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Ausgabe:

1983

Spalte:

185-186

Kategorie:

Kirchengeschichte: Alte Kirche, Christliche Archäologie

Autor/Hrsg.:

Tarragon, Jean-Michel de

Titel/Untertitel:

Le culte à Ugarit 1983

Rezensent:

Herrmann, Wolfram

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Seite 1

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185

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 3

186

Alter Orient

Tarragon, Jean-Michel de: Le culte ä Ugarit. D'apres les textcs de la
pratique en cuneiformes alphabetiques. Paris: Gabalda 1980.
208 S.gr. 8° = Cahiersde la Revue Biblique, 19.

Indem der Autor die Texte aus der Praxis des religiösen Lebens, die
in den letzten Jahren durch neue Zeugnisse bereichert wurden, zum
Gegenstand seiner Untersuchung macht, befaßt er sich mit einem
noch wenig bearbeiteten Sektor der ugaritologischen Studien. Als
Grundlage dienen Rituale, Opferlisten - nach Meinung des Vf. nicht
sicher von den Ritualen zu unterscheiden - und Götterverzeichnisse,
wozu sich einige epigraphische Dokumente gesellen, nämlich die
beiden Votivstelen, die beschrifteten Lungen- und Lebermodelle, die
beschrifteten Hacken sowie die Inschrift auf einem Gefäß in Form
eines Löwenkopfes (freilich nicht auf dem Henkel, sondern dem Gefäßkörper
, zu S. 13 u. I 74). Da es um den westsemitischen Kult geht,
beschränkt sich Vf. auf die kcilalphabetischen Texte und zieht akka-
dische. hettilische und hurritische nur soweit nötig heran.

Sachkenntnis und Einfühlungsvermögen zeichnen den Vf. aus, dem
es gelang, die Texte, welche seinem sicher zutrelTcnden Urteil nach
keine systematischen Beschreibungen, sondern nur Gedächtnisstützen
waren (S. 14), ein gutes Stück weit zum Sprechen zu bringen, obwohl
noch eine ganze Menge des Lexikalischen, ebenso Syntaktisches,
ungeklärt ist; denn dort, wo die Philologie versagt, läßt sich in mancherlei
Hinsicht der Kontext zu Rate ziehen. Neues Material und
neue Erkenntnisse dürften veränderte oder erweiterte Auffassungen
erbringen. Der Vf., der jeweils die möglichen Aspekte und bisherigen
Erklärungsversuche gründlich und behutsam erörtert, öfter nur die
Problemlage schildern kann, aber auch zu eigenen Resultaten gelangt,
hat viel zum Verstehen des spröden Stoffes beigesteuert und die Forschung
vorangetrieben. Er ließ sich von dem Grundsatz leiten, die
kultischen Texte von Ras Schamra und deren Terminologie aus sich
heraus zu erklären, nicht von den Daten her, welche die Mythen
bereitstellen, da diese obendrein kultische Verhältnisse älterer Zeiten
widerspiegeln mögen, auch nicht von Gegebenheiten des Alten Testaments
her. obwohl man hin und wieder Beziehungen aufweisen kann.

Gegliedert ist die Abhandlung in sechs Kapitel. Das erste bespricht
den kultischen Kalender. Im zweiten geht der Vf. auf die Opfermaterie
ein. Man unterscheidet dabei wie anderswo zwei Arten, nämlich Tiere
(belegt sind 14 Begriffe, dazu 3 Körperteile; auffällig ist die Nennung
des Esels, der sonst in der westsemitischen Welt nicht als Opfertier bezeugt
ist; man findet darüber hinaus nichts hinsichtlich einer Unterscheidung
von reinen und unreinen Tieren) und materielle Opfer
(Nahrungsmittel, handwerklich Hergestelltes, Edelmetalle). Kap. III
mustert das kultische Vokabular durch (ausgeklammert bleiben
natürlich die schon vorher besprochenen Opfertermini). Es werden
danach (Kap. IV) zwei je durch mehrere Exemplare vertretene Rituale
entwickelt: die Reinigung (Dcsakralisicrung) des Königs und die
Überführung und Bekleidung von Götterstatuen. In Kap. V wendet
sich Vf. der Begrifflichkeit zu, welche sicher, wahrscheinlich oder
kaum einzelne Gruppen des Kultpersonals benennt (eine gesonderte
Besprechung erfährt der Begriff mrzh). Erwähnenswert sind die Tatsachen
, daß als im Kult agierend nur der König ausdrücklich genannt
wird, daß die klmm in keinem der Kulttcxtc vorkommen und daß uns
aus SpB 3 profiliert das Oberhaupt der Priester (rb klmm), auf Grund
seines Eigennamens (um prln) offenbar hurritischer Abstammung,
entgegentritt. Das letzte Kapitel (VI) ist den in den Kulttexten auftauchenden
Ciottheiten gewidmet. Es fällt auf, daß die Hauptgöttcr oft
durch ein meist geographisches Epitheton näher bestimmt sind. Die
Vielfalt der Gottheiten ordnet sich nicht in ein theologisches System.
Man hat nebeneinander die Götter der verschiedenen Bevölkcrungs-
'eile, und sie sind fast nicht funktional charakterisiert. Es ist allerdings
•raglich, ob unter den hn //alle Götter insgesamt zu verstehen sind und
nicht vielmehr nur eine Göttergruppe (zu S. 170).

