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Ausgabe:

1982

Spalte:

138-140

Kategorie:

Systematische Theologie: Dogmatik

Autor/Hrsg.:

Müller, Hanfried

Titel/Untertitel:

Evangelische Dogmatik im Überblick 1982

Rezensent:

Geense, Adriaan

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 2

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des Menschen, sondern auch positive Aussagen zur Religion und
neue Perspektiven in Barths Religionsverständnis, letzteres im Zusammenhang
mit der Rede, von den „wahren Worten extra muros
ecclesiae" in der Versöhnungslehre (KD IV).

Auch Ottos Einsatz ist vielseitig beleuchtet, so wie er sich tatsächlich
darstellt. Der Vf. fällt nicht der Versuchung zum Opfer, Otto als
Entdecker des Heiligen auf Kosten der Arbeit über die Kant-
Fries'sche Religionsphilosophie hervorzuheben, sondern er benutzt
auch die Anmerkungen Ottos zur englischen Übersetzung des Buches
(192, Anm. 81). Von Brück kommt so auch nicht zu einer falsch
verstandenen Charakteristik mit Hilfe des Begriffes Irrationalismus;
man denkt dabei unwillkürlich an Ottos eigene Worte in dem Vorwort
zu einer anderen englischen Übersetzung: "no one ought to con-
cern hims_elf with the 'Numen ineffabile' who has not already devote
assiduous and serious study to the 'Ratio aeterna'" (The Idea of the
Holy, New York 1958, S. XXI).

Michael von Brücks Buch ist ein gewichtiger Beitrag zur Frage
nach einer Theologie der Religionen und damit, wie ich zu Beginn
sagte, zu einer aktuellen Problematik mit ihren weit in die Vergangenheit
zurückreichenden Wurzeln. Es ist interessant, von Brücks
Beschreibung des grundsätzlichen Anliegens einer Theologie der Religionen
mit einer Diskussion über die gleiche Frage zu vergleichen,
wie sie ein halbes Jahrhundert zuvor geführt wurde, also gerade zu
der Zeit, als mehrere wichtige Arbeiten von Barth und Otto in der
Zeitschrift für systematische Theologie erschienen. Paul Althaus publizierte
1927 und 1928 drei Vorlesungen über Mission und Religionsgeschichte
, und Joachim Wach setzt sich im Zusammenhang
damit mit Althaus auseinander.

Althaus fordert in seinen Vorlesungen im Anschluß an Emil Brunner
eine „Theologie der Religionsgeschichte", in der die fremden
Religionen von der christlichen Glaubenslehre aus dargestellt und
beurteilt werden sollen. Es geht dabei um „das christliche Verständnis
der Religionsgeschichte" (ZSTh 5, 1928 S. 732). Auf gleiche
Weise spricht zum Abschluß von Brück davon, wie „die christliche
Theologie der Religionen ... vom christlichen Standpunkt aus andere
Religionen beschreiben und werten" muß (153 f). Was von Brück
gegen Barth anfuhrt, distanziert ihn auch zugleich von der Position
bei Althaus: die Religionen sind letztlich für das theologische Denken
irrelevant. Von Brück erwartet, daß „die grundlegende Relevanz der
nichtchristlichen Religionen für die christliche Theologie erkannt
wird" (15). Hier kann man von dem Werk Ottos lernen.

Barth nimmt seinerseits die Situation der pervertierten Religion als
gegeben an, und er identifiziert sie mit der Wirklichkeit der Religionen
. „Diese Verallgemeinerung ist Barths Fehler, denn daraus folgt
ein Urteil über die Religion, das, gemessen an den Ergebnissen, die
die Religionswissenschaft gebracht hat, und auch gemessen an unserer
religiösen Situation, verzerrt ist" (65). Diese Betonung der Resultate
der Religionswissenschaft bedeutet an sich, daß der Grundgedanke
der Opposition Joachim Wachs gegen Althaus weitervermittelt
wird. Althaus schreibt: „Unser Blickfeld heute (1927/28!) ist
wohl erweitert, aber das neue Bild der Religionsgeschichte hat keine
wesentliche theologische Frage gestellt, mit der nicht Luther selber
schon zu tun hatte. Er unterscheidet die Religion, die dem Menschen,
und diejenige, welche Gott die Ehre gibt"(ZSTh 5, 1928, 736). Hiermit
übereinstimmend ist die für Althaus entscheidende Kategorie Tür
das Verhältnis von Evangelium und Religionen die des unbedingten
Gegensatzes. Für Wach ist das „eine innertheologische Angelegenheit
, die mit religionswissenschaftlicher Forschung nichts mehr zu
tun haben will und zu tun hat" (ZSTh 6, 1929,491).

Entscheidend ist es Tür Wach, die größtmögliche Sicherung der Objektivität
des Verstehens selbst zu erreichen. Das bedeutet aber
keineswegs, daß „etwa Kälte oder gar Interesselosigkeit als Vorbedingung
der religionswissenschaftlichen Arbeit postuliert werden"
sollen; „ganz im Gegenteil: Sinn und Gefühl für religiöse Werte, Anteilnahme
.... liebevolle Versenkung in die Eigenart der fremden
Religion ist notwendig"(ZSTh 6,1929,492).

