Recherche – Detailansicht

Ausgabe:

1983

Spalte:

184

Kategorie:

Religionswissenschaft

Autor/Hrsg.:

Hauth, Rüdiger

Titel/Untertitel:

Jugendsekten und Psychogruppen von A bis Z 1983

Rezensent:

Obst, Helmut

Ansicht Scan:

Seite 1

Download Scan:

PDF

183

Theologische Literaturzeitung 108. Jahrgang 1983 Nr. 3

184

Religion" (so der Titel) und charakterisiert dann nach den Quellen,
die ausgiebig zitiert werden, „Das Leben in der christlichen Gemeinde
" (Kultus, Ämter), „Das Leben der Christen in der Welt" (beispielhafte
Moral, Askese) und „Die Anfänge der christlichen Theologie
" unter Einbeziehung der Nag-Hammadi-Texte - auf nur 18 Seiten
das Wichtigste zur Charakteristik des Christentums bis Irenäus.
B. Rötung beginnt seinen Beitrag „Auseinandersetzung des Christentums
mit der Umwelt" mit der Frage nach der „Einordnung der
Christen in Staat und Gesellschaft" und kommt - ausgehend von der
grundsätzlichen Haltung der Loyalität - auf konkrete Ronfliktsitua-
tionen zu sprechen. Ein 2. Abschnitt behandelt die Auseinandersetzung
des Frühchristentums mit den Religionen seiner Umwelt, die sowohl
als Abgrenzung, Polemik und (nach dem Sieg des Christentums)
als Verfolgung geschah, aber auch in der Form der Übernahme religiöser
Gebräuche und Begriffe („Assimilation"). Etwas abrupt schließen
sich Ausführungen über das Verhältnis von Christentum und
Mysterienreligionen an. Ohne die Rolle der Mysterien überschätzen
zu wollen (so K. 399), war der Einfluß des Mysteriendenkens auf die
alte Kirche doch recht beachtlich. Nicht klar ist mir, warum Vf. nicht
auf die Auseinandersetzungen mit der gnostischen Bewegung eingeht,
die nun wirklich über ein anfängliches Nebeneinander und eine
gegenseitige Befruchtung zu einem Ringen um Wahrheit und Macht
wurden. Im 3. Abschnitt geht K. auf den Bereich der Volksfrömmigkeit
ein, in dem sich auch ein Anpassungsprozeß vollzog.

Im Kapitel „Gnosis" entwirft G. Quispel in engagierter Weise
sein Bild von der gnostischen Bewegung, ihrer Entstehung und Entfaltung
. Vf. setzt den Ursprung „im jüdischen Bereich" an und geht dann
in dieser Richtung auf den Gott „Mensch", die Sophia-Gestalt, den
„Unbekannten Gott und den Demiurgen" und den „Gottesgeist im
Menschen" des näheren ein. Es folgen Abschnitte über „die jüdische
Gnostik", die Mandäer und „die jüdische Thronmystik". Den letzten
Abschnitt widmet Q. der christlichen Gnosis und behandelt Marcion,
Basilides, Valentinus und die Texte des Kodex Jung. Am Ende stehen
Ausführungen zur ebenso interessanten wie diffizilen Wirkungsgeschichte
der Gnosis. An Q.s Beitrag besticht die umgreifende Sicht
des Phänomens Gnosis. Gleichwohl befindet sich Rezensent in gewisser
Verlegenheit, da er bei der Darstellung der Gnosis einen anderen
Weg eingeschlagen hätte. Davon abgesehen müßte der Leser m. E.
deutlicher auf die Unterschiede zwischen paganer, verchristlichter,
„christlicher" und speziell innerkirchlicher Gnosis hingewiesen
werden. Letzteres vor allem, um die harten Auseinandersetzungen
zwischen Kirche und Gnosis verstehbar zu machen. Es schließt sich
ein eigener Beitrag zum Manichäismus an. Nach einer Beschreibung
des Entstehungsraumes des M. führt A. Böhl ig in den manichäi-
schen Mythos ein und behandelt dann die Hauptschriften Manis und
das sonstige manichäische Schrifttum. Weiter enthält der Beitrag Ausführungen
zur Person Manis, zur Verbreitung des M., zu Augustins
Auseinandersetzung mit dem M. und immer wieder zur Stellung Jesu
Christi bei Mani und im M. Auch wissenschaftliche Probleme und
Kontroversen (Widengren contra Schaeder) werden dargestellt. B.s
Beitrag ist ein schöner Essay, der in Kürze und Klarheit in ein großes
Thema einführt. H. K ü n z 1, „Das Judentum", berichtet - leider nur
sehr kurz - über die politische und religiöse Lage des Judentums ab 63
v. Chr. bis ins frühe 3. Jh. Der Hauptteil der Ausführungen ist unter
kunstgeschichtlichen, archäologischen und architektonischen Aspekten
(mit vielen interessanten Details) dem herodianischen Tempel,
den Synagogen vom I. bis zum 6. Jh., den religiösen Motiven auf
Münzen, Lampen, Sarkophagen und der Gestaltung von Grabanlagen
gewidmet. Über die Literatur des frühen Judentums erfährt man nur,
daß es sie gegeben hat, aber nichts Näheres. Überhaupt kommt das
Judentum in diesem Band entschieden zu kurz.

