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Ausgabe: | 1982 |
Spalte: | 130-133 |
Kategorie: | Systematische Theologie: Allgemeines |
Autor/Hrsg.: | Schaeffler, Richard |
Titel/Untertitel: | Glaubensreflexion und Wissenschaftslehre 1982 |
Rezensent: | Pfüller, Wolfgang |
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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 2
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ein intellektuelles Problem war. Ich meine aber mit R. Müller-
Streisand, daß gerade die erste reformatorische Theologie Luthers
eine eminent kirchenkritische war. Es läßt sich historisch leicht
nachweisen, daß Luther mit Hilfe beider Grundentwürfe seinen
Kampf gegen das im Kirchentum seiner Zeit als falsch und verderblich
Erkannte führte. Der Ablaßstreit war die Folge der kirchenkritischen
ersten Theologie Luthers, in der mit Hilfe der frühen Kreuzestheologie
die Buße als das zentrale Signum christlicher Existenz
herausgestellt wurde.
Interessant und überzeugend ist Greens These, daß Melanchthon
früher als Luther zu Begriffen gelangte, die für die forensische Rechtfertigungslehre
unumgänglich waren. Die grundlegenden Gemeinsamkeiten
im Verständnis der Rechtfertigungslehre zwischen dem
späteren Luther und Melanchthon treten ebenso hervor wie die weithin
unterschiedliche Terminologie und die nicht unwichtigen
Akzentunterschiede.
Rostock Gert Wendelborn
Oetinger, Friedrich Christoph: Theologia ex idea vitae deducta, hrsg.
v. K. Ohly. 1: Text. 299 S., 2: Anmerkungen. 198 S. Berlin-New
York: de Gruyter 1979. gr. 8* = Texte zur Geschichte des Pietismus
. Abt. VII: Friedrich Christoph Oetinger, 2. Lw. DM 260,-.
Dogmatische Kompendien als Lehrbücher für Theologiestudenten
werden zwar immer wieder geschrieben, ihre Wirkung ist aber wohl
kleiner als die Verfasser erhoffen. Das vorliegende Buch wird kein
Lehrbuch für heutige Theologiestudenten; es wurde dies damals auch
in Württemberg nicht, auch wenn Oetinger dahingehend Hoffnungen
gehegt hat. Im Unterschied zu neueren Büchern dieser Art ist es keine
Anthologie möglichst vieler Lehrmeinungen. Oetinger legt seine
Theologie dar und ordnet dieser die traditionellen Loci der Dogmatik
eindeutig unter. Bereits der Titel ist exakt das Thema seiner Theologie
: „aus dem Leben abgeleitet". Absolutes und oberstes Leben ist
Gott selbst (1,84). Offenbart ist dies unzweideutig in der Schrift und
mit Mängeln behaftet in der Natur. Neuplatonisches Verständnis von
Rom 1,20 und Apg 17,28 ermöglichen Oetinger diese Zuordnung.
Daraus erwächst auch die Methode des Kompendiums. Sechs Loci (1.
de deo [einschließlich Schöpfung, Providenz und Praedestination]; 2.
de homine; 3. de lege; 4. de gratia [Christologie]; 5. de ecclesiae et
mundo; 6. de invisibilibus et novissimis) werden jeweils getrennt
nach dem sensus communis und den mysteria scripturae behandelt.
Ein jeweils dritter Abschnitt (secundum formulas theticas) ermöglicht
Oetinger die Einbeziehung weiterer traditioneller dogmatischer Loci
insbesondere in der Auseinandersetzung mit Leibniz.
In der Zuordnung dieser beiden Offenbarungen erweist sich das Besondere
von Oetingers Dogmatik. Die Offenbarung Gottes in der Natur
erfolgt freilich nicht im Ergebnis analytisch-naturwissenschaftlicher
Erkenntnis, dazu bedarf es eben des sensus communis, einer
Art „intuitiver Erfassung der Gesamtverhältnisse" (Gadamer 1,35).
Natur und Bibel werden schließlich am Ende der Tage zu einer
Offenbarung zusammenkommen. Dabei geht es Oetinger nicht um
ängstliche Abwehr anderer Meinungen. Sein Bemühen geht vielmehr
in die Richtung, viele Kenntnisse und Erkenntnisse seiner Zeit mit
einzubeziehen. Das gilt etwa von der gleich im ersten Absatz aus
einem Hannoverschen Magazin entnommenen Episode, daß ein totes
Bärenfell, was verseucht war, den Tod anderer zur Folge gehabt hat.
Das gilt auch' von der Aufnahme kabbalistischer Gedanken. Am
deutlichsten in einem Absatz über die Seele (1,650, in dem auf Immanuel
Chai ben Abraham Ricchi (1688-1743) Bezug genommen wird.
Neben der ausführlichen Anmerkung über diesen Rabbiner wird im
Anhang (2, 157-171) dessen „Eröffnung über die Vernunftseelen" in
deutscher Übersetzung abgedruckt. Eine etwas versteckte Veröffentlichung
, aber für das Verständnis Oetingers ist es ein durchaus wichtiger
Text.