Das Buch enthält ein umfangreiches Literaturverzeichnis. Dennoch

vermißt man einige Titel, die offenbar nicht herangezogen wurden.
Die Zahl der Versehen oder Druckfehler bleibt in engen Grenzen. Der
Kundige wird sie selbst entdecken und berichtigen.

In der Conclusion betont Vf. mit Recht, die Studie bedürfe der Ergänzung
durch die archäologischen Gegebenheiten und die Zeugnisse
der Glyptik über den Kultus, auch müsse die Frage nach der Beziehung
zwischen dem Mythus und dem Kultus neu gestellt weiden.
Nimmt man hinzu, daß die Darlegungen viele hier nicht erwähnte
Anregungen enthalten, womit auseinanderzusetzen sich lohnt, wird
man die ugaritologisehe Forschung zu diesem Buche, das durch nützliche
Indizes aufgeschlüsselt ist und auch der Wissenschaft vom Allen
Testament Gewinn abwirft, beglückwünschen.

Leipzig Wolfram Herrmann

Kaiser, Otto [Hrsg.]: Texte aus der Umwelt des Alten Testaments.

Bd. I. Lfg. I: Rykle Borger. Heiner Lutzmann. Willem
H. Ph. Römer und Einar von Schuler: Rechtsbücher. Gütersloh:
Ciütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1982. 125 S. gr. 8 Karl.
DM 68.-.

Zum Ziel des Werkes insgesamt bemerkt der Herausgeber u.a.:
„Dem Alttestamentier vom Fach und dem um cm tieferes Verständnis
der Schrift bemühten Leser sollen die wichtigsten profan-und religionsgeschichtlichen
Dokumente der Umwelt des Alten Testaments
von der Mitte des 2. Jahrtausends v. Chr. bis an die untere Grenze des
alttestamentliehen Zeitalters in zuverlässigen Übersetzungen zugänglich
gemacht werden. Gleichzeitig soll allen direkt oder indirekt mit
der Geschichte und den Kulturen der altorientalisch-ägyptischen
Welt Befaßten eine Dokumentation in die Hand gegeben werden, die
ihm eine schnelle Information erlaubt" (6).

Dieses Ziel ist insofern nicht leicht zu erreichen, als die Zahl der in
Betracht kommenden Texte seit dem Erscheinen der letzten großen
Zusammenstellung von altvorderasiatischcn Texten in deutscher
Übersetzung (H. Greßmann, Altorientalische Texte zum Alten Testament
, '1926, Nachdruck 1970) sehr erheblich zugenommen hat. Eine
Auswahl muß getroffen werden, wenn auch der vorgesehene Umfang
von drei starken Bänden eine beträchtliche Erweiterung des Gebotenen
gegenüber H. Greßmann und wohl auch gegenüber J. B. Prit-
chard, Ancient Near Eastern Texts relating to the Old Testament,
11969, erlauben wird.

In der vorliegenden ersten Lieferung spielt die Frage der Auswahl
allerdings noch keine Rolle. Die ohnehin geringe Zahl der mehr oder
weniger unvollständig erhalten gebliebenen altvorderasiatischen Gesetzessammlungen
hat sich während der letzten drei Jahrzehnte nicht
vermehrt. Sämtliche einschlägigen Texte können also wiedergegeben
werden: Die sumerischen Gesetze Urnammu's (W. H. Ph. Römer)
und Lipit Ischtars (H. Lutzmann), die akkadische Sammlung aus
Eschnunna, der Codex Hammurapi, mittclassyrische und neubabylonische
Gesetze (R. Borger) sowie die hethitischen Gesetze nebst Vorschriften
für Diener des Königs (E. von Schüler). Die Texte werden
sämtlich in neuer, auf Verständlichkeit achtender Übersetzung vorgelegt
, im Falle der nur in einem Bruchstück erhaltenen neubabylonischen
Gesetze auf der Grundlage einer erneuten Kollationierung
nach dem Original (92-95). Varianten finden angemessene Berücksichtigung
; nützlich ist die Wiedergabe der Zeilennumcricrung neben
der Paragrapheneinteilung. Der Erläuterung dienen kurze Einführungen
mit Litcraturangaben. verläßt von den jeweiligen Bearbeitern.'
sowie Sacherklärungen in sehr knappen Anmerkungen, die aber alles
Notwendige enthalten.

' Die Literaturangaben sind nach Anordnung. Inhalt und Umfang etwas
ungleichmäßig zusammengestellt. Der Verweis auf die üblichen Nachschlagewerke
und andere Übersetzungen ist nicht so sehr sinnvoll. Dafür könnten vielleicht
kommentierende oder auswertende Veröffentlichungen, die der Übersetzer
empfehlen möchte, starker berücksichtigt werden. - Die Angahen über
MalJe und Gewicht*aufS. 17, 32 und 97 decken sieh nicht ganz.