Der 19. Beitrag stammt von J.Schwartz: „Papyri Magicae
Graecae und Magische Gemmen". Mit Recht lehnt S. die Bestimmung
der Gemmen als „gnostisch" ab und stellt fest, daß man von
einem „bedeutenden gnostischen Einfluß" auf das Zauberwesen nicht
mehr sprechen kann. Das gilt auch für den Hermetismus. Leider sind

diesem Beitrag keine Bilder beigegeben. Im letzten Beitrag stellt
M. Oppermann „Thrakische und Danubische Reitergötter" vor
(verschiedene Typen von Denkmälern) und untersucht ihre Beziehungen
zu orientalischen Göttern und Kulturen. Bei der Besprechung
der danubischen Reiterdenkmäler stellt Vf. das „orientalisch geprägte
Motiv- und Gedankengut" heraus (spez. mithräisches). Am Schluß
wird der „Razgrader Reitergott" als gesonderte Gottheit erwähnt.

Die einzelnen Literaturverzeichnisse sind im Umfang sehr verschieden
; mitunter fehlen allerdings wichtige Titel. Viele Beiträge wirken
gut aufeinander abgestimmt und ergänzen sich, zum Teil mit unterschiedlichen
Akzenten. Ein Register der Namen und Sachen, ein Verzeichnis
der geographischen Namen und zwei Karten runden das
gelungene Handbuch ab. Dem Herausgeber und allen Mitarbeitern
und Gestaltern gebührt ein herzlicher Dank.

Berlin Karl-Wolfgang Tröger

Hauth, Rüdiger: Jugendsekten und Psychogruppen von A-Z. Gütersloh
: Gütersloher Verlagshaus Gerd Mohn 1981. 144 S. 8" =
GTB/Siebenstern, 1034. Kart. DM 12,80.

Das vorliegende „kleine Handlexikon" will „der Schnell-Informa-
tion" auf dem Gebiet der sogenannten „Jugendreligionen" bzw.
„Neu-Religionen" dienen, die vor allem seit den siebziger Jahren in
Nordamerika und Westeuropa erfolgreich waren, großes öffentliches
Interesse fanden und entschiedene Proteste hervorriefen. Der Vf. ist
mit primär apologetisch ausgerichteten Veröffentlichungen zu diesem
Thema bereits mehrfach hervorgetreten. Auch in dieser Publikation
geht es ihm neben der Erklärung „objektiver Sachbegriffe" vor allem
um Auseinandersetzung, die freilich in erster Linie Polemik ist. Dies
zeigt schon der den Titel prägende, formal und inhaltlich umstrittene
Begriff „Jugendsekten" an.

Die bekanntesten und verbreitetsten werden unter dem jeweiligen
Stichwort durch Angaben über ihre Gründer bzw. Leiter, über Lehre,
Geschichte, Organisations-, Lebens- und Arbeitsformen etc. in ihrer
spezifischen Begrifflichkeit vorgestellt. Dabei mußte „aus Platzmangel
die Anzahl der Begriffe beschränkt werden" (S. 5). Das gilt auch für
die Gruppen selbst. Berücksichtigung finden: Die Internationale Gesellschaft
für Krishna-Bewußtsein (ISKCON); Die Neo-Sannyas-
Bewegung; Die Transzendentale Meditation; Ananda Marga
(PROUT); Die Divine Light Mission (DLM); Die Scientologie-
Kirche; Die Vereinigungs-Kirche; Die Kinder Gottes - Familie der
Liebe. Bedauerlich, daß keine über diese Gruppen hinausgehende
Informationen gegeben werden. Von einem so thematisierten Handlexikon
müßte man z. B. auch etwas über das mit der Divine Light
Mission von Guru Maharaj Ji formal leicht zu verwechselnde Divine
Light Zentrum von Swami Omkarananda erfahren oder auch über
Auroville und die Volkstempel-Bewegung.

Die Qualität der einzelnen Beiträge ist naturgemäß unterschiedlich,
der Rückgriff auf Originalquellen erweist sich in jedem Fall als ein Gewinn
. Da die einzelnen Artikel am Schluß keine Literaturhinweise
enthalten, wäre eine repräsentative Literaturübersicht unbedingt notwendig
gewesen. Unter der Rubrik „Zur Thematik ist bereits erschienen
" (S. 2) findet sich - durchaus sachentsprechend - aber einzig und
allein der Hinweis auf das Handbuch Religiöse Gemeinschaften, hrsg.
von Horst Reller, Gütersloh 21979. Jeder direkte Hinweis aufdie Fülle
anderer Publikationen bzw. auf so grundlegende Arbeiten wie die von
Friedrich-W. Haack, Jugendreligionen, München 1979 oder die
hohen wissenschaftlichen Ansprüchen genügende Publikation von
Reinhart Hummel, Indische Mission und neue Frömmigkeit im
Westen, Stuttgart 1980, fehlt.

Bei der Einarbeitung in das schwierige und unübersichtliche Gebiet
der „Jugendreligionen" kann jedoch die vorliegende Publikation im
Rahmen der behandelten Gruppen nützliche Dienste leisten und ihr
Ziel, „Schnell-Information" zu geben, gut erfüllen.

Halle (Saale) Helmut Obst