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Ausgabe:

1982

Spalte:

114-116

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Trakatelles, Demetrios

Titel/Untertitel:

Ho hyperbatikos Theos tu Eugnostu 1982

Rezensent:

Tröger, Karl-Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 2

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Die vorliegende Monographie ist eine nur unwesentlich überarbeitete
Heidelberger Dissertation. Ihr Vf. ist jedoch schon durch
mehrere Beiträge in der neuesten Gnosisforschung bekannt geworden
. - Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche Christentum
hat er vor allem aufgrund der im Untertitel genannten Texte bearbeiten
können. Die Apokalypse des Petrus (NHC VII,3) hat mit der
bekannten und im Kanon Muratori erwähnten Petrusapokalypse
nichts zu tun. Es handelt sich um eine christlich-gnostische Apokalypse
, die als eine Rede des Soter an Petrus stilisiert ist und in der eine
gnostische Deutung der Passion und Kreuzigung dargeboten wird.
Besonders bedeutsam ist, daß wir dort auch der Polemik gegen die
„Häresie" der Großkirche begegnen. Das „Testimonium Veritatis"
(NHC IX,3) ist eine homiletisch-polemische Schrift, die vielfältige
Traditionen bearbeitet und den gnostischen Weg der Erlösung durch
Absage an die Welt befürwortet. Auch hier begegnen wir einer Polemik
gegen die kirchliche Lehre und Moral und darüber hinaus auch
mehreren Angriffen gegen andere gnostische Gruppen. Beide Schriften
werden von K. etwa in die erste Hälfte des 3. Jh. datiert, wobei
man in TestVerit ältere Schichten identifizieren kann, z. B. einen
sonst unbekannten Midrasch über Gen 3 (B. A. Pearson). - Als K.
seine Arbeit zum Druck gegeben hat, war der Nag-Hammadi Kodex
IX in der Faksimile Edition (Leiden 1972fT) noch nicht zugänglich
und K. hat für seine in der vorliegenden Arbeit benutzte und in
ZNW 69, 1978 erschienene Übersetzung das Original in Alt-Kairo
studiert. Die Petrusapokalypse war u.a. in der ThLZ 99, 1974
Sp. 575-584 veröffentlichten Übersetzung des Berliner Arbeitskreises
für koptisch-gnostische Schriften zugänglich. Inzwischen ist die Faksimile
-Ausgabe vollständig geworden und im Herbst 1977 ist die englische
Gesamtausgabe des Fundes von Nag Hammadi unter Leitung
von J. M. Robinson erschienen (The Nag Hammadi Library in Eng-
Hsh, San Francisco - Toronto [-Leiden]). Mit ihr ist eine neue Welle
des Interesses an den Nag-Hammadi-Schriften gekommen und K.s
Arbeit ist mit Vorsprung als eine kirchen- und theologiegeschicht-
lichc Bewertung einiger bedeutender neuentdeckter Texte erschienen.

Bisher hat man nämlich den Konflikt zwischen der Großkirche
und der Gnosis nur aus den Werken der kirchlichen Ketzerbestreiter
gekannt. Die große Bedeutung der zwei erwähnten Texte besteht
darin, daß sie die gnostische Polemik gegen das kirchliche Christentum
enthalten. K. hat ihre Argumente mit den Aussagen der Kirchenväter
konfrontiert und seine Arbeit stellt auf diese Weise eine
komplexe Behandlung der im Haupttitel angekündigten Problematik
dar, bei der man bisher nur auf Vermutungen angewiesen war. K.
stellt fest, daß die Gnostiker im 3. Jh. größtenteils immer noch im
Rahmen der Großkirche gelebt und gewirkt haben. In ihrem Bewußtsein
waren sie der innere Kreis, das geistige Zentrum der Großkirche
(vgl. Exkurs VIII: Zum Andauern kirchlicher Gemeinschaft zwischen
Gnostikern und Gemeindechristen). Sie haben sich ähnlich wie die
orthodoxen Führer um den entscheidenden Einfluß auf die Masse der
Gemeindechristen bemüht. Es hat sich nicht um Polemik im Sinne
gegenseitiger ideologischer und theologischer Bekämpfung gehandelt,
sondern noch damals haben die Gnostiker die orthodoxen Glaubensaussagen
vor allem nur relativiert. Sie haben sie für den niedrigeren
und vorläufigen Heilsweg erklärt. Den Irrtum der orthodoxen Christen
haben sie in dem Absolutheitsanspruch der großkirchlichen
Lehre und Kirchenstruktur gesehen. Manchmal haben sie die Ansprüche
der Gemeindechristen ironisiert, sonst haben sie jedoch versucht
, die anderen Christen durch eigene Demut (humilitas) zu gewinnen
(16611). Für die kirchlichen Ketzerbekämpfer war es deshalb
schwierig, die Gnostiker der Häresie zu überführen. Man mußte ihre
Aussagen in die kosmologischen Systeme der außerchristlichen Gnosis
hineinprojizieren, obzwar jene Systeme in der christlichen Gnosis
nur eine begrenzte Bedeutung haben. Der Unterschied bestand nämlich
mehr in der Lebenshaltung (vgl. den Exkurs: Asketisch ausgerichtete
Kritik der Gnostiker an der Kirche). Die Gnostiker haben
mehr die Absage an die Welt betont, die orthodoxen Christen mehr
die Stärkung der kirchlichen Gemeinschaft. Auch die anderen Gnostiker
werden in TestVerit wegen mangelnden Fähigkeiten der Weltabsage
kritisiert (vgl. Exkurs VII: Innergnostische Polemik). Nach
kritischer Überprüfung der Berichte kann man nur die Basilidianer
wegen des Libertinismus verdächtigen (156 ff).

