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Ausgabe:

1982

Spalte:

111-112

Kategorie:

Neues Testament

Autor/Hrsg.:

Roon, A. van

Titel/Untertitel:

De brief van Paulus aan de Epheziers 1982

Rezensent:

Lindemann, Andreas

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 2

112

unter der Überschrift „Die eschatologische Gemeinschaft mit Christus
als die Vollendung der Solidarität Christi mit uns" sämtliche
Stellen untersucht, an denen die Wendung „mit Christus" begegnet.
In Verbindung damit wird die Einheit der sakramentalen und escha-
tologischen Mit-Christus-Aussagen betont. Schließlich wird der theologische
und zugleich christologische Gehalt der Aussagen von der
Auferweckung und Verherrlichung der Glaubenden herausgearbeitet,
vor allem mit dem Akzent, daß sich mit der Auferweckung der Glaubenden
die Herrschaft des gekreuzigten und auferweckten Christus
vollendet.

Vf. hat seine Hauptthese von der konsequent christologischen Prägung
der paulinischen Eschatologie (vgl. z. B. S. 170: ,„Eschatologie'
als Konsequenz und Auslegung des Christusereignisses selbst") weithin
überzeugend begründet. - Erwähnenswert ist auch seine kritische
Hinterfragung der Annahme vermeintlichen vorpaulinischen Traditionsgutes
: Von Rom 3,24-26 kann höchstens V. 25a als vorpauli-
nisch gelten; in 1 Kor 15,20-28 deutet nichts zwingend auf die
Benutzung einer antienthusiastisch orientierten apokalyptischen Tradition
hin; für 1 Thess 1,9f ist die Annahme einer vorgegebenen
Überlieferung nicht ausreichend begründet; bei den Ausführungen zu
Rom 8 spielen traditionsgeschichtliche Überlegungen keine wesentliche
Rolle. Daß F. dieser Methode aber nicht grundsätzlich ablehnend
gegenübersteht, zeigen seine Erörterungen zu Rom l,3f, wo er
der Analyse von H. Schlier folgt.

Fraglich erscheint mir die Übernahme der verbreiteten Schwarzweiß
-Malerei hinsichtlich des Verständnisses der Erwartung des
eschatologischen Tages in der frühjüdischen Apokalyptik und bei
Paulus (S. 3-9) mit dem Ergebnis: „Die Apokalyptik (steht) in unversöhnlichem
Gegensatz nicht nur zum AT, sondern auch zum Denken
des NT" (S. 8). Das Fehlen eines näheren Eingehens auf Rom 11 in
einer Untersuchung über Christologie und Eschatologie bei Paulus
stimmt dann um so nachdenklicher.

Berlin Christian Wolff

Roon, A. van.: De brief van Paulus aan de Epheziers. 2. Aufl.
Nijkerk: Callenbach 1979. 204 S. 8* = De Prediking van het Nieuwe
Testament. Kart, hfl 33.50.

Bei dem anzuzeigenden Werk handelt es sich um den unveränderten
Nachdruck eines zuerst 1976 veröffentlichten Kommentars. Vf.
geht in einem Vorwort (S. 40 kurz auf die seit etwa 1973 erschienene
Literatur zum Eph ein und gibt eine knappe Wertung; in einem Anhang
findet sich eine Übersicht darüber, zu welchen Textabschnitten
in dieser neuen Literatur ausführliche Exegesen zu finden sind. Ausdrücklich
betont Vf., seine Position sei seit der 1. Auflage unverändertgeblieben
.

Vf., auf dem Gebiet der Eph-Forschung hervorgetreten durch seine
umfangreiche Monographie „The Authenticity of Ephesians"', setzt
im Kommentar die Echtheit des Eph voraus, ohne das Problem auch
nur zu diskutieren. Die Frage nach dem religionsgeschichtlichen Hintergrund
des Briefes wird mit wenigen Worten beiseitegeschoben -
Zusammenhänge mit der Gnosis oder mit Mysterienreligionen gibt es
nicht, vielmehr gehört der Brief ganz und gar in den Kontext Jüdisch
-hellenistischer" Tradition2 und besitzt Parallelen nur in Qum-
ran-Texten und bei den Rabbinen (S. 7 und passim).

Vf. löst das textkritische Problem von 1,1 mit der originellen
These, Eph sei in Wirklichkeit ein Brief des Paulus an die Gemeinden
von Hierapolis und Laodicea, Marcion sei in dieser Hinsicht also gut
informiert gewesen (S. 10). Die überraschende Adresse „Hierapolis"
gewinnt Vf. aus einer Kombination von Kol 2,1; 4,13 mit dem eigenartig
überschießenden kai in Eph 1,1b - ursprünglich habe dieses
kai diese beiden Ortsnamen miteinander verbunden. Warum freilich
die beiden ursprünglichen Adressen ausfielen, erfährt man nicht.

