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Ausgabe:

1982

Spalte:

105-107

Kategorie:

Judaistik

Autor/Hrsg.:

Haas, Peter J.

Titel/Untertitel:

A history of the Mishnaic law of agriculture 1982

Rezensent:

Wiefel, Wolfgang

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Theologische Literaturzeitung 107. Jahrgang 1982 Nr. 2

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Das Buch vermittelt eine Fülle von Anregungen und in sehr ausführlich
gehaltenen Anmerkungen viele Forschungsergebnisse aus
der einschlägigen nichttheologischen Literatur. Es ist so ein schönes
Zeugnis einer interdisziplinären Arbeit, mit dem sich jeder, der sich
künftig mit dem 1 Makk und 2Makk beschäftigt, wird intensiv auseinandersetzen
müssen.

Rostock Klaus-Dietrich Schunck

„Zu den Beziehungen zwischen Rom und den Juden im 2. Jhd. v. Chr.", In:
ZAW 86,1974,90-93.

2 „Zum jüdischen Verfassungsstreit vor Pompejus (Diodor 40,2)", In:
ZDPV91, 1975, 46^49. - „Johannes Hyrkan I. auf Tetradrachmen Anti-
ochos' VII.?", In: ZDPV 91, 1975, 191-196.

3 In der Liste der seleukidischen Kanzler sollte auch Philipp (IMakk 6,14f) gesondert
aufgeführt werden.

Kanter, Shamai: Rabban Gamaliel II: The Legal Traditions. Chico,
CA: Scholars Press 1980. XXII, 340 S. 8' = Brown Judaic Studies,
8. Kart.S 10.50.

Bokser, Baruch M.: Post Mishnaic Judaism in Transition. Samuel on
Berakhot and the Beginnings of Gemara. Chico, CA: Scholars
Press 1980. XXXI, 543 S. 8° = Brown Judaic Studies, 17. Kart.
$ 15.-.

Haas, Peter J.: A Iiistory of the Mishnaic Law of Agriculture.

Tractate Maaser Sheni. Chico, CA: Scholars Press 1980. XXIII,
226 S. 8* = Brown Judaic Studies, 18. Kart.S 10.50.
Bokser, Baruch M.: History of Judaism. The Next Ten Years. Chico,
CA: Scholars Press 1980. XXVII, 147 S. 8' = Brown Judaic Studies,
21. Kart.S 10.50.

Die Brown Judaic Studies, deren rasante Erscheinungsfolge diese
Sammelbesprechung notwendig macht (vgl. Anzeige des Rez. in
ThLZ 106, 1981 Sp. 414 0, profiliert sich immer deutlicher als Organ
der Schule Jacob Neusners, dessen wissenschaftliche Arbeit das Erscheinungsbild
der Judaistik in den USA und weit darüber hinaus bestimmt
. Drei der hier vorliegenden Bände sind Spezialstudien, die
jeweils in der Nachfolge einer der großen Werke des Meisters stehen
und sich thematisch und methodisch an ihnen orientiert haben. Wie
die Untersuchung von grundlegenden Texten der jüdischen Traditionsliteratur
(Mischna, Tosefta) auf dem von J. Neusner in seinen
vielbändigen Kommentarwerken1 gewiesenen Weg weitergeht, zeigt
der Band von Peter J. Haas, A History of the Mishnaic Law of Agriculture
. Er ist dem von Neusner bisher ausgesparten2 Traktat Maaser
scheni (Über den zweiten Zehnten) gewidmet und legt in vergleichender
Anordnung die jeweils zusammengehörenden Mischna- und
Toseftastücke in Übersetzung vor und versucht sie traditionsgeschichtlich
zu analysieren und zu kommentieren. Die Vorschriften
über den von der Ernte genommenen Zehnten, die auf Dtn 14, 22-28
zurückgehen, erscheinen jetzt nicht mehr als kleinliche, vom Streben
nach Perfektion beherrschte Rechtssatzungen, sondern stellen
letzlich einen Ausschnitt aus der Weltsicht des rabbinischen Judentums
dar, wie sie sich nach 70 p. Chr. herausbildete. Das ihnen zugrundeliegende
Seinsverständnis, ihre „Ontologie",3 entspricht dem
der Reinheitsgesetze.

Neusner hat nicht nur durch seine von strengem Methodenbewußtsein
getragene Exegese rabbinischer Texte Schule gemacht, sondern
auch durch seine Monographie über Jochanan ben Zakkai4 und
Eliezer ben Hyrkanos5. Hier ist der Bezugspunkt für die traditionskritisch
-biographische Studie von Shamai Kanter über Rabbi Gamaliel
□. Jeder, der mit der Geschichte des Frühjudentums und
seinen Quellen umgeht, weiß um die Schwierigkeit, im Einzelfall
zwischen Gamaliel I. (um 30), dem Lehrer des Paulus nach Act 22,2
und Gamaliel II. (um 100), dem Nachfolger Jochanan ben Zakkais in
Jabne zu unterscheiden. Eine monographische Behandlung war also
ein dringendes Desiderat; klar war auch, daß der biographischen
Synthese die traditionskritische Analyse vorgeordnet sein mußte.