Die gleiche methodische Grundauffassung findet sich bei Brück
hinsichtlich der „Theologie der Religionen". Zu dem theologischsystematischen
Ausgangspunkt für diese Theologie meint von Brück:
„Eine Theologie der Religionen ist von der Christologie her zu entfalten
" (123). Das stimmt mit der These von Althaus überein: „Es
gibt keinen Maßstab für die Vergleichung der Religionen, der außerhalb
Christi selber läge" (ZSTh 5, 1928, 579). Von Brück stellt fest,
daß sich neuerdings u. a. W. Pannenberg gegen die Begründung einer
Theologie der Religionen in einer „natürlichen Theologie" gewandt
hat (210, Anm. 39). Das ist nicht so selbstverständlich, wie es den Anschein
haben kann. Die Religionsgeschichte richtig zu sehen, könnte
bedeuten, sie unter dem Blickpunkt der Offenbarung als Ort der allgemeinen
Offenbarung Gottes zu sehen. Dieses wird in einem offenbar
vergessenen Buch betont, das ebenfalls vor einem halben Jahrhundert
erschien: Hanna Wolff, Der lebendige Gott. Nathan Söderbloms Beitrag
zur Offenbarungsfrage. Emstetten 1938. Hanna Wolff zitiert dort
ein Wort des schwedischen Religionswissenschaftlers und Erz-
bischofs, das die Besprechung der bedeutenden Arbeit von Brücks abrunden
soll: „Die allgemeine Religionsgeschichte soll jetzt den Platz
einnehmen, den die ältere Dogmatik der natürlichen Theologie gab"
(Söderblom, Natürliche Theologie und allgemeine Religionsgeschichte
, Stockholm 1913, S. 79).

Göteborg Benkt-Erik Benktson

Systematische Theologie: Dogmatik

Müller, Hanfried: Evangelische Dogmatik im Überblick. In 2 Teilen
(2: Anlagen, Anmerkungen und Register). Berlin: Evang. Verlagsanstalt
1978. zsm. 456 S. gr. 8°. Pp. DDR: M 21,50; Ausland: 25,-.

Hanfried Müller, Professor für Dogmatik an der Sektion Theologie
der Humboldt-Universität Berlin, hat dort seit 1971 für die beiden
ersten Studienjahre Übersichtsvorlesungen im Fach Dogmatik gehalten
, um die Studenten in einer Periode, wo das theologische Studium
auf die philologischen Voraussetzungen ausgerichtet ist und das
Studienziel-bestimmte Problembewußtsein verloren zu gehen droht,
zu ermuntern und zu motivieren. Als Grundlage dienten ihm dabei
Thesen, die während der Vorlesung erläutert, kommentiert und diskutiert
wurden und so, in actu, ihre Aktualität zu erweisen hatten.
Diese konzentrierten Thesen wurden in der Vorlesung, gleichsam in
verdünnter Form, dargeboten. Nun liegen sie, nach der Vorlesung,
wieder in eingedickter Form, in diesem zweibändigen Buch vor uns:
der erste Band enthält die Thesen (jedesmal formal-didaktisch eingeleitet
mit einer Frage - des Lehrers oder des Schülers -), der zweite
Band eine reiche Fülle von kleingedruckten Anmerkungen, in denen
die Thesen erläutert, exegetisch-politisch begründet, konkretisiert
und praktisch-politisch aktualisiert werden. Das gesamte Thesen-
Matenal ist in 8 Abschnitten untergebracht worden: I Gottes.Offen-
barung (Prolegomena), II Gottes Gott-Sein, III Gottes Mensch-Sein,
IV Gottes Wirklichkeit (Hl. Geist), V Gottes Gnade (Prädestination
und Gebot), VI Gottes Werk (Schöpfungslehre, Anthropologie und
Rechtfertigungslehre), VII Gottes Ziel (Eschatologie), Vfll Gottes
Zeuge (Ekklesiologie). Daran schließen sich noch zwei Exkurse (Zur
Religion und zur Religionslosigkeit, Zur „Theologie nach dem Tode
Gottes") an.

Mit dieser Veröffentlichung gibt der Vf. die Thesen, die ursprünglich
in der konkreten Situation des Dogmatik-Unterrichts an jener
ganz bestimmten Stelle funktionierten, au& seinen Händen. Die
Drucklegung bedeutet doch, neben dem Zweck der Bereitstellung von
Repetitionsmaterial für die Studenten, auch den Anspruch: jetzt sollen
andere, über den konkreten Kreis der Hörer und der Situation
hinaus, mitdenken.

Der damit gestellte Anspruch überschreitet sachgemäß den Rahmen
einer Rezension. Die Rezension einer Dogmatik hat grundsätz-