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Ausgabe:

1982

Spalte:

120-122

Kategorie:

Kirchengeschichte: Neuzeit

Autor/Hrsg.:

Adolph, Walter

Titel/Untertitel:

Geheime Aufzeichnungen aus dem nationalsozialistischen Kirchenkampf 1982

Rezensent:

Nowak, Kurt

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 2

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ger Sicht) eröffnet Gottfried W. Locher mit holzschnittartigen Ausführungen
über „Reformatorisches Christentum - Aussage, Probleme
, Aufgaben" (103-115). Lukas Vischers Referat „Der Auftrag
der reformierten Kirche in der ökumenischen Bewegung" (116-125)
gipfelt in kritischen Anfragen (Sinn für die ganze Tradition der Kirche
, regelmäßige Abendmahlsfeiern, fehlendes Bischofsamt, reformierte
Tradition und soziale Schichten) an die reformierte Kirche.
Von katholischer Seite werden zwei Beiträge beigesteuert: die „Besinnung
eines Katholiken zu 450 Jahre Reformation in Basel" (126-138)
von Weihbischof Otto Wüst und Victor Concemius' Referat „Die
Reformation aus katholischer Sicht" (139-156). Beide Vorträge sind
vom Geist ökumenischer Offenheit geprägt. Am wenigsten auf Basel
bezogen ist das Schlußreferat von Jan Milic Lochman : „Zum Vermächtnis
der Basler Reformation" (157-168), dessen eigentliches
Thema der Untertitel angibt: „Das Reich Gottes und die Sachzwänge
derZeit".

An der instruktiven Publikation, die sich gut lesen läßt, wäre höchstens
der wenig einfallsreiche Titel zu bemängeln.

Berlin Siegfried Bräuer

Stempel, Hermann-Adolf: lYIelanchthons pädagogisches Wirken.

Bielefeld: Luther-Verlag 1979. 224 S. gr. 8' = Untersuchungen zur
Kirchengeschichte, 11. Kart. DM 58,-.

Wie der Titel des Buches anzeigt, hat der Vf. zum Glück nicht die
Absicht, die zahllosen modernen pädagogischen Theorien um eine
solche von Melanchthon zu vermehren, sondern will das praktische,
persönliche und organisatorische „Wirken" Melanchthons in seiner
stufenweisen Entwicklung seit 1516 schildern. Er tut dies mit Hilfe
einer, soviel ich weiß, bisher nicht dagewesenen Ausschöpfung der
Quellen und Literatur, unter den Quellen auch besonders der Supple-
menta Melanchthoniana 1912/26. Und es gelingt dem Vf. tatsächlich
, anhand von Melanchthons eigenen Äußerungen, seiner Werke
und seiner praktischen Versuche von seiner „schola privata" von
1521 bis zum „Examen ordinandorum" von 1552 zu beweisen, daß
Melanchthon von Anfang bis zum Ende nichts anderes sein wollte als
„Pädagoge" und Schulmann, Erzieher, Lehrer, Erklärer, Diener, -
erst unter der noch stark humanistischen Devise „pietas et eruditio",
dann seit dem „Unterricht der Visitatoren" 1528 unter dem Leitmotiv
„christliche Unterweisung", das noch nicht radikal ausschließlich
lutherisch gemeint ist, und zuletzt klar und deutlich im Dienst
der Kirche des Augsburger Bekenntnisses. Dabei verdient der wiederholte
Nachweis des Vf. Beachtung, daß sich die Erziehungsbemühung
Melanchthons keineswegs nur auf akademische Erziehung in den
vom Humanismus bevorzugten Sprachen und klassischen Schriftstellern
, auch nicht auf theologische Bildung beschränkte, sondern
die ganze Breite des jugendlichen Lebens „ab ineunte aetate" (209),
also von Kind auf im Auge hatte; er widerspricht dem Vorwurf, er
kümmere sich damit um „eitel Kinderwerk": „das ist wahr-antwor-
tet er -. aber an diesem Kinderwerk ist hoch und merklich gelegen"
(203). So entspricht es ja auch seinem eigenen Werdegang, denn er
kam aus einem Elternhaus, an dessen „pietas" er zeitlebens dankbar
dachte, und hatte an seine ersten Schulversuche unter seinem geliebten
Lehrer Joh. Unger nur positive Erinnerungen, wie aus vielen
Äußerungen in der Postilla Melanthoniana (CR 24 und 25) hervorgehl
.

