeit, vom Kommen des Messias
, von der Erlösung, der Gerechtigkeit und Gnade Gottes etc. etc.
Dabei fällt allenthalben auf, welcher Nachdruck auf Universalität
gelegt wird und welche Weitherzigkeit schließlich aus diesem Werke
spricht: Gott ist der Göll aller Menschen, auch derer, die Seine Lehre
nicht angenommen haben; Seine Torah steht allen^vlenschen offen;
Israel ist sie erst gegeben worden, nachdem die Völker der Welt sie
nicht angenommen haben. Alle werden von Ihm gfeichgeachtet, alle
werden entsprechend ihrer Taten gerichtet, ja, was die „Vergeltung
ihrer Taten anlangt, so rufe ich", sagt Elijah, „Himmel und Erde zu
Zeugen an, daß auf jedem, sei er Nichtjude oder Jude, Mann oder
Frau, Knecht oder Magd, entsprechend der Taten, die er tut, der heilige
Cieist ruht" (SER, Kap. 9, S. I 52-153 Übers.).2 Die Lehre(n) wird
(werden) freilich nicht um ihrer bloßen Vermittlung willen ausgelegt,
vielmehr geschieht es mit Blick auf den, der sie tun soll, jeden Menschen
nämlich. Die Übersetzer haben daher recht, wenn sie als Absicht
des T erklären: "The intention of Tanna dehe Eliyyahu is to
point the way for man, to show him how he must conduet himsclf in
order to reach his destination. It is a struggle all the way, for what he
must contend with is not only the enemy whom he encounters from
without but also the enemy within whom he must overcome. In the
conflict between the two sides of his nature, the good against the evil,
he has the help of a just and merciful God whosc Torah is Iiis
guidebook" (S. 21-22).

So bleibt am Ende nur zu wünschen, daß die Mühe der Ubersetzer
durch fleißige Leser belohnt wird. Ausführliche Indices am Ende des
Buches - der "Passages (aus Bibel, Mischna und Apokryphen) cited or
referred to" (S. 552-569), der rabbinischen "Authorities cited or
referred to" (S. 570-571), der "Subjects and Nantes" (S. 572-601)
sowie der im Text begegnenden "Plays on Hebrew Words and Letters
" (S. 602-609) sorgen dafür, daß man es auch als Nachschlagewerk
mit großem Gewinn benutzen kann.

Berlin Stefan Schreiner

1 Wien 1900. 1902-1904; vgl. dazu die Rezension von J. Theodor in: MCiWJ
44, I900.S. 380-384.550-561:47, 1903. S. 70-79.

Vgl. Max Kadushin. The Thcology of Seder Eliahu, New York 1932.

Buber. Martin [Bearb.]: Des Rabbi Israel ben Elieser, genannt Baal
Schem-Tow, das ist Meister vom nuten Namen, Unterweisung im
Umgang mit Gott, aus den Bruchstücken gefügt von Martin Buber.
Mit Nachwort und Kommentar hrsg. von Lothar Stiehm, Neuausg..