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Ausgabe:

1983

Spalte:

189-191

Kategorie:

Altes Testament

Autor/Hrsg.:

Zobel, Hans-Jürgen

Titel/Untertitel:

Das Alte Testament und seine Botschaft 1983

Rezensent:

Soggin, Jan Alberto

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 3

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dar. Gottes Geist „füllt resignierende Menschen und veraltete Formen
mit neuem Leben; er schafft, daß das jubelnde Glück der Liebenden
nicht aufhört" (90).

Wolfgang Schräge hat die zweite Hälfte des Buches, Frau und
Mann im NT (S. 92-188), ebenfalls in fünf Abschnitte gegliedert. Von
der Jesustradition und den Paulustexten als der „Sachmitte" des NT
her will er das progressive Potential des NT von seinen schon in den
Pastoralbriefen sichtbar werdenden kirchlich-konventionellen, ja
sexistischen Überlagerungen befreien. Dabei geht Schräge die doppelte
Auseinandersetzung mit dem Vorwurf des Modetrends einerseits
, den Vorwürfen gegen Sexismus des NT anderseits ein. Frau und
Mann als Geschöpfe Gottes (I): Die Übernahme der at.liehen Schöpfungstradition
von der gleichen Würde des Mannes und der Frau
ermöglicht dem NT in der Haupttendenz, Repression der Frau und
Libertinage der Geschlechter zu vermeiden. Christologie und
Kreuzestheologie des Paulus prägen die gängigen Wertungen von
männlich und weiblich um; „schwach" wird zum Prädikat aller Christen
(lKor2,3; 4,7; 2Kor 12,5ff; 13,4). Und doch gibt es bei Paulus
(1 Kor 1 l,7fin Spannung zu V. 11 0 und auch sonst im NT rückläufige
Tendenzen. In ihnen zeigen sich jüdische und hellenistische Umweltübernahmen
. Frau und Mann als „neue Geschöpfe in Christus"
(II): An der Jesustradition der Evangelien wird sehr deutlich, „wie
wenig Jesu Denken und Reden auf die Sphäre des Mannes fixiert
war". Seine Freiheit im Umgang mit Frauen und Männern ist unverkennbar
. Die von Jesus initiierte Laienbewegung ist „durch große
Offenheit und Integrationskraft gekennzeichnet" (1170- Gottes
Gnade und Ruf bewirken eine Umwertung der bekannten Maßstäbe.
Das Heil gilt allen. Gal 3,28 zeigt die paulinischen Konsequenzen.

Frau und Mann als „Gottes Mitarbeiter" (III); Hier werden vorgestellt
die Auferstehungszeugen, das Apostolat (Rom 16,6-12 weibliche
Apostelnamen?), Geistbegabung und Prophetic und weitere
Dienste. „Mulier taceat in ecclesia" (IKor 14,340 wird wegen der
Unvereinbarkeit mit IKor I 1,5 als unpaulinisch erwiesen. Vf sieht
hier die Position der Pastoralbriefe mit „kirchlicher Rückwärtsbewegung
" am Werke.

Frau und Mann als „ein Fleisch" (IV); Schräge zeichnet das einheitliche
Eheverständnis des NT nach. Überall geht es „um den von Gott
geschützten Freiheitsraum gelingender Partnerschaft, die als Ehe
nicht bloß auf Zeit eingegangen wird" (167).

Konfrontationen (V): Das NT selbst treibt Konfrontation, indem es
>m kritischen Gespräch mit seiner Gegenwart nach neuen Handlungsmodellen
, nicht starren Prinzipien, sucht, die der allen Menschen
zugewandten Liebe Gottes entsprechen. Das NT ist kein „Archiv
antiker Vcrhaltensstandards" und kein dogmatisches Lehrbuch. Es
bahnt Verbesserungen humaner Liebe den Weg. In der Konfrontation
mit unseren Problemen gibt es Orientierungen, die ihren Grund in der
Frau und Mann gleichermaßen zugesagten Heilsbotschaft Jesu Christi
von Gottes Liebe haben.

Die biblischen Analysen und Entdeckungen habe ich mit Gewinn
Belesen. Neue Zusammenhänge sind mir deutlich geworden. Dagegen
scheinen mir die Kriterien für die Konfrontation mit der Gegenwart
nicht klar genug zu sein. Vor allem im AT-Tcil fand ich starke Vereinfachungen
. Auch im NT-Teil wünsche ich mir begründetere Auseinandersetzung
mit humanwissenschaftlichen Erkenntnissen, um beiderseits
aus Schematisierungen herauszukommen.

Wittenberg Hansjürgen Schul/

Altes Testament

Zobel. Hans-Jürgen, u. Karl-Martin Bcysc [Hrsg.]: Das Ute lesta-
ment und seine Botschaft. Geschichte - Literatur - Theologie.
Unter Mitarb. v. G. Eggebrecht. H. Koehn. u. K. Scholl. Berlin:
Evang. Verlagsanstalt 1981. 299 S. 8". Lw. M 12.-; Ausland: 18.-.