Mit der Annahme, Eph sei ein in Caesarea verfaßtes authentisches

Schreiben an zwei dem Paulus unbekannte Gemeinden, hat Vf. die
Basis dafür gewonnen, alle sprachlichen und sachlichen Besonderheiten
des Eph von eben dieser besonderen Situation her erklären zu
können (S. 164f.): Paulus habe Informationen über die Lage in den
beiden Gemeinden erhalten und deshalb unmittelbar im Anschluß an
Kol noch einen weiteren Brief verfaßt, die beide durch Tychikus
überbracht werden sollten (S. 159); Vf. verzichtet aber darauf, den
literarischen Zusammenhang von Eph 6,21 f und Kol 4,7f zu erörtern
.

Diese Vorentscheidungen bestimmen deutlich die Einzelexegese.
So räumt Vf. zu 1,10 ein, dem Brief fehle apokalyptisches Kolorit;
gleichwohl, so meint er, sei ebenso wie in den anderen Briefen ein
apokalyptisches Drama vorausgesetzt (S. 27). Zu 2,4-7 will er mit
einer Fülle von Belegen aus paulinischen Briefen zeigen, daß die Aussagen
über den gegenwärtigen himmlischen Ort der Christen im
Grunde auf der Linie der anderen Briefe liegen; die im Aorist formulierten
Aussagen seien zustandegekommen, weil sich der Apostel bei
der Abfassung des Eph sehr stark vom Gedanken an Gottes großen
Heilsplan habe leiten lassen (S. 61).

Als charakteristisches Beispiel für die Tendenz des Kommentars
sei auf die Auslegung von 5,14 verwiesen. Vf. geht mit keinem Wort
auf diejenige Deutung ein, die in diesem vom Autor des Eph als Zitat
markierten Text einen der Gnosis oder den Mysterienreligionen zuzuordnenden
„Weckruf sieht.3 Er erklärt, es handle sich um ein
freies Mischzitat von Jes 26,19 und Jes60,l, zwei Texten, die in der
rabbinischen Exegese messianologisch gedeutet worden seien
(S. 131 0- Völlig unklar bleibt, mit welcher alttestamentlichen Textgrundlage
Vf. rechnet - die Übereinstimmungen mit dem LXX-Text
der genannten Stellen sind ja überaus gering. Vf. meint, Paulus und
andere Prediger hätten dieses Zitat im missionarischen Unterricht
verwendet; ähnlich habe auch die heidnische religiöse Propaganda
von derartigen knapp formulierten Paränesen intensiven Gebrauch
gemacht. Und ähnlich .wie bei der Proselytentaufe der zentrale Inhalt
des vorangegangenen Unterrichts wiederholt worden sei, so sei es
wohl auch bei der christlichen Taufe geschehen (S. 133).

Der Kommentar ist der entschlossene Versuch des Vf., Eph als
paulinischen Brief zu interpretieren - mit einem Ergebnis, das m. E.
weder der paulinischen Theologie noch der des Eph gerecht wird.
Bemerkenswert scheint mir freilich die Gesamtanlage des Kommentars
zu sein: Vf. gibt keine eigene Übersetzung des Textes, sondern
bezieht sich auf eine niederländische Bibelausgabe; er geht im eigentlichen
Kommentar nur sehr selten auf Sekundärliteratur ein, doch
wird diese - in angemessenem Umfang - im Anmerkungsteil
(S. 168-194) berücksichtigt, wo Vf. auch besondere exegetische Probleme
erörtert. Dadurch erweist sich der Kommentar als sehr gut lesbar
, und andererseits wird der theologisch gebildete Leser jedenfalls
an manchen Stellen über philologische Details und andere Positionen
der Forschung informiert. Vergleichbares wäre m. E. auch im
deutschsprachigen Bereich durchaus wünschenswert.

Bethel Andreas Lindemann

' Supplements to Novum Testamentum 39, 1974; vgl. dazu die Besprechung
von K. M. Fischer, ThLZ 103, 1978 Sp. 504-506.

2 Zur Kritik an der Verwendung dieses Begriffes bei van Roon vgl. Fischer,
a.a.O., 506.

Vf. verweist im Anhang auf K. M. Fischer, Tendenz und Absicht des
Epheserbriefes, FRLANT 111, 1973, 104-146 (5,14 als Weckruf aus dem Bereich
der Mysterienreligionen), ohne freilich dessen Position zu referieren.

Koschorke, Klaus: Die Polemik der Gnostiker gegen das kirchliche
Christentum. Unter besonderer Berücksichtigung der Nag-Ham-
madi-Traktate „Apokalypse des Petrus" (NHC VII,3) und „Testimonium
Veritatis" (NHC IX,3). Leiden: Brill 1978. XIV, 274 S.
gr. 8* = Nag Hammadi Studies, XII. Lw. hfl 124.-.