Die Entstehung dieses lateinisch geschriebenen, systematischen
Hauptwerkes Oetingers ist offenbar wichtig. Aufgefordert vom Konsi-
storialpräsidenten in Stuttgart, Geheimrat von Zech, entsteht, wie der
Herausgeber Karl Ohly überzeugend nachweist, das Kompendium
zwischen l. 12. 1751 und 10.3. 1752(1, 13-18). Offenbar besteht bei
Oetinger ein elementares Bedürfnis, seine Rechtgläubigkeit im Sinne
der lutherischen Reformation zu beweisen, ohne sich in die Enge
spätorthodoxer Lehrtraditionen zu begeben. Ein Umstand, den wir
bei den meisten pietistischen Vätern antreffen und der nicht nur
durch die äußere Gefährdung ihres Amtes erklärbar ist. Es ist insofern
sehr hilfreich, daß Ohly einen an sich verschollenen Text von Oetinger
entdeckt und im Anhang von Band 1 wiedergibt: „Wie ich durch
meine eigenen Prinzipien ein guter Lutheraner geworden" von 1735
(u. a. eine Stellungnahme zur Confessio Augustana). Der Herausgeber
Oetingers im 19. Jahrhundert, Ehmann, hatte aus dem Nachlaß
Oetingers den ursprünglich lateinischen Text übersetzt, und diese
Übersetzung ist erhalten geblieben.
Nachdem das Konsistorium in Stuttgart das Kompendium bejaht
hat - wobei auch Bengel als Mitglied desselben ein Votum abgab (1,
160 - erschien das Werk trotzdem nicht. Offenbar gibt es keine verläßlichen
Nachrichten darüber, warum keine Veröffentlichung erfolgt
ist. Stattdessen erschien eine Kurzfassung „Sylloge" 1753, die
im Textband 222-251 abgedruckt wurde. (Im Inhaltsverzeichnis
fehlt diese Angabe merkwürdigerweise, so daß die Anhänge der Sylloge
[vgl. 1,33], also die Seiten 252-276, im Inhaltsverzeichnis als
Anhänge der Theologia erscheinen.) Oetinger hat an der Theologia
nachweislich in den Jahren bis zur ersten Drucklegung 1765 noch gearbeitet
. Für Oetinger selbst hat die Theologia den Wert einer kirchenamtlichen
Bestätigung seine Theologie. Dies erwies sich in dem
Streit über sein Buch „Schwedenborgs und anderer irdische und
himmlische Philosophie" als wichtig. Aus den Akten des Landeskirchenamtes
Stuttgart werden im Anhang (1, 292-299) Aktenstücke
dazu erstmals veröffentlicht.
Die vorliegende Ausgabe der Theologia muß als vorbildlich angesehen
werden. Der Leser findet in den Vorworten von Gerhard Schäfer
, der Einleitung von Konrad Ohly, im textkritischen Apparat (der
sich meist auf die einzige deutsche Übersetzung der Theologia von
Hamberger 1852 bezieht), in den sachkundigen Anmerkungen mit
Exkursen zu verschiedenen Dingen, sowie in Bibelstellen-, Personen
- und Werkregister Oetingers alle erdenkliche Hilfe. Vorteilhaft
ist, daß im Unterschied zur Lehrtafel auf die Umschrift für hebräische
Worte verzichtet werden konnte. Unklar bleibt lediglich, warum die
Textanhänge (1, 280-299) nicht in das Register mit eingearbeitet
wurden. Ein Sachregister wurde nicht versucht. Das ist vertretbar, zumal
die übersichtliche Zusammenstellung der Gliederung der Theologia
1, 44-59 und Oetingers Register 1, 271-273 das Auffinden bestimmter
dogmatischer Loci ohne weiteres ermöglicht.
Potsdam Peter Schicketanz
Systematische Theologie: Allgemeines
Schaeffler, Richard: Glaubensreflexion und Wissenschaftslehre.
Thesen zur Wissenschaftstheorie und Wissenschaftsgeschichte der
Theologie. Freiburg-Basel-Wien: Herder 1980. 200 S. 8* = Quae-
stiones Disputatae, 82. Kart. DM 34,-.
Es ist wohl als erfreulich anzusehen, wenn wieder einmal ein Buch
verspricht, sich der wissenschaftstheoretischen Problematik in Hinsicht
auf die Theologie zu widmen, nachdem insbesondere die zu erwartende
Diskussion im Anschluß an die 1973 publizierten Konzepte
W. Pannenbergs sowie G. Sauters eigentümlicherweise recht
spärlich erfolgte. Freilich scheint mir unübersehbar, daß katholische
Theologen sich der vor allem Ende der sechziger Jahre brisant gewordenen
Diskussion um das Problem der Wissenschaftlichkeit der
Theologie unterdessen ungleich intensiver gewidmet haben als dies
auf evangelischer Seite zu beobachten ist. Ein neuerlicher Beleg für