Kanter weiß sich vor allem dieser Aufgabe verpflichtet. So legt er zunächst
den Bestand der mit R. Gamaliel II. verbundenen gesetzlichen
Traditionen aus Mischna und Tosefta (S. 3-216), daneben auch aus
den tannaitischen Midraschim (S. 216-230) vor. Dem folgt der Versuch
einer Typologie der Formen, bei der die 173 Einheiten, in denen
Aussprüche des Rabbi vorkommen, auf 10 Gattungen verteilt werden
(S. 231-253). Die inhaltliche Erschließung arbeitet nicht nur die charakteristischen
Lehrpunkte heraus - der Vf. zählt 137 - sondern will
durch Einbeziehung der erzählenden Stücke und Elemente zum Biographischen
vorstoßen (S. 257-286). Fragt man nach dem Ergebnis,
so erweist sich der Autor urteilssicher im Grundsätzlichen, skeptisch
im Blick auf die biographische Rekonstruktion. Bestätigt erscheint
die grundlegende qualitative Differenz zwischen der durch Gamaliel
II. vertretenen Jabne-Tradition einerseits und dem Pharisäismus
vor 70 andererseits, während die durch die Katastrophe von
135 n.Chr. getrennten Traditionslinien von Jabne und Uscha nur
quantitativ unterschieden sind. Biographisch kann es nur um Basisarbeit
gehen. Zusammengefaßt bietet sich dies dar: „Gamaliel was
married, had sons, was widowed... he survived the destruction of
Jerusalem, succeeded Yohanan in leadership, lost his Position and
regained it." (S. 85). Darüber hinaus erscheint dem Vf. Skepsis angebracht
. Gegeben ist hier lediglich „the rootedness of that tradition in
the deeds and concerns of the person it describes" (S. XIV). Hier
drängt sich der Vergleich mit der Problemlage in der Jesusforschung
auf.6

Der Judenschaft Babyloniens in nachchristlicher Zeit, die für die
Weiterentwicklung von Lehre und Frömmigkeit des Judentums normative
Bedeutung hatte, galt das historische Hauptwerk J. Neusners7.
In die Frühphase der von ihm dargestellten Entwicklung gehört jene
Gestalt, deren Werk Baruch Bokser eine eingehende Untersuchung
gewidmet hat: R. Samuel, der als wichtigster Repräsentant der ersten
Generation nach der Redaktion der Mischna, also des beginnenden
3. Jh. n. Chr. angesehen werden kann. Mit ihm befinden wir uns an
einer Scheidelinie, die traditionsgeschichtlich wie sachlich von
hohem Interesse ist, der Grenze zwischen dem frühen rabbinischen
Judentum der Mischna und Tosefta und dem späteren der Talmude.
Die in der Mischna gesammelte Tradition hat ihren Abschluß gefunden
, ist gleichsam kanonisch geworden und wird kommentiert. In
welcher Weise dies geschieht, kann an der Auslegung des R. Samuel
verdeutlicht werden. Bokser hat sich bereits in seiner 1975 erschienenen
Dissertation mit ihr beschäftigt.8 Hier trägt er nun alles zusammen
, was in den beiden Talmüden, vorzugsweise in der jeweiligen
Gemara zu Berakot von R. Samuel und unter Berufung auf ihn überliefert
ist. Was der Autor horizontal im Kontext der überlieferten Zusammenhänge
(S. 15-182) und vertikal in der Abfolge der einzelnen
Sentenzen als „füll corpus" (S. 183-252) rekonstruiert, erweist sich
als ein regelrechter zusammenhängender Kommentar zum vorgegebenen
Mischna-Text <S. 253-282). Er steht für das erste Stadium der
Nach-Mischna-Tradition und kann als Fundament der Gemara angesehen
werden. So ist nicht nur die aufgewiesene Vielfalt der Formen
von Interesse (S. 282-398), der Blick auf die prärabbinischen Modelle
(bis zu Philo und Aristobul) eindrucksvoll (S. 429-460), sondern vor
allem die spezifische Eigenart wichtig. Dem Kommentar geht es
darum, die Mischna im Zeichen eines veränderten religiösen und
sozio-kulturellen Kontexts applikabel zu machen. Der am Traktat
Berakot und seiner Kommentierung aufgewiesene Schritt von einer
kultusorientierten zu einer personalen, im Gebet zentrierten Frömmigkeit
läßt uns die spirituelle Leistung des Judentums dieser Epoche
an einem Ausschnitt erkennen.

Als Ausblick in die Zukunft bietet sich der zuletzt erschienene
Band dieser Reihe dar: History of Judaism. The Next Ten Years. Er
enthält Beiträge, die bei der 5. Max Richter Conversation am 23. und
24. Juni 1980 in Providence, RI, gehalten wurden. Einer Anzahl hervorragender
Forscher auf dem Gebiete der Judaistik war die Frage
vorgelegt worden, in welchen speziellen Gebieten sie die Schwerpunkte
künftiger Arbeit sehen, und welche Methoden sie den von