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Ausgabe:

1982

Spalte:

122

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Titel/Untertitel:

Schwerpunkt, Die evangelischen Kirchen und die Revolution von 1848 1982

Rezensent:

C., U.

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 2

122

einem sachlich-chronologischen Korpus geordneten Schriftstücke
kam in früheren Veröffentlichungen Adolphs bereits zum Druck,
z. T. mehrfach. Die Aufzeichnung Nr. 83a (Memorandum Adolphs)
ist auch bei L. Volk (Bischöfliche Akten IV, Nr. 409) ediert, dort als
Denkschrift Preysings. Eigenarten der früheren Drucke gegenüber
den Original-MSS (redaktionelle Verbesserungen, inhaltliche und
sachliche Korrekturen, Weglassungen) sind im textkritischen Apparat
ausgewiesen.

Der Bearbeiter hat die Aufzeichnungen gemäß dem editorischen
Standard der Kommission für Zeitgeschichte in detaillierten, an
keiner Stelle ausufernden Hinweisen aufgeschlossen. Besonderes
Augenmerk galt der Erhellung schon nicht mehr ganz eindeutiger Bezüge
und Anspielungen auf Personen (Deck- und Spitznamen) und
Sachverhalte. Gewiß werden die Aufzeichnungen, abgesehen davon,
daß einige wenige Personen nicht entschlüsselt werden konnten, auch
sonst noch variable Größen enthalten - dank des heutigen Kenntnisstandes
und der Detailmühe des Bearbeiters allerdings in ziemlich
engen Grenzen.

Für die zeitgeschichtliche Forschung ist es ein glücklicher Umstand
, daß der so glänzend informierte Beobachter des Kirchen-
kampfgeschehens sich zugleich als dessen Chronist betätigte. Sicher
darf der Begriff .Chronist' dabei nicht überfordert werden. Ausführlichkeit
, Stilistik und Sachintensität der Aufzeichnungen sind
schwankend und erheblich von der Selbstbeteiligung Adolphs an den
Vorgängen mitbestimmt. Generell darf ihr informatorischer Sättigungsgrad
als hoch bezeichnet werden. Einige Schwerpunkte der Aufzeichnungen
seien wenigstens genannt: antikatholische Propaganda
in NS-Presse und -Rundfunk (Sittlichkeitsprozesse), Vorgänge um die
Enzyklika „Mit brennender Sorge", die schikanöse NS-Pressepolitik,
Probleme und Prozesse innerepiskopaler Meinungsbildung und kirchenpolitischer
Strategie (insbesondere auf der Spannungsachse Berlin
-Breslau), Reaktionen auf den „Anschluß" Österreichs. Die Aufzeichnungen
sind durchzogen von permanenten Reflexionen über
Verhaltens- und Kampfstil des Katholizismus unter der Nazidiktatur.
Sie enthalten auch eindrucksvolle Charakterskizzen führender
Bischöfe des deutschen Episkopats. Die (Kirchen-)Geschichte wird
nicht von Männern gemacht, aber auch nicht ohne sie. Die unmittelbare
Augenzcugcnschaft Adolphs hat die Bischofsbilder scharf kontu-
riert, sich dabei gelegentlich auch zu stark emotionalisierten Urteilen
hinreißen lassen. - Die Themen entsprechen den Tätigkeitsbereichen
Adolphs im Zeitraum der Aufzeichnungen (Mitarbeiter des Bischöflichen
Ordinariats Berlin, enger Vertrauter v. Preysings, Fachschaftsleiter
der katholischen Kirchenpresse in der NS-Reichspresse-
kammer, Schriftleiter der Berliner Kirchenzeitung). Die Mehrzahl
der Aufzeichnungen liegt im Zeitraum 1937 (97 bzw. 99 Aufzeichnungen
) und 1938 (42 bzw. 43 Aufzeichnungen). Von Interesse für
die protestantische Kirchenkampfhistoriographie sind die punktuellen
Bezugnahmen Adolphs auf Ereignisse und Personen aus der evangelischen
Kirche. Nr. 16 notiert unter dem 20. 3. 1937 eine Begegnung
M. Niemöllcr- Preysing. Man vgl. auch Nr. 132. Zu Niemöllers
Verhältnis zum Katholizismus im angesprochenen Zeitraum:
J.Schmidt: Martin Niemöller im Kirchenkampf. Hamburg 1971,
S. 390-392; S- 512 f (Anm.276, 278, 280). Unter Nr. 48 wird Prof.
A. Hindercr charakterisiert.

Uber den objektiven historischen Aussagewert der Aufzeichnungen
, zwischen deren Abfassung und Edition ja immerhin mehrere
Etappen katholischer Kirchcnkampflbrschung liegen, ist hier naturgemäß
kein Urteil abzugeben. Daß sich die Kommission für Zeitgeschichte
entschlossen hat, dem ausdrücklich bekundeten Willen
Adolphs zur Edition der gefahrvoll über den Krieg geretteten Aufzeichnungen
zu entsprechen, ist verdienstvoll. Bei dem sonst eher zurückhaltenden
Gebaren katholischer Führungsspitzen, in deren unmittelbarer
Nähe sich Adolph bewegte, und angesichts manchen Verwirrspiels
der NS-Religionspolitik bieten seine Niederschriften wertvolle
Hintergrundinformationerl. Den Unmittelbarkeitsaspekt hat
auch der Bearbeiter unterstrichen, sich dabei allerdings einer leicht

