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Ausgabe:

1983

Spalte:

188-189

Kategorie:

Bibelwissenschaft

Autor/Hrsg.:

Gerstenberger, Erhard S.

Titel/Untertitel:

Frau und Mann 1983

Rezensent:

Schulz, Hansjürgen

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Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 00

188

Die TUAT bedürfen keiner besonderen Empfehlung. Sie sind willkommen
als wichtiges Hilfs- und Informationsmittel und werden sich
rasch einführen. Bearbeiter, Herausgeber und Verleger können des
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Berlin Karl-Heinz Bernhardt

Bibelwissenschaft

Williams, James G.: Those Who Ponder Proverbs. Aphoristic
Thinking and Biblical Literature. Almond Press 1981. 128 S. 8" =
Bible and Literature, 2.

Die Arbeiten von James G. Williams suchen stets neue Wege, so
auch diese. Nicht nur, daß vergleichbare termini in der deutschen
Sprache einen leicht anderen Gedankenhintergrund sichtbar werden
lassen als in der englischen. Mehr noch fallt ins Gewicht, daß W. mit
Begriffen arbeitet, die er der Literaturwissenschaft der Neuzeit entnimmt
und auf die biblische Literatur anwendet. Das kann erhellend
wirken, aber auch Verwirrung stiften.

..Aphoristisches Denken" (siehe Untertitel)-das ist es. was W. über
Jahrtausende hinweg aufspüren möchte. Dabei läßt er sich von den
biblischen Sprüchen ebenso leiten wie von Karl Kraus, dessen
..Aphorismus" ..Weil ich den Gedanken beim Wort nehme, kommt
er" immer wieder im Duktus der Ausführungen auftaucht, das erste
Mal als Motto unter der Einleitung. Hier schon ließe sich fragen, ob
der Sinn ganz erfaßt wird, wenn W. übersetzt "The thought comes
because I take it with the word" (S. 16).

In drei Kapiteln beschreibt W. die aphoristische Weisheit der Bibel
in seinem Sinne (S. 17-63). Er geht davon aus. daß "a coneept of
order" das Zentrum weisheitlichen Denkens sei (S. 17) und verfolgt
dies in vier Motiven: a) Vergeltung und göttliche Gerechtigkeit, b)
weisheitliche Rede, c)die Autorität der Väter und d) Selbstdisziplin.

Bei dieser Einteilung ist sicher Wesentliches zur biblischen Weisheitsliteratur
zutreffend beschrieben. Die ganze Weitläufigkeit der
Literatur die Jahrhunderte hindurch kann auf diese Weise geordnet
werden. Stimmt es aber nicht auch nachdenklich und gibt es nicht zu
Fragen Anlaß, wenn diese vier ..Motive" einmal mehr sachlichinhaltlicher
Art. ein anderes Mal mehr formaler Art sind? Es wäre der
Klarheit der Darlegung dienlich gewesen, wenn eine sauberere Trennung
befolgt worden wäre.

Im Zuge der beschriebenen Darlegungen stößt W. nun auch auf die
(richtig beobachtete) Tatsache, daß die Grundlage des weisheitlichen
(aphoristischen) Redens, nämlich das Ordnungsdenken, auch durchbrochen
wird. Bei dieser Beobachtung sieht W. "the heart of the
study" (S. 32). Diese Durchbrechung erkennt W. da. wo das "prin-
ciple of order" entweder verneint oder von ihm abgewichen wird. Beispiele
dafür sieht er bei Kohelet und in den Worten Jesu (S. 32-34 und
besonders S. 47-63).

So richtig diese Feststellung ist. muß doch auch gefragt werden, ob
es nicht auch Beispiele für die "counter-order" außerhalb der genannten
zwei Zeugen gibt, und ferner, ob etwa Mk 2.27 ..Der Sabbat ist für
den Menschen da. nicht der Mensch für den Sabbat" (S. 61) das leistet,
was W. sucht. Ist hier nicht wiederum eine zu schnelle Vermischung
von Inhalt und Form vorgenommen?

Das Resultat der drei genannten Kapitel und damit das der gesamten
Untersuchung wird in Kapitel IV vorgetragen "A Litcrary-
Conceptual Model of Aphoristic Discourse" (S. 65-90; S. 91-128
enthalten die Fußnoten, die Bibliographie und Register). Hier wird
nun in breiter Fülle die moderne Literaturwissenschaft benutzt, angefangen
bei Pascal, über Novalis. Jean Paul, bis hin zu Kafka und
Canetti. Im besonderen folgt W. den Ausführungen und Definitionen
von Gerhard Neumann, Ideenparadiese, München 1976. und anderen
Veröffentlichungen dieses Autors. Er plädiert dafür, daß Spruch und
Aphorismus nicht zu scharf voneinander zu trennen seien: sie dienen
verschiedenen Zwecken und haben verschiedene Funktionen. Während
der Spruch mehr die überkommene "collective" Stimme darstellt
, so der Aphorismus mehr die individuelle (S. 80). Beide aber zeigen
dadurch, daß sie sich um die Komplexität der Lebenserfahrung
bemühen, ihre Eigentümlichkeit: sie sind poetisch und philosophisch
zu erfassen (S. 86), ein Schluß, der als Ziel der Untersuchung schon
aufS. 14 genannt worden war: "It will be the thesis of this study that
the only way adequately to understand the funetion of aphoristic
language in the sources to be investigated is to view it as both literary
and conceptual, both poetic and philosophical".

