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Ausgabe:

1982

Spalte:

136-138

Kategorie:

Systematische Theologie: Allgemeines

Autor/Hrsg.:

Brück, Michael von

Titel/Untertitel:

Möglichkeiten und Grenzen einer Theologie der Religionen 1982

Rezensent:

Benktson, Benkt-Erik

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 2

136

Mit dieser Untersuchung legt Ralph P. Crimmann eine überarbeitete
Fassung seiner 1974 in Erlangen eingereichten philosophisch-
geistesgeschichtlichen Dissertation vor. Das seit Ende der 60er Jahre
stark gewachsene Interesse am jungen Barth motivierte ihn dazu, dem
Echo auf Barths frühe Publikationen nachzugehen und dieses Echo
nach den Maßstäben heutiger Rezeptionsforschung auszuwerten.
Nicht also die weitgefächerte Wirkungsgeschichte des Barthschen
Frühwerks ist primär im Blick, sondern das sich vornehmlich in Rezensionen
und publizierten Auseinandersetzungen äußernde unmittelbare
Urteil der Zeitgenossen und mögliche Rückwirkungen dieses
Urteils auf Barths Werk (vgl. bes. 14ff, 200ff). Im Zentrum seiner
Darstellung stehen verständlicherweise die beiden Kommentare
Barths zum Römerbrief (1919 und 1922), deren Grundeinsichten
skizziert und deren Rezeption verfolgt werden (43-77. 94-150). Im
Zusammenhang mit der 2. Auflage des „Römerbriefs" geht Crimmann
auch auf die parallelen Vorträge und Diskussionen der Jahre
1922/23 ein. Vorangestellt ist eine knappe Untersuchung der Arbeiten
Barths bis zum „Römerbrief', 1. Auflage (19-42). ebenso wird die
Zeit des Übergangs vom „Römerbrief', 1. Auflage zum „Römerbrief
', 2. Auflage berücksichtigt. Sodann verfolgt Crimmann den
Zeitraum zwischen 1922 und 1924 („Auferstehung der Toten",
151-173). Aber der eigentliche Übergang zur „Christlichen Dogma-
tik im Entwurf (1927), die der Autor zu Recht einer neuen Phase des
Barthschen Theologisierens zuweist, wird damit eher gestreift als erfaßt
. Im Anschluß an die historische Bestandsaufnahme versucht
Crimmann das Ergebnis zu systematisieren und die Akzente der gegenwärtigen
Rezeption des jungen Barth herauszuarbeiten (174-203).
Der ,pädagogisch-theologische Anhang' - der Autor ist Lehrer für
evangelische Religionslehre und Deutsch - will die Bedeutung gerade
der Frühtheologie Barths für Ansatz und Praxis heutiger
Religionspädagogik unter Beweis stellen (204-238). Auf sympathische
Weise werden Chancen benannt, die die Theologie der beiden
„Römerbriefe" für die christliche Unterweisung bietet. An dieser
Stelle erprobt Crimmann die das ganze Buch prägende Option für den
frühen Barth: „Die große Entdeckung des jungen Barth, nämlich den
,unendlichen qualitativen Unterschied von Zeit und Ewigkeit', den er
als sein ,System' bezeichnet, erachten wir für eine gegenwärtige Theologie
nach wie vor als wesentlich" (14f). Unberücksichtigt bleibt freilich
die christologische Selbstkorrektur, die Barth diesem frühen diastatischen
Ansatz gegenüber vollzogen hat.

Im großen und ganzen gelingt Crimmann ein zutreffendes Bild der
theologischen Entwicklung Barths, seine Arbeit vermag einen Eindruck
von den Diskussionen zu vermitteln, die die Arbeiten Barths in
jener Zeit auslösten. Gerade die Interpretation des frühen Barth bedarf
immer wieder der Sichtung des unmittelbaren Echos. Wie fruchtbar
es ist, Barths theologische Entwicklung mit den zumeist sehr kritisch
und distanziert (oder wiederum zu unkritisch) gehaltenen Erwiderungen
zu konfrontieren, das haben an exemplarischen Details
auch andere Arbeiten in jüngster Zeit sichtbar gemacht. Das Spezifi-
kum der Arbeit Crimmanns ist die Bemühung um ein Gesamtbild der
Rezeption. Das verdient Achtung, weckt aber zugleich Fragen. Man
weiß nicht, ob man seine Kühnheit bewundern oder vor ihr erschrecken
soll, einen wesentlichen Abschnitt im Werk Barths und die
Vielzahl der dazu vorgebrachten Äußerungen auf 203 Seiten
(Schreibmaschinen-Offset) abzuhandeln. Crimmann ist sich der
durch die Materialfülle aufgeworfenen Grenzen bewußt: „Wir mußten
also versuchen, die groben Linien der Rezeptionsgeschichte herauszuarbeiten
und mit bezeichnenden Rezensionen zu belegen"
(178). Dennoch: Verkürzungen, Schematisierungen, Reflexionsverzicht
zugunsten einer teilweise sprunghaft wirkenden Zusammenstellung
und Kommentierung von Urteilen sind unausbleibliche Folgen.
Und ob auch immer die eigentlichen Kontroverspunkte ins Blickfeld
geraten, das ist sehr die Frage. Die jedenfalls formulierte eindrucksvolle
rezeptionsgeschichtliche Aufgabenstellung (14) hat Crimmann
nach meinem Urteil nicht sachgerecht bewältigen können. Vor allem
die für die Barth-Forschung wesentliche Aufgabe, die mögliche (oder

nicht mögliche!) Rückwirkung der Leserreaktionen auf Barths eigene
Weiterentwicklung aufzuhellen, bleibt weithin nur als Aufgabe
stehen.