despektierlich wirkenden Ausdrucksweise bedient (vgl. das Schillerzitat
S. XXX). In der Einleitung (Vita Adolphs nebst Erläuterungen
zu den Aufzeichnungen) wäre eine etwas präzisere Einschätzung des
Gesamtbeitrags von Adolph zur katholischen Kirchenkampf-
forschung nicht unerwünscht gewesen, zumal auch v. Hehls Forschungsüberblick
aus dem Jahr 1974 (D. Albrecht [Hrsg.]: Katholische
Kirche im Dritten Reich. Mainz 1976, S. 219-251) Adolph nur
beiläufig erwähnen konnte. Literaturverzeichnis, chronologisches
Register der gedruckten und erwähnten Stücke, Personen-, Orts- und
Sachregister runden die wichtige, den Leser in ihren Bann schlagende
Veröffentlichung ab.

Leipzig Kurt Nowak

Pietismus und Neuzeit. Ein Jahrbuch zur Geschichte des neueren
Protestantismus. Im Auftrag der Historischen Kommission zur Erforschung
des Protestantismus hrsg. von M. Brecht, F. de Boor,
K. Deppermann, H.Lehmann, A. Lindt u. J. Wallmann. Bd. 5 -
1979 Schwerpunkt: Kirche und Revolution 1848. 1980. 316 S.;
Bd. 6 - 1980 Schwerpunkt: Landesherr und Landeskirchentum im
17. Jahrhundert. 1981. 294 S. Göttingen: Vandenhoek & Ruprecht
gr. 8' Kart, je DM 48,-.

Nachdem es zwischenzeitlich Schwierigkeiten mit dem regelmäßigen
Erscheinen des Jahrbuchs gab (die ersten beiden Bände erschienen
1974/75 - vgl. ThLZ 103, 1978 Sp. 1950, liegen die Bände
nun wieder für jedes Jahr vor. - Bd. 5 (1979) präsentiert die Vorträge,
die im April 1978 bei der Tagung der Sektion Kirchengeschichte der
Wissenschaftlichen Gesellschaft für Theologie in Berlin (West) gehalten
worden sind:

H. D. Look, Die kirchengeschichtliche Bedeutung des Jahres 1848. Versuch
einer Aufklärung (9-20); G. Maron, Revolution und Biographie. Zum Problem
der Generation in der evangelischen Theologie 1848 (21-38); G. Schäfer
, Die evangelische Kirche in Württemberg und die Revolution 1848/1849
(39-65); H. Rückleben, Theologischer Rationalismus und kirchlicher Protest
in Baden 1843^9 (66-83); W. Göbell, Kirche und Geistlichkeit zwischen
Revolution und Legitimität in der schleswig-holsteinischen Erhebung
1848/1849 (84-104); B. Köster, Die erste Bibelausgabe des Halleschen Pietismus
. Eine Untersuchung /.ur Vor- und Frühgeschichte derCansteinschen Bibelanstalt
(105-163); E. Schering, Mystik als Erkenntnis. Motive und
Aspekle der mystischen Theologie Fenelons (164-183); R. Piepmeier,
Theologie des Lebens und Neuzeitprozesse: Fr. Chr. Oetinger (184-217).

Im Bd. 6 (1980) werden Untersuchungen veröffentlicht, die größtenteils
1979 bei einer Tagung in Wolfenbüttel zum Thema „Theologie
und geistiges Leben zur Zeit Herzog Augusts" vorgetragen worden
sind: •

J. W a 11 m a n n, Herzog August zu Braunschweig und Lüneburg als Gestalt
der Kirchcngeschichte. Unter besonderer Berücksichtigung seines Verhältnisses
zu Johann Arndt (9-32); W. Sommer, Gottesfurcht und Fürstenherrschaft
. Das Verständnis der Obrigkeit in Predigten von Justus Gesenius und
Michael Walther (33-51); K. A. Stisser. Beobachtungen zum Verhältnis von
Justus Gesenius zu Herzog August d. J. und dem Woll'enbütteler Hof (52-75);
I. Maf er. Die Beziehung Herzog Augusts von Braunschweig-Wolfenbüttcl
zu den Theologen Georg Calixt und Johann Valentin Andrcae (76-98); K.
Deppermann, Die Kirchenpolitik des Großen Kurfürsten (99-114); H.
Kretzer, Calvinismus und französische Monarchie im 17. Jahrhundert. Zur
politischen Lehre der Hugenotten im siecle classique (115-132); E. H. Pältz,
Zu Jacob Bochmes Sicht der Welt- und Kirchengeschichte (133-163); C. Nie-
kus Moore. „Mein Kind nimm diß in acht". Anna Hoyers' Gespnuh eines
Kindes mit seiner Mutier von dem Wege zur wahren Gollseligkeit als Beispiel
der Erbauungsliteratur für die Jugend im' 17. Jahrhundert (164-185). - Der
Band ist Oskar Söhngen zum 80. Geburtstag gewidmet.

Beide Bände verfügen wieder über einen größeren Rezensionsteil
und ein die Aufsätze erschließendes Personen- und Ortsregister. Hingewiesen
sei auch auf die Fortsetzungen der Pietismus-Bibliographie
von K. Deppermann und D. Blaufuß, die die einmal 210 und
einmal 270 Titel anzeigen sowie einschlägige Besprechungen dokumentieren
. - Im Bd. 6 informiert Blaufuß abschließend kurz über
„Forschungsprojekte und geplante Publikationen zum Pietismus".

U.C.