Das Hauptanliegen des Vf. ist jedoch, eine zutreffende Formel für
den (ieisl zu linden, von dem Melanchthons pädagogisches Wirken
geleitet und bestimmt war, oder, wie Stempel sich ausdrückt, für den
„Bezugspunkt für Melanchthons Denken und Handeln" (16). Stempels
oft gebrauchte Formel lautet, das pädagogische Wirken Melanchthons
bestehe und verlaufe in einem „Dreiecksverhältnis zwischen
Obrigkeit, Kirche und Bildung" (66), in einer „immanenten
Systematik, die mit dem Bild eines pädagogischen Dreiecks von
Schule Kirche und Staat umschrieben werden kann" (69), in der „Zusammengehörigkeit
von Kirche, Schule und Obrigkeit in den Fragen
der Erziehung" (170). In diesem Rahmen wirkt sich die schon früh
von Melanchthon gebrauchte Formel „pietas und eruditio" aus,
wobei „zur pietas ebenso eruditio gehört wie zur eruditio pietas"
(214). Von dieser Grundthese aus setzt sich Stempel dann kritisch mit
bisherigen Melanchthonauffassungen auseinander, dann und wann
vielleicht ein wenig pedantisch, aber im ganzen doch mit guten Gründen
. Es ist ihm zu wenig, wenn behauptet wird, daß sich bei Melanchthon
„das Leben der Schule ... im Raum der Kirche vollziehe"
(16). Es ist ihm zu einseitig, Melanchthon als „praeeeptor Germa-
niae" zu bezeichnen (166), zu irreführend, Melanchthons Universitätskonzept
als „eine Art Kirchlicher Hochschule" zu beschreiben
(176), selbst Luther wird kritisiert, weil er den Ratsherren deutschen
Landes empfiehlt, „christliche Schulen" zu errichten (97); selbst den
gewiß nicht ganz unrichtigen Gedanken, daß der engagierte Schulmann
Melanchthon doch einen gewissen Beitrag zur Verschulung der
Kirche geleistet habe, will Stempel nicht gelten lassen, obwohl er selber
richtig von Melanchthon zitiert „ecclesiam esse . . . coetum simi-
lem scholastico coetui" (160). Aber dies alles ändert nichts an der
grundsätzlichen Richtigkeit der Hauptthese Stempels; denn sie betont
mit Recht, daß die Schule und das pädagogische Wirken auch
und gerade im Namen einer ernsten christlichen pietas einen weiten,
auf das Gesamtleben in Familie, Kirche und Staat gerichteten Horizont
haben muß und daß weder Kirche noch Staat eine absolute
Herrschaft über sie ausüben darf; das Zitat auf S. 169 beschreibt diese
Weite des melanchthonischen Schul- und Erziehungsgedankens:
„Scholas esse necessarias ad pietatis, religionis, Status civilis, deme-
sticae etiam administrationis conservationem.". Die breite vielfach
differenzierte Schilderung dieser frommen Erziehungspraxis Melanchthons
ist zugleich eine konkrete Veranschaulichung des bekannten
melanchthonischen Bekenntnisses, „er habe nie aus einem andern
Grunde Theologie getrieben als aus dem, das Leben zu bessern" (18).

Leider fehlt dem reichhaltigen Buch ein Namens- und Sachregister. An
Druckfehlern sind mir aufgefallen: die oberste Zeile von S. 37 und die unterste
Zeile von S. 36 sind vertauscht, auf S. 201 folgen sich die 4 untersten Zeilen in
falscher Reihenfolge, auf S. 186 in der Mitte muß das letzte kursiv gedruckte
Verbum ziemlich sicher .wachen' heißen und nicht .wachsen'. Das Latein läßt
auch manchmal zu wünschen übrig, S. 46 Anm. 44 muß es statt .ncophysitis'
heißen: neophytis, aufS. 144 im Text am Ende des oberen Drittels nicht .utili-
tabius', sondern utilitatibus, S. 151 etwa in der Mitte der Seite nicht Judica de
necessariis rebus', sondern judicia, auf S. 199 in der dritten Zeile von oben
nicht ,puratatis', sondern puritatis und auf S. 207 Anm. 123 in der untersten
Zeile nicht .poesla', sondern postea. Nicht Druckfehler, sondern ziemlich
sicher falsche Interpretation ist es, wenn auf S. 178 Anm. 16 die Wendung im
Zitat .statlich angericht und unterhalten' im Sinne .städtischer Trägerschart'
dieser Schule interpretiert wird; .statlich' ist an dieser Stelle höchstwahrscheinlich
nicht gleich staatlich oder städtisch, sondern gleich: stattlich!

Aber Summa summarum, es ist ein gutes reichhaltiges Buch, dem
man viele Leser unter Kollegen. Plärrern, Lehrern und Studenten
und wohlwollende Rezensenten und Kritiker wünschen möchte.

Karlsruhe Erwin Mülhaupt

Kirchengeschichte: Neuzeit

Adolph, Walter: Geheime Aufzeichnungen aus dem nationalsozialistischen
Kirchenkampf 1935-1943, bearb. v. U. v.Hehl.
Mainz: Matthias-Grünewald-Verlag 1979. XLII, 304 S. 4" = Veröffentlichungen
der Kommission für Zeitgeschichte. Reihe A: Quellen
, 28. Lw. DM 38,-.

Die aus intimer Kenntnis gespeisten Aufzeichnungen Walter
Adolphs (1902-1975) zum katholischen Kirchenkampf der Jahre
1935-1943 sind nunmehr erstmals vollständig gedruckt worden.
Geringfügige Auslassungen erfolgten aus Gründen des Personenschutzes
. Ein Teil der über den Gesamt-Nachlaß verstreuten, jetzt zu