Die Arbeit vermag einen Leser, der sich bisher nur wenig mit
Barths Frühzeit befaßt hat, recht gut an die Diskussionen jener Jahre
heranzuführen. Wer hingegen bereits versuchte, sich ein detailliertes
Bild jener Jahre zu verschaffen und auch an Barths wichtigsten Rezensenten
nicht vorüberging, ist nach der Lektüre allenfalls um die
Kenntnis einer neuen Zusammenfassung reicher. Weiterführende
Einsichten für die heutige Barth-Forschung ergeben sich schwerlich.
Aufmerksamkeit findet angesichts dieser Feststellung allerdings die
These, daß bereits im „Römerbrief', 1. Auflage „etwa zwischen den
Kapiteln 7 und 9" eine „Zäsur" vorliegt (73), die den Vf. zu dem Urteil
veranlaßt: „Barths dialektische Periode beginnt bereits 1917/18"
(74). Aber einer präzisen Überprüfung hält diese These, die sich vor
allem auf andeutende Aussagen im Briefwechsel Barth-Thurneysen
stützt, nicht stand. Ein sorgfältiger Textvergleich - insbesondere zum
Eschatologie- und Geschichtsverständnis - hätte Crimmann vor solcher
Mutmaßung bewahrt. Im „Römerbrief', 1. Auflage hat Barth
auch in der ersten Hälfte nicht einfach die Geschichtlichkeit des Gottesreiches
behauptet, um sie dann entschieden in der zweiten Hälfte
aufheben zu müssen (vgl. 63,690- Barths nochmaliger Revision des
ersten „Römerbriefes" vor der Drucklegung im Sommer 1918 wird
man nicht unterstellen dürfen, derartige Widersprüche stehen gelassen
zu haben. Daß es leichte Veränderungen im Aussageduktus von
„Römerbrief', 1. Auflage gibt, ist unbestreitbar, insofern mag Crimmanns
überspitzte These dazu anregen, solchen Akzentverlagerungen
genauer nachzugehen. Den Beginn der dialektischen Periode
Barths wird man aber nach wie vor in der Zeit zwischen beiden
Römerbrief-Kommentaren aufzusuchen haben.

Bleibt als Fazit, daß man Rezeptionsgeschichte nicht einfach auf
Rezensionsgeschichte verkürzen darf und sich für die Erforschung der
Barth-Rezeption nicht zuviel vornehmen sollte. Die Konzentration
auf ausgewählte Theologumena, auf einen begrenzten Zeitabschnitt
oder die Schwerpunktdiskussionen jener Jahre tut es auch, weniger ist
auch an dieser Stelle mehr.

Halle (Saale) Michael Beiritker

Brück, Michael v.: Möglichkeiten und Grenzen einer Theologie der
Religionen. Berlin: Evang. Verlagsanstalt 1979. 246 S. 8°. Kart.
M 14,80.

Die vorliegende Arbeit ist eine leicht bearbeitete Fassung der Dissertation
, die der Vf. im Jahre 1975 der Theologischen Fakultät an
der Universität Rostock vorlegte. Sie behandelt eine Problematik, die
weit in die Vergangenheit zurückreicht. Der Hintergrund ist das Auseinanderfallen
der Einheit von Christentum und Gesellschaft im
Zuge der Aufklärung. Dieses zwingt die Theologie, entweder von der
religiös-anthropologischen Veranlagung des Menschen oder von der
dem Menschen fremden und andersartigen Offenbarung Gottes auszugehen
. Der Vf. will einen Beitrag zur Frage nach der Selbstfindung
des Christentums in der modernen Welt liefern, indem er die geschichtlich
situationsbestimmte Frage nach den Religionen und die
innertheologische Debatte um das Verständnis von Religion (110
miteinander zu verbinden sucht.

Methodisch geht der Vf. so ans Werk, daß er zu einer Theologie der
Religionen, ihrer Möglichkeiten und Grenzen kommt, indem er gewisse
Schlußfolgerungen einer kritischen Auseinandersetzung zieht
und die „beiden zunächst ganz gegensätzlich anmutenden theologischen
Entwürfe Karl Barths und Rudolf Ottos" (14) weiterführt. Dies
ist eine ausgezeichnete Verfahrensweise, die dann auf eine sachkundige
und nuancierte Weise durchgeführt wird. Von Brück weist
nach, daß der Religionsbegriff bei Barth dialektisch ist. Bei Barth
findet sich nicht nur Kritik der Religion als hybride Selbsterhebung