Zur Deutung der zwei zugrundeliegenden Traktate werden die gesamten
antiken Zeugnisse über die Gnosis herangezogen und bei der
Bearbeitung einzelner Exkurse systematisch ausgewertet. Exkurs I
(Gnostische Polemik gegen die Verkündigung des Gekreuzigten) behandelt
im Lichte anderer Zeugnisse die Vorwürfe der Apokalypse
des Petrus und des Zweiten Logos des Großen Seth (NHC VII.2)
gegen die „Häresie" der Großkirche, die an den „Toten" der Passionsgeschichte
glaube und den geistigen Christus verkenne. Exkurse
II, III und IV (Gnosis und kirchliches Amt; Gnostische Kritik des
Kirchen Verständnisses der Katholiken; Die Sakramentspolemik der
Gnostiker) befassen sich mit der gnostischen Kritik der Ekklesiologie
der Großkirche, die ihre äußerlich organisierten Versammlungen für
die wahre Kirche hält. Die gnostische Haltung gegenüber dem Martyrium
(Exkurs V: Gnosis und Martyrium) ist differenziert und
schwankt von der Martyriumssucht bis zu der Warnung vor dem
Martyrium mit der Begründung, daß das geistige Wesen des Erlösers
durch die ganze Lebenseinstellung veranschaulicht werden muß.

Die Ergebnisse der vorliegenden Arbeit berichtigen in mehrerer
Hinsicht das Bild der christlichen Gnosis, das die kirchlichen Haere-
seologen bieten. Es wird jedoch nicht widerlegt. Das Urteil der Kirchenväter
war besonders dort berechtigt, wo sie aus den Informationen
über andere gnostische Gruppen oder ältere Etappen der Gnosis
die potentielle Gefahr erkannt hatten. Es ist vor allem die weltfremde
Haltung, durch die die von K. untersuchten Quellen geprägt sind.
Diese Haltung hat auch zum Konflikt über das christliche Glaubenszeugnis
geführt.

K. befaßt sich begreiflicherweise nicht mit der heidnischen oder
nur äußerlich christianisierten Gnosis, also auch nicht mit den Fragen
des Ursprungs und der religionsgeschichtlichen Einordnung der
Gnosis als Ganzer. Er konzentriert sich gemäß der Quellen auf die
konkrete Gestalt der Spannung innerhalb des Christentums im 3. Jh.,
die die Gnosis hervorgerufen hat. Seine Arbeit ist eine würdige Ergänzung
und Fortsetzung der bahnbrechenden Monographie „Rechtgläubigkeit
und Ketzerei im ältesten Christentum" von Walter Bauer
(Tübingen 1934).

Prag Petr Pokorny

Trakatellis, Demetrios: Ho Hyperbatikos Theos tu Eugnöstu.
Exegetike symbole eis ten ereunan tön gnöslikön keimenön tu Nag
Hammadi (The Transcendent God of Eugnostos. An Exegetical
Contribution to the Study of the Gnostic Texts of Nag Hammadi),
Athenai 1977,238 S., gr. 8

Der Eugnostosbrief erscheint innerhalb der „Bibliothek" von Nag
Hammadi zweimal, und zwar als dritte Schrift von Kodex III mit nur
geringfügigen Beschädigungen der Papyrusblätter, aber ohne die
Seiten 79 und 80, und als erste Schrift in Kodex V mit erheblichen
Lädierungen und daher sehr lückenhaft. Der Text verdient besonderes
Interesse und hat in der Forschung bereits starke Beachtung gefunden
, da er weitgehend mit der „Sophia Jesu Christi" (NHC 111,4
und BG3 8502) übereinstimmt, allerdings so, daß SJC direkt vom
Eug abhängt und als seine christianisierte Version erscheint, der
seinerseits auf einen „Ur"-Eugnostosbrief (im Sinne einer Bearbeitung
) zurückgehen dürfte. Ob der Eugnostosbrief selbst schon vom
Christentum beeinflußt oder von diesem noch unberührt war, ist in
der Forschung kontrovers. M. E. setzt er die Existenz des Christentums
und damit auch die christliche Terminologie einfach voraus.

Die vorliegende Publikation beginnt nach einem kurzen Vorwort,
dem Inhalts- und einem Abkürzungsverzeichnis mit einer „Einleitung
" (17-23), die einigen Besonderheiten des Eugnostosbriefes nach-