Dieser wichtige Band, welcher Bibelkunde. Geschichte Israels, Einleitung
in das Alte Testament und alttestamentliche Theologie in sich
vereinigt, ist aus dem kirchlichen Fernunterricht für Erwachsene hervorgegangen
. Auch in der jetzigen Gestalt wird der Stoffeher in der
Form eines Handbuches dargeboten, in dem mehr auf Ergebnisse als
auf Probleme geachtet wird, wie es zu dieser Gattung gehört.

Die Geschichte Israels fängt mit dem Aufenthalt in Ägypten und
dem Exodus an; Israel als solches ist erst seit der Zeit Davids belegt:
noch im Deboralied fehlen Juda und andere Südstämme. Die Sagen
der Väterzeit gehören zum frühen Königtum und werden im Rahmen
der altisraelitischcn Glaubensbekenntnisse untersucht. Vergleiche
zwischen dem älteren Glauben Israels und der kanaanäischen Naturreligion
werden hier angebracht. Es folgt die Geschichte erst der vereinigten
Monarchie, dann der beiden Königtümer. Dem Prophetismus
zuerst, dann dem Pentateuch sind ausführliche Abschnitte
gewidmet. Es folgt die Geschichte Israels im Exil und in der nach-
cxilischen Zeit, mit ihren verschiedenen Arten von Literatur: .P'. die
Chronik, die Weisheit; ein ausführlicher Abschnitt behandelt den
Psalter und Israels dichterische Gattungen. Die Religion und der (iot-
lesdienst Israels bilden einen Sonderteil, und das Werk schließt mit
einer Untersuchung der nachexilischen Prophetic und ihres Auslaufens
bzw. Übergehens in die Apokalyptik. Ein Schlußwort behandelt
endlich das Thema „Altes Testament und christliche Bibel". Die
Bibliographie ist auf ein Minimum beschränkt, meistens auf Werke,
die die betreffenden Gegenstände ausführlicher behandeln. Ich empfinde
dies als eine Wohltat: bei der Gattung des Werkes wären ausführliche
Literaturverzeichnisse ein Zeichen der Pedanterie, nicht des
Wissens und des Könnens gewesen.

Die Grenzen des Werkes liegen in seinem Zweck und ebenso in
seiner Gattung: es handelt sich ja darum, dem gebildeten und engagierten
Laien, doch auch eventuell gewissen, dem Studium gegenüber
sich im Rückstand befindlichen Pastoren ein Arbeitsbuch bereitzustellen
. Dabei muß ja. wie schon angedeutet, die Problematik auf
ein Minimum reduziert werden.

So darf ich wohl verschiedene Fragen an Verfasser und Herausgeber
richten:

1) Sind der Aufenthalt in Ägypten, die Exodusüberlieferungen, der
Komplex der Landnahme- und Richterüberlieferungen vielleicht
nicht doch auch wie die Erzvätertraditionen zu behandeln? In all diesen
Fällen kann ja noch nicht von Ganzisrael die Rede sein. 2) Wie
steht es mit dem Deuteronomisten? Der Band arbeitet mit der. inzvt i-
schen ausgebauten Nothschen Hypothese, doch das Vorkommen dtr.
Überarbeitungen im Tetrateuch und den vorexilischen Propheten-
büchern wird praktisch nicht behandelt. 3) Wenn die Geschichtsbücher
dtr. überarbeitet worden sind, kann man dann behaupten,
man fände dort allere, königsfeindliche Uberlieferungen, oder sollte
man nicht lieber in ihnen Materialien und Ideengut zur ideologischen
Rechtfertigung der nachexilischen Theokratie erblicken'.' Dabei sollte
man doch wohl mindestens von einer königsfreundlichen, älteren,
und einer königsfeindlichen, späteren dtr. Schicht ausgehen. 4) Wie
steht es mit der israelitischen Religion? Können wir ohne weiteres die
dtr. These von einer ursprünglich „reinen", durch kanaanäischen
Einfluß korrumpierten, israelitischen Religion annehmen? Sollten
wir nicht eher den anderen Weg beschreiten: in vorexilischer Zeil
bestand die Religion Israels aus verschiedenen, synkretistischen Gebilden
: nur langsam, durch die Predigt der Propheten und gewisser
Priesterkreise, wuchs sie /um Niveau des Deutero-Jesaja heran, wie
man sich diesen Prozeß auch immer vorstellen mag.

Doch, wie gesagt, paßt eine solche Problematik nicht in das Konzept
eines solchen Buches, oder wenigstens noch nicht; so wie es ist,
erfüllt es vielleicht seine Aufgabe besser.

Ein letztes Wort. Der Band ist schön gedruckt und gut gebunden:
dem Bcnützer wird er nicht zwischen den Fingern zerfallen. Dadurch
hebt er sich günstig von den meisten in der BRD aufgelegten Büchern
ab. welche nur allzuoft den Einband mit Leim und den Druck mit