Damit hat W. eine Sicht eröffnet, die weite Räume neu erschließt.
In der Tat ist in der bisherigen Forschung die Verbindung der biblischen
Weisheitslehren mehr mit der gleichzeitigen vorderorientalischen
und ägyptischen Literatur gesehen und begründet worden.
Dieser Gesichtspunkt fehlt bei W. völlig. Dafür aber macht er hellhörig
für literarische Formulierungen aus ganz anderen Zeiten und
Räumen. Daß von solchen Ausblicken noch viel erwartet werden
kann, macht vorliegende Studie deutlich. Allerdings soll auch nicht
verschwiegen werden, daß bei einem solchen Vergleich über Räume,
Zeiten und Sprachen hinweg besondere Gefahren lauern.

Wien Georg Sauer

Gerstenberger, Erhard S., und Wolfgang Schräge: Frau und Mann.

Stuttgart-Berlin-Köln-Mainz: Kohlhammer 1980. 197 S. 8" =
Kohlhammer Taschenbücher, 1013: Biblische Konfrontationen.
Kart. DM 16,-.

Schon zum Thema „Leiden" haben die beiden Verlässer in der
Reihe der „Biblischen Konfrontationen" einen Band vorgelegt. Er
wurde in der ThLZ 105, 1980 Sp. 9 lOf besprochen.

Gerstenberger eröffnet den ersten Teil (Frau und Mann im AT,
S. 9-91) mit der Konfrontation zwischen den heutigen Tendenzen in
den Geschlechterbeziehungen und dem AT (1). „Die Zweierbezichung
von Frau und Mann ist - so sehen wir es heute - eine umfassende Gemeinschaft
von zwei sehr verschiedenen, gleichwertigen Wesen" (17).
Im AT finden wir nicht „das Urmodell einer ewigen, von Gott verordneten
Form des Zusammenlebens" der Geschlechter (18). Die bleibende
Bedeutung des AT liegt vielmehr in der Überlieferung der Wandelbarkeit
der Glaubensaussagen Israels. Das AT ist von Männern für
Männer aufgezeichnet und spiegelt in den Äußerungen zu Geschlechterbeziehungen
überwiegend männliche Interessen und Erfahrungen
,

Der Vf. gliedert das Material zum Thema in fünf Abschnitte.
Lebenskreis: Kindheit. Jugend. Liebe. Hochzeit. Ehealltag. Scheidung
und Tod (II). Die patriarchalisch-maskulinen Wertvorstcllungcn des
AT treten heraus. ISam 25. 2Kön 4; 8.1-6 und andere Stellen /eigen,
daß es im patriarchalischen Prinzip auch erstaunliche Ausnahmen
gab. Erst das Judentum scheint die Grenzen der Frau sehr viel enger
gezogen zu haben. - Geschlechtcrrollen (III) werden an der Arbeitsteilung
, der Über- und Unterordnung, der Elternschaft und den politischen
Rollen dargestellt. -Geschlechterbeziehungen (IV): Hier wird
der universale Aspekt der Gottesebenbildlichkeit (Gen 1,27b) betont.
Die sexuellen Erfahrungen sind gänzlich dem familiären Wertsystem
zugeordnet. Die Familienstrukturen gaben den entscheidenden
lebenslänglichen Halt. Das Hohelied sieht Vf. als Zeugnis dafür, daß
sich am Reichtum des sexuellen Erlebens über die Jahrtausende nichts
geändert habe. Ansätze partncrschal'tlicher Beziehungen entdeckt
Gerstenberger in Gen 34,7 ff; 2Sam 1.3.20-29; Spr 31,12 u.a. Die
Familie, deren Bedeutungslosigkeit in der Moderne Vf. in schwarzen
Farben schildert, sieht er auch im AT langsam zurücktreten. - Sexualität
und Religion (V): Angesichts der ausgeprägten religiösen Scxua-
litätssymbolik in Israels Umwelt hält das AT an einer „männlich
gelärbten Transscxualität Jahwes" fest; doch finden sich bei
Hos2.4-l(): Jcr2,32f; Ez 16.23; Jes54,6; 62,4f auch andere Aussagen
. Zusammenlässend behauptet Vf., das AT stelle Gott als den
Befreier auch von den Zwängen und Egoismen des Geschlechtstriebes